Ein Topscorer bei 1899 Hoffenheim, Geheimtipp im deutschen WM-Kader: Kevin Volland über Nebenwirkungen des Hoffenheimer Hurra-Fußballs, Markus Gisdols Besonderheiten und das Training im Footbonauten.
Kevin Volland ist am Donnerstag in das vorläufige Aufgebot der deutschen Nationalmannschaft für die WM in Brasilien berufen worden. Der 21-Jährige überzeugte in dieser Saison mit bislang zehn Treffern und zehn Assists.
Auf der Homepage von 1899 Hoffenheim äußerte sich Volland begeistert über seine Nominierung: "Hansi Flick hat mich Mittwochnachmittag angerufen. Es fiel mir dann ein bisschen schwer, die Sache für mich zu behalten. Meinen Eltern, mit denen ich gestern Abend lange telefoniert habe, und meiner Freundin, mit der ich abends noch etwas Essen war, habe ich es natürlich gesagt. Ich werde mit den besten deutschen Spielern gemeinsam trainieren können. Das ist eine Ehre und wird großen Spaß machen."
Dass nun die Urlaubspläne durcheinander kommen, stört den Stürmer nicht: "Meinen Urlaub habe ich wie immer mit einer Reiserücktrittsversicherung gebucht. Ob diese in diesem Fall greift, weiß ich aber noch nicht. Ich werde mich da schlau machen. Aber, eines ist klar: Zur Nationalmannschaft zu fahren ist viel besser als Urlaub."
spoxSPOX: Vergangene Saison rettete sich Hoffenheim erst am letzten Spieltag auf den Relegationsplatz. Für den Verein ohnehin eine schwere Situation. Aber wie viel Angst hat man als Spieler um die eigene Zukunft?
Kevin Volland: Die letzte Saison war für jeden Einzelnen im Verein sehr unruhig, hinzu kamen die zahlreichen Trainerwechsel. Aber als Markus Gisdol kam, hat man gemerkt, dass er uns den Druck genommen hat. Wir haben am Schluss sehr gut gespielt und mit viel Glück das Ruder noch herumgerissen. Im Nachhinein war das eine überragende Erfahrung. Der Klassenerhalt war mit das Schönste, das ich je erlebt habe. Aber ein zweites Mal brauche ich das nicht.
SPOX: Sie haben sowohl bei 1860 als auch in Hoffenheim viele Trainerentlassungen erlebt. Wie hinderlich ist das?
Volland: Das ist schon problematisch, wenn man in einer Saison drei Trainer hat und jeder fängt bei null an. Das Team muss ja auch die Spielphilosophie eines jeden Trainers trainieren, sie sich einprägen. Daher ist es schon von Vorteil, wenn man konstant den gleichen Trainer über mehrere Jahre hat. Dann weiß man einfach, was von einem erwartet wird, was der Trainer fordert.
SPOX: Unter welchem Trainer haben Sie selbst den größten Sprung gemacht?
Volland: Der Sprung unter Reiner Maurer damals bei 1860 war schon groß, als ich aus der Jugend zu den Profis hochgeholt wurde. Aber auch unter Markus Gisdol habe ich einen großen Sprung gemacht.
SPOX: Was war denn die zentrale Veränderung, die Gisdol in Hoffenheim vorgenommen hat?
Volland: Als er angekommen ist, hat er gesehen, wie verunsichert wir Spieler waren. Wie er dann im Training Fußball spielen ließ, war einfach überragend. Das hat jedem Spaß gemacht, jeder kann sich mit seiner Vorstellung vom Offensivpressing identifizieren. Seine Vorgabe, vorne die Gegenspieler bedingungslos anzulaufen, den Gegner früh unter Druck zu setzen, haben wir umgesetzt und dadurch viele Gegner überrascht. So haben wir einige Siege eingefahren, die Gold wert waren.
SPOX: Es gab in Hoffenheim unter Gisdol eine Art Zweiklassengesellschaft durch die Einführung "Trainingsgruppe 2". Wie nimmt man das als Spieler wahr, wenn plötzlich Mannschaftskollegen abgeschottet trainieren müssen?
