"Erst Oggersheim, dann Barcelona"

Micha Schneider
19. November 201511:19
Manuel Fischer debütierte mit 18 Jahren in der Champions League gegen Barcelonaimago
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Manuel Fischer feierte mit 18 Jahren im Fußballtempel Camp Nou sein Profidebüt, wurde Torschützenkönig der U17-WM 2006 und spielt heute in der dritten Liga für die Stuttgarter Kickers. Im Interview spricht der 26-Jährige über sein Debüt in der Champions League, den Hype als Supertalent beim VfB Stuttgart, den Sturz in die Verbandsliga, seine Beziehung zu Gerd Müller und einen einmaligen Rekord.

SPOX: Herr Fischer, Sie haben im Dezember 2007 mit 18 Jahren Ihr Profidebüt für den VfB Stuttgart gegeben - in der Champions League, im Camp Nou, gegen Barcelona. Wie lange ist das gefühlt für Sie schon her?

Manuel Fischer: Das ist ganz weit weg, so etwas vergisst man aber nie. Ich trage die Erinnerungen noch mit mir, aber ich lebe nicht in der Vergangenheit. Das ist eine schöne Randnotiz in meiner Karriere. Ich habe damals kurz davor mit der Europaauswahl gegen Afrika gespielt, auch im Camp Nou. Bojan Krkic war in meinem Team, mit ihm habe ich dann auch das Trikot getauscht.

SPOX: Da Mario Gomez und Cacau verletzt ausfielen, durften Sie ran. Wie überraschend kam das denn?

Fischer: Sehr. Ich war montags noch bei meinen Eltern in Aalen, als mich ein Journalist anrief und fragte, was das denn nun für ein Gefühl sei. Ich wusste gar nicht, was der wollte. Kurz darauf hat mich dann der Verein informiert, dass ich zum Profi-Training kommen solle. Am Wochenende zuvor hatte ich noch gegen Ludwigshafen-Oggersheim gekickt. Erst Oggersheim, dann Barcelona - Wahnsinn! (lacht) Es ist aber nicht so, dass ich mir darauf irgendetwas einbilde und jedem erzähle: Hey, ich habe mal in der Champions League gegen Barca gespielt.

SPOX: Hansi Kleitsch, Ihr A-Jugendtrainer in Stuttgart, verglich Ihre Knipser-Fähigkeiten damals mit denen von Gerd Müller.

Fischer: Ich hatte das auch gelesen. Hansi hatte eben eine gute Meinung von mir, da ich auf einem guten Level gespielt habe und mir solch ein Lob letztlich erarbeitete. Gerd Müller war für mich damals nicht wirklich greifbar. Ich hatte ihn nie spielen sehen. Als ich ihn zu meiner Zeit bei Bayern II als Co-Trainer kennen lernen durfte, war ich fasziniert. Er ist ein cooler Typ, wir hatten eine tolle Verbindung zueinander. Ich habe ihn öfter mal heimgefahren. (lacht)

SPOX: Im Jahr vor Ihrem Profistart beim VfB wurden Sie bei der U17-Europameisterschaft mit fünf Treffern zusammen mit Bojan Krkic und Tomas Necid Torschützenkönig. Toni Kroos wurde als bester Spieler des Turniers ausgezeichnet. Haben Sie noch Kontakt zu den Jungs von damals?

Fischer: Ich habe Toni getroffen, als er noch mit den Bayern in Großaspach gespielt hat. Im Fußball trennen sich die Wege eben irgendwann. Beim einen geht es steil nach oben, beim anderen nicht. Im Endeffekt sind wir alles gleichwertige Menschen. Ich gönne es jedem, den Sprung geschafft zu haben. Ich habe meinen Weg genommen und bin damit absolut zufrieden. Ich glaube fest daran, dass alles seinen Sinn hat und bin ein glücklicher Mensch. Das ist sowieso viel wichtiger als alles andere.

SPOX: Dem VfB sicherten Sie mit Ihrem Tor am letzten Spieltag der Saison 2007/2008 den Einzug ins internationale Geschäft. Ihr Profivertrag lief bis 2011. Wieso hat es nicht geklappt, sich dort zu etablieren?

Fischer: Es gehört auch immer etwas Glück dazu - und ich hatte vielleicht auch ein bisschen mehr Pech als andere. Damals war es noch so, dass man als junger Kerl nach einem Treffer nicht gleich in der Bundesliga angekommen war. Nach meinem Tor war die Saison vorbei. Hätte ich es am 22. Spieltag geschossen, wäre vielleicht eine Woche später gleich die nächste Chance gekommen. So kam aber die Sommerpause, eine Vorbereitung, Neuzugänge. Es sind solche Kleinigkeiten, die entscheiden können.

SPOX: Sie waren daraufhin plötzlich raus. Wie wurde das Ihnen gegenüber begründet?

Fischer: Begründungen gibt es im Profifußball nicht. Es gibt in meinen Augen wenige Trainer, die zu dir kommen und sagen: 'Du spielst heute nicht und das hat folgenden Grund.' In den meisten Fällen hängt ein Zettel an der Kabinenwand und da steht man dann eben drauf oder nicht. Damit muss man klarkommen.

SPOX: Sie unterzeichneten in Stuttgart einen Profivertrag, wurden sechs Monate später zur TuS Koblenz in die 2. Liga ausgeliehen, gingen zurück zum VfB und kamen dort meist nur in der zweiten Mannschaft zum Zug.

