Marc-Andre Kruska ging im letzten Winter von Borussia Dortmund zum FC Brügge, um sich weiter zu entwickeln. Verletzungsbedingt ging dieser Schritt aber etwas in die Hose. Bei Energie Cottbus wagt der 22-Jährige nun einen Neuanfang und steht bei der Partie gegen den Karlsruher SC (20.15 Uhr im LIVE-TICKER) vor seinem Debüt in der Lausitz.
Kruska im Interview über das Horrorfoul in Belgien, Fußballspiele ohne Taktik und die Aussichten mit Cottbus.
SPOX: Herr Kruska, auch wenn Sie nicht mehr in Belgien spielen, müssen wir Sie auf eine Szene ansprechen: Das Horror-Foul von Axel Witsel an Marcin Wasilewski, der sich dabei sein Schien- und Wadenbein brach.
Marc-Andre-Kruska: Ich selbst habe es nur im Internet auf "Youtube" gesehen. Ein Mal und dann hat es auch gereicht.
SPOX: Wie haben Sie den vermeintlichen "Treter" Axel Witsel auf dem Spielfeld erlebt?
Kruska: Als ich gegen ihn gespielt habe, war er eigentlich sehr ruhig. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass er das absichtlich gemacht hat. Das würde ich ihm nicht zutrauen.
SPOX: Das sehen in Belgien aber einige Menschen anders. Es gab sogar Morddrohungen gegen ihn.
Kruska: Diese Entwicklung ist natürlich schon extrem. Aber das ist jetzt eine sehr schwierige Situation für beide. Für den Spieler, der verletzt ist, ist es natürlich auch sehr bitter. Vielleicht bedeutet die Verletzung sein Karriereende.
SPOX: Zumindest für Sie ist das Kapitel Belgien nun abgeschlossen. Warum haben Sie in dieser Saison keine Rolle mehr beim FC Brügge gespielt?
Kruska: Die Saison hat für mich unglücklich begonnen. Durch meine Knieverletzung am letzten Spieltag der vergangenen Saison, habe ich nicht nur die U-21-EM verpasst, sondern auch die gesamte Saisonvorbereitung. Damit war es von Anfang an schwer, in die Mannschaft zu kommen.
SPOX: Aber in der vergangenen Saison haben Sie noch regelmäßig in der Rückrunde gespielt...
Kruska: ...dann kam allerdings mit Adrie Koster ein neuer Trainer. Für ihn hat meine Leistung im letzten Jahr nicht mehr gezählt. Somit fing alles wieder von vorne an. Dazu kam, dass das Team die ersten Spiele der neuen Saison alle gewonnen hat. Der Trainer hatte also keinen Grund, das Team zu ändern.
SPOX: Haben Sie keine Chance mehr gesehen, sich ins Team zu spielen?
Kruska: Ich habe alles versucht und habe auch im Training Gas gegeben. Da kann ich mir nichts vorwerfen. Aber natürlich habe ich auch mit dem Trainer gesprochen und er hatte sich nun für einen anderen Spieler auf meiner Position entschieden. Also war für mich klar, dass ich wieder nach Deutschland will. Ich wollte sowieso irgendwann wieder zurück nach Deutschland.
SPOX: Vielleicht um auch wieder mehr Aufmerksamkeit von der deutschen Öffentlichkeit zu bekommen?
Kruska: Das kommt mit dazu. In Belgien hat kaum mehr jemand etwas von mir mitbekommen. Meine Kollegen haben auch ständig gefragt: "Was ist los? Wir lesen gar nichts mehr von dir" (lacht).
SPOX: War der Wechsel nach Belgien im Winter also ein Fehler?
Kruska: Nein, es war kein Fehler ins Ausland zu wechseln. Auch wenn es nur acht Monate waren, habe ich doch viele Erfahrungen gesammelt. Ich habe mal eine andere Sprache und eine andere Kultur kennen gelernt. Und auch der Fußball ist natürlich anders.
SPOX: Das hört sich aber nicht so begeistert an.
Kruska: Es war halt schon etwas anderes als in Deutschland. In der Bundesliga ist das Spiel sehr von der Taktik geprägt. Das ist in Belgien fast gar nicht der Fall. Letztes Jahr haben wir sogar teilweise fast ganz ohne Taktik gespielt.