Volland: Das nimmt man eher gar nicht wahr. Wir waren in der Vorbereitung und mussten uns als Mannschaft auf das Sportliche und die anstehenden Spiele konzentrieren.
SPOX: Eine solche Maßnahme soll ja auch beim Rest der Mannschaft einen Effekt auslösen. Welchen Effekt hat das bei Ihnen hervorgerufen?
Volland: Ich habe so weitergemacht wie davor. Bei mir hat das keinen Unterschied gemacht.
SPOX: Unter Gisdol hat Hoffenheim diese Saison die drittmeisten Treffer erzielt, zugleich aber die zweitmeisten Gegentore kassiert. Ist diese Form von Hurra-Fußball nicht riskant?
Volland: Ja, natürlich ist das riskant. Uns ist bewusst, dass es ein gewisses Risiko mit sich bringt. In der Hinrunde gab es ja meistens Spektakel. Daran waren wir aber als Mannschaft selbst schuld, weil wir manche Spiele dumm hergeschenkt haben. Aber das ist uns in der Rückrunde nicht mehr so häufig passiert. Wir haben nochmal einen Riesenschritt gemacht. Wir haben uns als Team gefestigt, sogar dreimal zu Null gespielt, auch wenn das nicht so viel ist. Dazu haben wir auch "langweilige" Partien abgeliefert, wo es mal nicht so spektakulär abging.
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SPOX: Was ist Ihnen auf dem Platz denn lieber: Spektakel oder Langeweile?
Volland: Eine Mischung aus beidem finde ich am besten. Natürlich wollen wir erfrischenden Offensivfußball spielen und uns ist klar, dass der Gegner dann auch zu Torchancen kommt. Andererseits musst du dich auch an den Spielverlauf anpassen. Wenn du 2:0 führst, dann macht es kein Sinn, weiter für Spektakel zu sorgen. Dann musst du auch clever aus der Ordnung heraus spielen und die Zeit von der Uhr nehmen.
SPOX: Sie selbst sind ein sehr variabler Stürmertyp, kamen auf allen Offensivpositionen zum Einsatz. Welche liegt Ihnen denn am meisten?
Volland: Wir haben viele Freiheiten in der Offensive, deshalb ist es mir relativ egal, wo ich spiele. In unserer Offensive gibt es ja auch keine klassischen Außenpositionen. Der rechte Mittelfeldspieler ist ja praktisch der rechte Zehner. Und vorne drin macht es mir genauso viel Spaß. Egal, auf welcher Position man bei uns spielt: Wenn man defensiv die Aufgabe erfüllt, die einem der Trainer mitgibt, hat man offensiv viele Freiheiten. Wenn wir im Ballbesitz sind, kann ich zum Beispiel jederzeit mit Roberto Firmino tauschen. Wir können enger zusammenrücken, aber auch breit stehen. Wir können Wege in die Tiefe gehen. Das Wichtigste dabei ist nur, intuitiv die richtige Entscheidung zu treffen.
SPOX: Wie wichtig ist die Harmonie mit den Mitspielern?
Volland: Enorm wichtig. Umso mehr Trainingseinheiten und Spiele man mit seinen Kollegen absolviert, desto besser versteht man sich. Desto besser versteht man, wie die anderen ticken, desto besser antizipiert man ihre Laufwege. Gerade zum Ende hin hat es uns enorm geholfen, dass wir immer eingespielter waren. Umso wichtiger ist es, dass wir auch nächste Saison zusammenbleiben.
SPOX: Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist getan: Firmino und Sie haben Ihre Verträge verlängert. Wäre ein Wechsel zu einem größeren Klub persönlich zu früh gekommen?
Volland: Das weiß ich nicht, da ich mich für Hoffenheim entschieden habe. Das ist definitiv der richtige Schritt. Es macht Riesenspaß, hier kann ich mich bestmöglich weiterentwickeln. Die Art und Weise, wie wir Fußball spielen, passt perfekt zu mir.
SPOX: Manch einer würde behaupten, auch der Dortmunder Fußball würde gut zu Ihnen passen...
