James Rodriguez wechselt nach Katar: Der nächste logische Schritt

Kerry Hau
23. September 202116:30
James Rodriguez spielt ab sofort in Katar.getty
Werbung

Mit 30 Jahren verlässt James Rodriguez die große europäische Bühne und wechselt vom FC Everton zum Al-Rayyan SC nach Katar. Es ist die schlüssige Konsequenz einer jahrelangen Entwicklung, in der Fußball für den Kolumbianer nicht immer an erster Stelle stand. Ein Kommentar.

Mit Anfang 20 Multimillionär, mit Mitte 20 Vereine wie Real Madrid oder den FC Bayern in der Vita, dazu mehrmaliger Champions-League-Sieger und Gewinner des Goldenen Schuhs bei der WM 2014 in Brasilien: James Rodriguez war schon sehr früh sehr weit oben, er sah, siegte und verdiente zu Genüge.

Man kann es ihm also nicht verdenken, bereits im Alter von 30 Jahren den europäischen Fußballzirkus zu verlassen und noch ein paar Extra-Millionen aus der Wüste mitzunehmen. In Anbetracht seiner sportlichen Entwicklung in den vergangenen Jahren kommt sein Wechsel nach Katar alles andere als überraschend. Vielmehr ist die Unterschrift beim Al-Rayyan SC der nächste logische Schritt.

James hatte spätestens seit seinem Abschied vom FC Bayern im Sommer 2019 nur noch wenige Glanzmomente auf dem Rasen. Dafür machte er nie sich selbst, sondern immer andere verantwortlich. Meist seine Trainer, die ja alle so ungerecht mit ihm umgehen würden - allen voran Zinedine Zidane, der im Real-Mittelfeld schlichtweg lieber auf Stars setzte, die mit vollem Engagement zu Werke gingen: Casemiro, Toni Kroos, Luka Modric, sogar den körperlich nicht immer fitten Isco.

Zu Bayern-Zeiten war es Niko Kovac, der seine Entwicklung behindert habe - obwohl James mehrere Male zu spät zu Treffpunkten erschien und offenbar glaubte, er müsse als Leihspieler von Real immer von Anfang an spielen, auch wenn sein Konkurrent Thomas Müller hieß.

Ein weiterer, von mangelnder Selbstreflexion zeugender Kritikpunkt des Kolumbianers: das Wetter. "In München", sagte er in einem 2020 veröffentlichten Interview mit dem Online-Magazin Comutricolor, "gab es Tage, da bin ich um 9 Uhr morgens bei Eiseskälte in die Arbeit gegangen und ich habe mich gefragt: Was mache ich eigentlich hier bei -28 Grad?"

James Rodriguez bestritt für den FC Bayern 67 Pflichtspiele. Unter Niko Kovac war er nicht sonderlich glücklich.imago images

James: "Weiß gar nicht, gegen wen Everton heute spielt"

Es waren Ausreden eines satten Stars, dessen Prioritäten sich nach seinen verzaubernden Leistungen bei der WM 2014 schrittweise verschoben. Einzig Carlo Ancelotti und Jupp Heynckes schafften es mit viel Geduld, ihn zeitweise in die richtigen Bahnen zu lenken.

Ansonsten war James, bei all seinem unbestrittenen Talent, nicht mehr gänzlich auf seinen Beruf fokussiert - zum Großteil beeinflusst von einem nicht einfachen privaten Umfeld mit einigen familiären Scharmützeln wie der Scheidung von seiner Ehefrau Daniele Ospina vor vier Jahren.

Auch bei Everton, seiner vorerst letzten Station in Europa, geriet er nach einer guten Hinrunde mehr und mehr in den Hintergrund, tauchte irgendwann häufiger beim Streaming-Dienst Twitch zum Call-of-Duty-Zocken als auf den Plätzen der Premier League auf.

Im August, als er noch offiziell bei Everton unter Vertrag stand, ließ er während einer Gaming-Runde lachend durchblicken: "Ich weiß gar nicht, gegen wen Everton heute spielt." Mehr als diesen Satz braucht es eigentlich auch nicht, um zu erklären, warum James mit 30 nach Katar wechselt. Dort dürfte er zumindest mehr Sonne als in Liverpool oder München haben - und wohl auch mehr Zeit zum Zocken.