"Vielleicht sogar Abgänge zu Bayern"

Daniel Reimann
25. März 201510:48
Klaus Allofs (l.) übernahm den VfL Wolfsburg Ende 2012getty
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Klaus Allofs und Dieter Hecking formten aus dem Abstiegskandidaten Wolfsburg einen neuen VfL. Der Manager spricht im Interview mit SPOX über das Ziel Meisterschaft, Bayerns Transferpolitik und die Nachwehen des Malanda-Dramas. Außerdem: Weshalb Hans-Joachim Watzke falsch liegt und was der englische Fußball besser kann als der deutsche.

SPOX: Herr Allofs, Hans-Joachim Watzke hat kürzlich gesagt, Wolfsburg verfüge über scheinbar endlose Ressourcen. Darf man Sie also zur finanziellen Übermacht der Liga beglückwünschen?

Klaus Allofs: Leider nicht. Das ist wie viele Aussagen in der Vergangenheit eine völlig falsche Einschätzung der Situation. Wir sind in puncto Umsatz an vierter oder fünfter Stelle in der Liga einzuordnen. Es stimmt zwar, dass wir als hundertprozentige Volkswagen-Tochter gut unterstützt werden. Aber man muss auch die Wirtschaftlichkeit einer Idee im Blick haben. Wir haben Ambitionen - doch dazu gehören entsprechende Leistungen.

SPOX: Weshalb wird dennoch von vielen Konkurrenten das Bild des endlos reichen VfL Wolfsburg gezeichnet?

Allofs: Es werden nette und weniger nette Dinge über den VfL Wolfsburg gesagt. Manchmal auch ohne argumentative Grundlage. Aber ich sehe das nicht negativ. Der Respekt, den man uns entgegenbringt, ist einfach größer geworden. Für die Konkurrenz gibt es plötzlich einen neuen Gegner im Kampf um die Europacup-Plätze. Wir stehen unter genauester Beobachtung.

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SPOX: Im Audi Star Talk haben Trainer und Spieler erstmals offensiv von Titeln und Bayernjagd gesprochen. Weshalb übt sich Wolfsburg nicht in Understatement?

Allofs: Es gibt keinen Grund, sich kleiner zu machen, als man ist. Jeder Profi will doch am liebsten um Titel spielen, das gilt auch für unsere Spieler. Natürlich wollen wir Meister werden. Das ist ein berechtigter Wunsch, wenn man in der Bundesliga auf Platz zwei steht. Es wäre falsch, wenn wir diese Ambition nicht hätten. Entscheidend ist, dass wir es richtig einordnen.

SPOX: Noch ist der Rückstand auf Bayern in vielen Aspekten enorm.

Allofs: Wir sind längst nicht in einem Atemzug mit Bayern zu nennen, das ist richtig. Noch sind wir weit von den Möglichkeiten des FC Bayern entfernt. Doch das muss nicht ewig der Fall sein. Wir stehen schließlich erst am Anfang unserer Entwicklung. Wir müssen noch viel lernen. Aber wenn wir unseren Weg konsequent weitergehen, kommt eines Tages auch die Meisterschaft infrage.

SPOX: Derzeit scheinen die Bayern auf vielen Ebenen übermächtig. Über welchen Zeitraum kann sich der VfL annähern?

Allofs: Wir wollen kleine, sichere Schritte gehen. Das nächste Ziel kann noch nicht sein, zu den Bayern aufzuschließen. Dafür müssten nicht nur wir sehr viel richtig, sondern auch Bayern sehr viel falsch machen. Stattdessen wollen wir den Abstand sukzessive verringern. Mittelfristig wollen wir uns unter den ersten vier Mannschaften Deutschlands etablieren. Das Ziel wäre auch mit Platz zwei in dieser Saison längst nicht erreicht. Sich zu etablieren erfordert Kontinuität. Darin sehen wir unsere Aufgabe für die nächsten Jahre.

Medien: Bayern-Interesse an Kevin de Bruyne

SPOX: Bayern hat den Ruf, gefährlichen Konkurrenten entscheidende Schlüsselspieler wegzukaufen. Fürchten Sie, dass dieser Fall auch beim VfL eintreten könnte?

Allofs: Davor haben wir keine Angst. Es wäre vielmehr eine logische Konsequenz. Wir wollen eine schlagkräftige Mannschaft haben und je stärker unsere Spieler sind, desto größer sind auch die Begehrlichkeiten anderer Vereine. Bayern ist der Marktführer und verfügt über die entsprechenden finanziellen Mittel. Diese Gefahr wird also auf uns zukommen, das ist klar. Aber für uns ist das kein Schreckensszenario. Ich kann damit sehr viel besser leben, als wenn es gar keine Interessenten für unsere Spieler gäbe. Das würde bedeuten, dass wir keinen Erfolg hätten.