Volland: Der Fußball in Dortmund ist ja ähnlich wie unserer. Beide Teams wollen schnell ins Gegenpressing kommen, Bälle früh erobern und möglichst schnell zum Torabschluss kommen. Ob Dortmunds Fußball jetzt perfekt zu mir passt, kann ich aber nicht wissen. Schließlich habe ich dort noch nie gespielt.
SPOX: Gab es denn konkrete Anfragen?
Volland: Damit habe ich mich nie beschäftigt. Das habe ich komplett ausgeblendet. Mir war wichtig, dass wir eine gute Saison spielen. Wenn man sich zu viel mit den Dingen beschäftigt, die in der Presse stehen, hat man den Kopf frei einfach nicht frei.
SPOX: Neben dem ähnlichen Fußball gibt es noch eine andere markante Parallele zu Dortmund: Den Footbonauten, den Hoffenheim als erstes Bundesliga-Team nach dem BVB nutzt. Wie oft waren Sie schon drin?
Volland: Ich war erst einmal drin, aber es hat mir Riesenspaß gemacht. Es ist ein tolles Training für Ballannahme und Reaktion. Ich habe es leider nicht öfter geschafft, zum Ende der Saison ist man froh, wenn man nach dem Training regeneriert. Daher hatten die meisten bisher nur ein- bis zweimal Zeit dafür. Aber in der Vorbereitung werden wir ihn bestimmt wieder öfter nutzen.
SPOX: Der Footbonaut ist also noch kein fixer Bestandteil des Trainingsprogramms, sondern eher eine nette Zusatzoption?
Volland: Das würde ich nicht so sagen. Wir bauen den schon öfter ins Training ein. Vor allem für die Spieler, die nicht so oft spielen. Die können sich dort richtig austoben und alles raushauen. Es ist schon ein wichtiges Element des wöchentlichen Trainings.
SPOX: Aus Ihrer subjektiven Einschätzung heraus: Was kann mit dem Footbonauten trainiert werden, was auf dem Platz mit "üblichen" Übungen nicht so effektiv verbessert werden kann?
Volland: Man kann dort so viele Sachen einstellen, das ist Wahnsinn. Man kann sich den Ball mit 100 km/h flach in den Fuß schmettern lassen, man kann ihn sich auf die Brust ballern lassen. Es gibt so viele Sachen, so viele Alternativen, die man trainieren kann und auf die man im Spiel auch vorbereitet sein muss. Am wichtigsten ist dabei die Handlungsschnelligkeit. Nach der Annahme muss man den Ball sofort in ein irgendwo aufblinkendes, leuchtendes Feld hineinschießen und weiter geht's. Das ist schon ein überragendes Training.
SPOX: Mutet die Tatsache, inmitten von Leuchtfeldern und Ballmaschinen zu stehen, nicht komisch an? Fehlt einem da nicht die "gewohnte" Fußballerumgebung wie etwa auf dem Trainingsplatz?
Volland: Dann stellt man einfach über den Ton das Stadiongeräusch an (lacht). Das geht auch. Mit dem Footbonauten geht alles. Beim ersten Mal ist es schon ein wenig spektakulär. Man kommt rein und man fühlt sich wie in einem Ufo. Aber es ist ja nicht der Zweck des Footbonauten, sich wie immer auf dem Trainingsplatz zu fühlen. Man will sich weiterentwickeln, die Ballannahme verbessern. Das geht im Footbonaut richtig gut.
SPOX: 100 km/h schnelle Bälle aus den verschiedensten Richtungen - gab es da schon mal einen schmerzhaften oder kuriosen Zwischenfall?
Volland: Ja, beim ersten Mal habe ich die Einführungsrunde nicht ganz mitbekommen. Immer bevor die Ballmaschine den Ball abschießt, ertönt ein Geräusch, ein Pfeifen. Ich dachte, das käme von der Ballmaschine, denn von denen gibt es schließlich vier. Dabei signalisiert das Pfeifen die Richtung, wo man den Ball selbst hinpassen muss. Dadurch kamen die Bälle ständig aus anderen Richtungen, als ich erwartet hatte und ich war völlig überfordert (lacht). Aber das war nur in der Einführungsrunde.
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Kevin Volland im Steckbrief