Fischer: In Koblenz herrschte Abstiegskampf, den man ohne junge Spieler bestreiten wollte. Mal spielte ich, mal nicht. Ich kam in keinen Rhythmus. Ich hatte während meiner gesamten Karriere leider auch immer wieder Probleme mit dem Knie. Was viele gar nicht wissen: ich riss mir schon mit 14 das Kreuzband und habe sieben Jahre ohne Kreuzband gespielt. Natürlich waren auch die Ausleihen, später ging ich ja noch nach Burghausen, für mich als junger Kerl nicht einfach. Man ist alleine, kommt wieder zurück und steht dann zwischen Tür und Angel. Es fehlte eine feste Zugehörigkeit und auch Beständigkeit, um sich in einem harmonischen Umfeld entwickeln zu können.

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SPOX: Kurz nach Ihrer Leihe zu Wacker Burghausen verletzten Sie sich schwer und wurden an Meniskus und Kreuzband operiert. Der Leihvertrag wurde vorzeitig aufgelöst und Sie wechselten in die Verbandsliga zur zweiten Mannschaft des 1. FC Heidenheim. Fühlte sich das wie der vorläufige Tiefpunkt Ihrer Karriere an?

Fischer: Nein. Ich ging nach Heidenheim, weil ich beim VfB meine Reha absolvierte, von dort aus einen kurzen Anfahrtsweg zum FCH hatte und auch die Möglichkeit, direkt zu spielen. Außer in der Verbandsliga war die Saison sonst überall bereits beendet. Ich wollte einfach nur wieder spielen - wo genau, war mir völlig egal. Ich bin Geschäftsführer Holger Sanwald bis heute dankbar, dass er mir diese nicht selbstverständliche Möglichkeit gegeben hat.

SPOX: Dank Ihrer Zeit in Heidenheim wurden Sie Rekordhalter: Sie sind der einzige Spieler in Deutschland, der in jeder der ersten sechs Ligen ein Tor erzielen konnte.

Fischer: Fehlen also noch die Bezirksliga, Kreisliga A und Kreisliga B. Das mache ich dann mit 50. (lacht)

SPOX: Gab es zwischenzeitlich den Gedanken, die Fußballschuhe an den Nagel zu hängen?

Fischer: Das nicht, aber ich habe während meiner Zeit bei der SG Sonnenhof Großaspach eine Ausbildung zum Immobilienkaufmann begonnen. Ich war leider erneut verletzt und wollte diese Möglichkeit mitnehmen. Das war ein duales System: ich habe ab 7.30 Uhr dort gearbeitet, nachmittags ging es ins Training und teilweise musste ich noch in die Berufsschule. SPOX

SPOX: Haben Sie die Ausbildung abgeschlossen?

Fischer: Das ging leider nicht mehr, weil wir mit Großaspach in die 3. Liga aufgestiegen sind. Es war aber eine wirklich wertvolle Erfahrung für mich, die ich gerne mitgenommen habe. Trotzdem stehe ich natürlich lieber auf dem Fußballplatz, als im Büro zu hocken.

SPOX: Zwischen Heidenheim und Großaspach kickten Sie noch bei den Amateuren des FC Bayern und in Unterhaching. Wie lief es dort?

Fischer: Ich bin zu den Bayern, um nach meiner Kreuzband-und Meniskus-OP wieder Anschluss zu finden. Trainer Andries Jonker hatte sich sehr um mich bemüht, die ärztliche Versorgung war auch perfekt. Ich muss jedoch ehrlich zugeben, dass ich nicht dauerhaft in der Regionalliga Bayern spielen wollte. Daher der Weg nach Unterhaching, wo ich mich wieder in die 3. Liga hochgekämpft habe. Das war nicht einfach, gerade wenn man zuvor in der Verbandsliga herumgedümpelt ist. (lacht)

SPOX: In der Winterpause 2014/2015 schloss sich der Kreis: Sie gingen zurück nach Stuttgart und wechselten zu den Kickers, die ihrer Zeit um den Aufstieg in die 2. Liga kämpften.

Fischer: Das war natürlich klasse. Ich bin mit 15 von meiner Geburtsstadt Aalen nach Stuttgart gezogen, das ist längst meine zweite Heimat. Ich wohne jetzt direkt neben dem Trainingsgelände und gehe jeden Tag zufrieden zum Training. Ich stufe die Prioritäten in meinem Leben nun etwas anders ein und sehe viele Dinge entspannter als in den Jahren zuvor. Ich habe meine Familie um mich und einfach wieder Spaß am Fußball.

SPOX: Das merkt man auch an der Aktion, die Sie in dieser Spielzeit nach Ihrem Fehlschuss gegen Fortuna Köln initiierten: Sie trafen das leere Tor nicht und spendierten den Kickers-Fans daraufhin für die nächste Auswärtsreise drei Kisten Bier.

Fischer: Ich hatte ja auch ein sehr schlechtes Gewissen und bin immer noch ein Stück weit Fan. Einen solchen Fehlschuss hat man wohl einfach einmal in seiner Karriere. Das erzähle ich in 20 Jahren in der Kneipe. Die Fans haben sich über das Bier gefreut, da lasse ich mich natürlich nicht lumpen.

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Manuel Fischer im Steckbrief