Legende Le God, Südamerika-Pionier, Akademie: das ist Hasenhüttls neuer Klub FC Southampton

Nino Duit
09. Dezember 201819:49
In 444 Pflichtspielen für den FC Southampton erzielte Matthew Le Tissier 162 Tore.getty
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Ralph Hasenhüttl hat das Traineramt beim Premier-League-Klub FC Southampton übernommen, das Debüt auf der Bank gibt er am Samstag bei Cardiff City (16 Uhr im LIVETICKER). Wofür steht sein neuer Verein und was macht ihn besonders?

Der FC Southampton ist Südamerika-Pionier, nennt seine Vereinslegende Le God und verfügt über eine der produktivsten Akademien Englands. Drei Kurzgeschichten.

Südamerika-Pionier

Selbst der argentinische Präsident Julio Roca wollte sich das nicht entgehen lassen: elf Engländer, die in seiner Hauptstadt Buenos Aires diese neuartige Sportart Fußball ausüben. Elf Engländer, die rot-weiße Trikots tragen. Elf Engländer, die beim FC Southampton unter Vertrag stehen. Im Frühsommer 1904 hatten sie den Hafen von Southampton an der Südküste Englands verlassen, um nach Amerika zu übersetzen - als erster europäischer Fußballverein der Geschichte.

Insgesamt fünf Spiele bestritt die Mannschaft in Buenos Aires. Der Tour-Auftakt erfolgte am 26. Juni unter den Augen des Präsidenten gegen den damals besten Verein des Landes Alumni. Southampton gewann mit 3:0. Nach einem 10:0-Sieg gegen eine Auswahl in Argentinien lebender Engländer führte Southampton im dritten Spiel gegen Belgrano Athletic früh mit 3:0.

In der 37. Minute aber verkürzte Belgrano-Stürmer Arturo Forrester - und löste damit stadionumgreifenden Jubel aus. Erstmals hatte ein südamerikanischer Verein ein Tor gegen einen europäischen geschossen. Der Legende nach trugen seine Mitspieler Forrester umgehend auf den Schultern zur Bar des Vereinsheims und kippten dort gemeinsam mit einigen Fans ein paar Gläser Whiskey. Der Schiedsrichter soll die Feierlichkeiten nicht unterbrochen und stattdessen kurzerhand die erste Halbzeit beendet haben. Leicht angetrunken kassierten die Belgrano-Spieler in der zweiten Halbzeit noch drei Tore.

In den folgenden Tagen feierte Southampton in Buenos Aires zwei weitere Siege, und auch einen im benachbarten Montevideo gegen eine uruguayische Landesauswahl, ehe die Mannschaft Mitte Juli nach Europa zurückkehrte. Die Pioniere hatten Eindruck hinterlassen, die Tour galt als Erfolg und in den darauffolgenden Jahren reisten zahlreiche weitere englische Vereine nach Südamerika.

Le God, die Vereinslegende

Sein Spitzname sagt eigentlich alles: Le God. So riefen sie ihn während seiner aktiven Karriere und so rufen sie ihn auch heute noch. Matthew Le Tissier ist die größte Legende des FC Southampton.

Auf der Kanalinsel Guernsey geboren, wechselte Le Tissier 1985 mit 16 Jahren aufs Festland in die Jugendabteilung von Southampton und debütierte knapp ein Jahr später für die Profimannschaft. Der Klub war ein familiärer, und auf das Meer, mit dem er aufgewachsen war, musste Le Tessier in der Hafenstadt auch nicht verzichten. So heimisch fühlte er sich in Southampton, dass er den Klub trotz Angeboten beinahe aller Premier-League-Topvereine nie verlassen wollte.

"Ich habe das Spiel dort so gespielt, wie ich es spielen wollte", sagte Le Tissier, "und bei einem größeren Klub hätte ich das wohl nicht machen können." Le Tissier lief meist im offensiven Mittelfeld auf, er liebte die Show, war ein Unterhalter. Wie kein Zweiter dribbelte er, aber seine größte Stärke waren Distanzschüsse. "Ich liebte es, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen und die Leute zu begeistern", sagte Le Tissier. "Am besten ging das, wenn ich den Ball aus 22 Metern im Winkel versenkte."

Le Tissier zog Spaß und Aufmerksamkeit einer titelreichen internationalen Karriere vor. Mit Southampton spielte er nicht um Trophäen, sondern um Mittelfeldplätze. In seinen 15 Saisons landete der Klub stets zwischen Platz neun und 15. Für die englischen Nationaltrainer dieser Zeit war das zu wenig. Nur acht Mal spielte Le Tissier für England, Tor gelang ihm dabei keines.

Seine Karriere war eine Karriere für den FC Southampton und für sein 162. und letztes Pflichtspieltor (in 444 Spielen) wählte er folgerichtig einen vereinshistorisch wichtigen Moment. Beim letzten Spiel im 103-jährigen Stadion The Dell zum Ende der Saison 2000/01 gegen den FC Arsenal saß Le Tissier zunächst angeschlagen auf der Bank. Beim Stand von 2:2 wurde er eingewechselt und traf kurz darauf zum 3:2. Sportlich hatte der Sieg keine Bedeutung, aber Le Tissier stand im Mittelpunkt und wurde gefeiert.

Akademie

Von 2003 bis 2007 spielte der heutige finnische Nationalspieler Tim Sparv in der Akademie des FC Southampton - und erlebte eine besondere Zeit. "Wir haben alle zusammen in einem alten Hotel gewohnt. Dort gab es eine Familie, die sich um uns kümmerte und jeden Tag für uns kochte", erinnerte er sich im Interview mit SPOX. Ein Haufen Teenager wuchs gemeinsam auf und dann hinein in die Premier League.

Sparv spielte damals unter anderem mit Gareth Bale (heute Real Madrid), Adam Lallana (heute FC Liverpool), Theo Walcott (heute FC Everton) "und noch ein paar anderen", wie er erzählt. Als sie dann gemeinsam in die Profimannschaft aufrückten, zogen ins alte Hotel eben andere ein. Etwa Calum Chambers (heute FC Fulham), Luke Shaw (heute Manchester United) oder Alex Oxlade-Chamberlain (heute FC Liverpool).

Gareth Bale wurde in der Akademie des FC Southampton ausgebildet.getty

Southampton bildete in den vergangenen Jahren so viele Premier-League-Spieler aus wie wohl kein anderer englischer Verein. Und das wirkt sich auf den Ruf der Akademie aus. "Spieler wollen zu uns, weil sie einen Weg in die Top zehn der Welt sehen. Sie wittern die Chance, über Southampton zu Bayern oder Barcelona zu kommen", sagte Klubchef Ralph Krueger vor zwei Jahren gegenüber SPOX. "Endlos viele Agenten kontaktieren uns permanent, weil sie die Hoffnung haben, dass ihre Spieler bei uns diese Entwicklung nehmen."

Auf den Durchbruch in Southampton folgt meist der Wechsel zu einem größeren Verein - und für Southampton ein hoher Transferertrag sowie der Bedarf an neuen Akademie-Absolventen. Auf der offiziellen Vereinshomepage heißt es: "Die Akademie soll 50 Prozent der Spieler des Kaders unserer Profimannschaft stellen." Ein für die Premier League durchaus außergewöhnlicher Ansatz.