SPOX: Im vergangenen Sommer war Romelu Lukaku ein Thema. Er wechselte später für 35 Millionen Pfund zum FC Everton. Damals sagten Sie, Transfers solcher Größenordnung gehörten nicht zur Philosophie des VfL. Hat sich diese so schnell gewandelt?
Allofs: Man darf nicht vergessen, dass ein Transfer nicht nur aus der Transfersumme besteht, sondern auch aus Gehalt und möglichen weiteren Zahlungen. Das hatte bei Lukaku eine ganz andere Dimension als in der Personalie Andre Schürrle. Zumal Schürrle für einen Bundesligaverein nochmal eine andere Werthaltigkeit hat. Er ist deutscher Nationalspieler und wurde im Sommer Weltmeister. Im Fall Lukaku hielten wir eine Summe dieser Größenordnung einfach nicht für gerechtfertigt. Und selbst wenn wir sie bezahlt hätten, wäre der FC Everton in der Lage gewesen, nochmal draufzulegen. Gerade der neue TV-Vertrag zeigt, welch gewaltige finanzielle Möglichkeiten die Klubs der Premier League haben.
SPOX: Diese gewaltigen Möglichkeiten sorgen auch für eine beinahe skurrile Diskrepanz. 2014/15 gaben die Premier-League-Vereine fast viermal so viel Geld für Transfers aus wie die Bundesliga. Sehen Sie Positives in dieser Entwicklung?
Allofs: Was ist daran skurril? Das zeigt die wirtschaftliche Stärke der Premier League. Es bleibt die Frage: Sind die Fernsehverträge nun dort zu hoch oder hier zu niedrig dotiert? Der Wert einer Sache definiert sich in dem Betrag, den jemand für sie zu zahlen bereit ist. Ich finde es fragwürdig, dass in England für ein ähnliches Produkt ein deutlich höherer Preis bezahlt wird als in Deutschland. Fakt ist, dass es dort besser verkauft wird. Natürlich kann man darüber diskutieren, ob die Gehälter zu hoch sind.
SPOX: Was läuft aus Ihrer Sicht in Bezug auf die Bundesliga schief, dass die TV-Verträge hierzulande schlechter dotiert sind?
Allofs: In Deutschland gibt es eine andere Fernsehlandschaft. Es hat sich eingebürgert, dass im öffentlich-rechtlichen Fernsehen viel Fußball gezeigt wird und das ein allgemeines Gut ist. Dadurch haben Pay-TV-Sender weniger Abonnenten als in anderen Ländern. Auch die Konkurrenzsituation ist eine andere als in England. Dort gibt es mehrere Bieter für die Fernsehrechte.
SPOX: Eine Möglichkeit zur Erhöhung der TV-Erlöse wäre ein Aufsplitten der Anstoßzeiten. Sie sagten, es dürfe da kein Tabu-Thema geben. Wie weit wären Sie denn konkret bereit zu gehen, wenn es finanziell zielführend wäre?
Allofs: Es wäre die falsche Herangehensweise, jetzt schon über Anstoßzeiten zu sprechen. An diesem Punkt sind wir noch längst nicht.
SPOX: Nichtsdestotrotz sind die Anstoßzeiten ein zentrales Thema für viele Fans.
Allofs: Man sollte zumindest nichts von vornherein kategorisch ablehnen. Nicht alles, was schon immer so war, muss auch die beste Lösung sein. Es ist immer Optimierungspotenzial vorhanden und da darf es keine Denkverbote geben. Wir sollten zudem nicht vergessen, dass die Verantwortlichen der Bundesligisten und der DFL in der Vergangenheit viel Fingerspitzengefühl bewiesen haben. Es wurden stets sinnvolle Kompromisse gefunden, die den Wünschen von Fans und Vereinen entsprachen. Man denke an die Eintrittsgelder, die hierzulande wesentlich niedriger sind als im europäischen Ausland. Da wird auch weiterhin mit Augenmaß gehandelt.
SPOX: Vor allem die Samstagskonferenz ist ein Alleinstellungsmerkmal der Bundesliga. Wäre es nicht ein Qualitätsverlust, diese über den Haufen zu werfen?
Allofs: Es geht zwar einerseits darum, aus den TV-Verträgen höhere Einnahmen zu generieren. Andererseits dürfen wir nicht vernachlässigen, was das Produkt Bundesliga stark und interessant macht. Solche Alleinstellungsmerkmale werden bestimmt nicht leichtfertig aufgegeben. Aber wir müssen auch im internationalen Konkurrenzkampf Schritt halten und deshalb ausloten, was man verbessern kann. Das wird eines der zentralen Themen sein.
SPOX: Ein anderes Thema, das im Jahr 2015 beim VfL Wolfsburg omnipräsent ist, ist der tragische Tod von Junior Malanda. Wie gegenwärtig ist das Thema in Ihrem Arbeitsalltag?
Allofs: Junior Malanda ist immer noch sehr präsent. Aber nicht in Form von Traurigkeit, die uns hemmt. Sondern in Form einer Freude, dass er Teil unserer Mannschaft war und dass sein Andenken uns als positiver Antrieb dient. Es ist das eingetreten, was wir vor einigen Wochen gesagt hatten: Es ist Normalität eingekehrt. Die Spieler haben Spaß und sind unbeschwert. Aber es wird immer wieder diese Momente geben, in denen wir ganz intensiv an Junior denken.
SPOX: Wie schwer fiel es Ihnen als Führungsperson, nicht nur die Rückkehr in die Normalität als Marschroute auszugeben, sondern sich auch selbst immer wieder dazu zu zwingen?
Allofs: Es ist schwer und leicht zugleich. In Führungspositionen trägt man auch Verantwortung für andere. Bei aller Trauer muss man nach vorne schauen und die richtigen Entscheidungen für alle Beteiligten treffen. Da gerät man sehr schnell in einen Verdrängungsmodus. Nichtsdestotrotz kommen die Gedanken an Junior Malanda immer zurück.
SPOX: Die Mannschaft spielt bislang eine herausragende Rückrunde. Hätten Sie erwartet, dass das Team trotz des Schocks im Winter so gefestigt ist?
Allofs: Ehrlich gesagt hatte ich keine Vorstellung davon, wie sich das auf die Mannschaft auswirken wird. Aber man konnte erkennen, dass die Spieler schnell begonnen haben, Juniors Tod zu verarbeiten. Sie machten im Trainingslager in Südafrika einen guten Eindruck. Das Team ist noch enger zusammengewachsen. Das Spiel gegen Bayern hat uns dann nochmal zusätzlich beflügelt.
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