SPOX: Ende letzten Jahres wurde der Berater von Kevin de Bruyne zu einem angeblichen Interesse des FC Bayern zitiert. Mal im Ernst: Wenn Bayern ihm ein Angebot unterbreitet - wäre er dann überhaupt zu halten?

Allofs: Erst einmal möchte ich klarstellen, dass zu keiner Zeit von einem Interesse der Bayern an Kevin de Bruyne die Rede war. Ich stehe mit dem Berater in sehr engem Austausch. Vielmehr ging es darum, was ich bereits angedeutet habe: Es ist vollkommen klar, dass ein so überragender Bundesligaspieler in den Notizbüchern anderer großer Vereine steht - wahrscheinlich auch in dem des FC Bayern. Aber es gibt kein Angebot und Kevin hat mehrfach erklärt, dass er sich beim VfL Wolfsburg sehr wohl fühlt. Deshalb ist ein Wechsel von de Bruyne für uns gar kein Thema.

SPOX: Derzeit geht die Tendenz ohnehin in eine andere Richtung, wenn man an die jüngsten Vertragsverlängerungen und Verpflichtungen denkt, oder?

Allofs: Richtig. Wir haben den Vertrag mit Vieirinha verlängert, wir haben Ricardo Rodriguez gehalten, wir haben Andre Schürrle von unserem Konzept überzeugt. Wolfsburg hat nicht nur wirtschaftlich gute Argumente, sondern vor allem auch sportliche. Nichtsdestotrotz wird es in Zukunft auch Abgänge geben. Vielleicht sogar zu den Bayern.

SPOX: Die Verpflichtung von Schürrle am letzten Transfertag sorgte für Aufsehen. Hand aufs Herz: Wie knapp war es? Drohte der Transfer zu platzen?

Allofs: Das war für uns nicht zu beurteilen. Wir hatten schon einige Tage zuvor unser letztes Angebot abgegeben und waren zu keinen weiteren Kompromissen bereit. Wir waren uns zwar mit dem Spieler einig, aber Chelsea hatte das letzte Wort. Bis 12 Uhr musste er auf der Transferliste stehen. Es war bis zur letzten Sekunde völlig offen. Für Andre Schürrle selbst war die Situation natürlich sehr unschön. Er wusste bis zuletzt genauso wenig wie wir, ob er in die Bundesliga wechseln darf.

SPOX: Ist es nicht auch für Sie als Manager ein unschönes Gefühl, wenn man bis zur letzten Minute warten muss und dann womöglich enttäuscht wird? So kurzfristig hätten Sie keinerlei Ersatz mehr holen können.

Allofs: Das wäre nicht dramatisch gewesen. Der Schürrle-Transfer war ein Vorgriff auf die nächste Saison, in der wir hoffentlich Champions League spielen. Wir haben die Entscheidung aus einer Position der Stärke heraus getroffen. Auch mit einem Nein von Chelsea hätten wir leben können, das hätte uns nicht in eine Krise gestürzt. Wir waren auch vorher sehr gut aufgestellt. Aber wir sind froh, dass wir mit ihm jetzt eine weitere Möglichkeit haben.

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SPOX: Im vergangenen Sommer war Romelu Lukaku ein Thema. Er wechselte später für 35 Millionen Pfund zum FC Everton. Damals sagten Sie, Transfers solcher Größenordnung gehörten nicht zur Philosophie des VfL. Hat sich diese so schnell gewandelt?

Allofs: Man darf nicht vergessen, dass ein Transfer nicht nur aus der Transfersumme besteht, sondern auch aus Gehalt und möglichen weiteren Zahlungen. Das hatte bei Lukaku eine ganz andere Dimension als in der Personalie Andre Schürrle. Zumal Schürrle für einen Bundesligaverein nochmal eine andere Werthaltigkeit hat. Er ist deutscher Nationalspieler und wurde im Sommer Weltmeister. Im Fall Lukaku hielten wir eine Summe dieser Größenordnung einfach nicht für gerechtfertigt. Und selbst wenn wir sie bezahlt hätten, wäre der FC Everton in der Lage gewesen, nochmal draufzulegen. Gerade der neue TV-Vertrag zeigt, welch gewaltige finanzielle Möglichkeiten die Klubs der Premier League haben.

SPOX: Diese gewaltigen Möglichkeiten sorgen auch für eine beinahe skurrile Diskrepanz. 2014/15 gaben die Premier-League-Vereine fast viermal so viel Geld für Transfers aus wie die Bundesliga. Sehen Sie Positives in dieser Entwicklung?

Allofs: Was ist daran skurril? Das zeigt die wirtschaftliche Stärke der Premier League. Es bleibt die Frage: Sind die Fernsehverträge nun dort zu hoch oder hier zu niedrig dotiert? Der Wert einer Sache definiert sich in dem Betrag, den jemand für sie zu zahlen bereit ist. Ich finde es fragwürdig, dass in England für ein ähnliches Produkt ein deutlich höherer Preis bezahlt wird als in Deutschland. Fakt ist, dass es dort besser verkauft wird. Natürlich kann man darüber diskutieren, ob die Gehälter zu hoch sind.

SPOX: Was läuft aus Ihrer Sicht in Bezug auf die Bundesliga schief, dass die TV-Verträge hierzulande schlechter dotiert sind?

Allofs: In Deutschland gibt es eine andere Fernsehlandschaft. Es hat sich eingebürgert, dass im öffentlich-rechtlichen Fernsehen viel Fußball gezeigt wird und das ein allgemeines Gut ist. Dadurch haben Pay-TV-Sender weniger Abonnenten als in anderen Ländern. Auch die Konkurrenzsituation ist eine andere als in England. Dort gibt es mehrere Bieter für die Fernsehrechte. Bundesliga Spielplaner - Der Tabellenrechner von SPOX.com

SPOX: Eine Möglichkeit zur Erhöhung der TV-Erlöse wäre ein Aufsplitten der Anstoßzeiten. Sie sagten, es dürfe da kein Tabu-Thema geben. Wie weit wären Sie denn konkret bereit zu gehen, wenn es finanziell zielführend wäre?

Allofs: Es wäre die falsche Herangehensweise, jetzt schon über Anstoßzeiten zu sprechen. An diesem Punkt sind wir noch längst nicht.

SPOX: Nichtsdestotrotz sind die Anstoßzeiten ein zentrales Thema für viele Fans.

Allofs: Man sollte zumindest nichts von vornherein kategorisch ablehnen. Nicht alles, was schon immer so war, muss auch die beste Lösung sein. Es ist immer Optimierungspotenzial vorhanden und da darf es keine Denkverbote geben. Wir sollten zudem nicht vergessen, dass die Verantwortlichen der Bundesligisten und der DFL in der Vergangenheit viel Fingerspitzengefühl bewiesen haben. Es wurden stets sinnvolle Kompromisse gefunden, die den Wünschen von Fans und Vereinen entsprachen. Man denke an die Eintrittsgelder, die hierzulande wesentlich niedriger sind als im europäischen Ausland. Da wird auch weiterhin mit Augenmaß gehandelt.

SPOX: Vor allem die Samstagskonferenz ist ein Alleinstellungsmerkmal der Bundesliga. Wäre es nicht ein Qualitätsverlust, diese über den Haufen zu werfen?

Allofs: Es geht zwar einerseits darum, aus den TV-Verträgen höhere Einnahmen zu generieren. Andererseits dürfen wir nicht vernachlässigen, was das Produkt Bundesliga stark und interessant macht. Solche Alleinstellungsmerkmale werden bestimmt nicht leichtfertig aufgegeben. Aber wir müssen auch im internationalen Konkurrenzkampf Schritt halten und deshalb ausloten, was man verbessern kann. Das wird eines der zentralen Themen sein.

SPOX: Ein anderes Thema, das im Jahr 2015 beim VfL Wolfsburg omnipräsent ist, ist der tragische Tod von Junior Malanda. Wie gegenwärtig ist das Thema in Ihrem Arbeitsalltag?

Allofs: Junior Malanda ist immer noch sehr präsent. Aber nicht in Form von Traurigkeit, die uns hemmt. Sondern in Form einer Freude, dass er Teil unserer Mannschaft war und dass sein Andenken uns als positiver Antrieb dient. Es ist das eingetreten, was wir vor einigen Wochen gesagt hatten: Es ist Normalität eingekehrt. Die Spieler haben Spaß und sind unbeschwert. Aber es wird immer wieder diese Momente geben, in denen wir ganz intensiv an Junior denken.

SPOX: Wie schwer fiel es Ihnen als Führungsperson, nicht nur die Rückkehr in die Normalität als Marschroute auszugeben, sondern sich auch selbst immer wieder dazu zu zwingen?

Allofs: Es ist schwer und leicht zugleich. In Führungspositionen trägt man auch Verantwortung für andere. Bei aller Trauer muss man nach vorne schauen und die richtigen Entscheidungen für alle Beteiligten treffen. Da gerät man sehr schnell in einen Verdrängungsmodus. Nichtsdestotrotz kommen die Gedanken an Junior Malanda immer zurück.

SPOX: Die Mannschaft spielt bislang eine herausragende Rückrunde. Hätten Sie erwartet, dass das Team trotz des Schocks im Winter so gefestigt ist?

Allofs: Ehrlich gesagt hatte ich keine Vorstellung davon, wie sich das auf die Mannschaft auswirken wird. Aber man konnte erkennen, dass die Spieler schnell begonnen haben, Juniors Tod zu verarbeiten. Sie machten im Trainingslager in Südafrika einen guten Eindruck. Das Team ist noch enger zusammengewachsen. Das Spiel gegen Bayern hat uns dann nochmal zusätzlich beflügelt.

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