SPOX: Ohne Taktik? Wie geht das denn?
Kruska: Wir hatten zwar ein System, aber wir wussten nicht, wie wir angreifen sollen und wie wir den Gegner unter Druck setzen. Wir haben einfach drauf los gespielt. Da es in Belgien aber insgesamt nur fünf, sechs gute Mannschaften gibt, haben wir am Ende trotzdem unsere Spiele gewonnen...
SPOX: ...und somit noch für die Europa League qualifiziert. Jetzt sind Sie in Cottbus in der zweiten Bundesliga. Ist das kein Rückschritt für Sie?
Kruska: Nein, Cottbus ist definitiv kein Rückschritt. Hier findet gerade ein Riesen-Umbruch statt. Mit den ganzen jungen deutschen Spielern, denen Trainer Pele Wollitz eine Chance gibt. Das macht Spaß. Außerdem ist die deutsche zweite Liga sehr stark. Hier kann man sich auch als junger Spieler sehr gut weiterentwickeln. Und ich bin ja erst 22.
SPOX: Welche Rolle hat Ihr Kollege aus Dortmunder Zeit, Markus Brzenska, beim Wechsel gespielt?
Kruska: Markus Brzenska ist natürlich ein guter Freund von mir, der auch dazu beigetragen hat, dass ich jetzt in Cottbus spiele. Wir haben in den letzten Wochen öfter telefoniert und er hat mir erzählt, was sich hier in Cottbus so alles tut. Das war alles sehr positiv.
SPOX: Was ist von Energie in dieser Saison zu erwarten?
Kruska: Das ist natürlich schwierig. Wir haben jetzt sehr viele neue Spieler im Team und haben dennoch einen guten Start hingelegt. Letztendlich möchte ich aber so viel wie möglich spielen und dann gerne aufsteigen.
SPOX: Gerne aufsteigen? Warum so zurückhaltend?
Kruska: Einfach weil es in diesem Jahr in der zweiten Liga sehr schwierig wird. Es gibt zehn gute Mannschaften, die das Potenzial haben, aufzusteigen. Eine richtige Übermannschaft, von der man sagen kann: "Die steigen auf jeden Fall auf", fehlt in dieser Saison.
SPOX: Und wenn es in dieser Saison nichts mit dem Aufstieg wird?
Kruska: Ich bin erst seit kurzem hier und bis jetzt ist alles positiv. Deshalb denke ich jetzt gar nicht an irgendwelche anderen Dinge. Aber: Ich habe hier nicht umsonst einen Vertrag bis 2012 unterschrieben.
SPOX: Dennoch: Sie haben in der Bundesliga knapp 100 Bundesligaspiele für den BVB absolviert. Ihr Ziel und Anspruch muss doch die erste Liga sein.
Kruska: Natürlich ist mein Ziel weiter die Bundesliga. Man muss sich immer hohe Ziele stecken. Aber wo Sie das gerade mit den 100 Bundesliga-Spielen ansprechen: Was bringen mir die heute noch? Zwar sagen dann Leute: "Wow, der hat aber viele Bundesliga-Spiele gemacht", aber die Vergangenheit bringt mir jetzt nichts mehr. Man muss immer nach vorne schauen. Das habe ich inzwischen gelernt.
SPOX: Wie war es denn in der Vergangenheit?
Kruska: Früher habe ich mir selbst zu viel Druck gemacht. Ich habe mich während des Spiels immer gefragt: "Was machst du, wenn der Pass nicht ankommt oder du hier einen Fehler machst." Das war nicht gut für mich.
SPOX: Das wirkte in Ihrer Anfangszeit aber noch anders.
Kruska: Ja, klar. Mit siebzehn, achtzehn war ich auch total unbekümmert. Da spielt man einfach Fußball. Dann kommen die Medien, die Leute drumherum und man spürt auf einmal Druck.
SPOX: Fehlt bei den Klubs ein Ansprechpartner, der jungen Spielern in solchen Situationen hilft?
Kruska: Nein, das denke ich nicht. Beim BVB gab es auch schon jemanden, der einem geholfen hat. In Cottbus ist das natürlich auch der Fall. Und letztlich muss man die Erfahrung auch selbst machen.
SPOX: Wie war es in Brügge mit dem Druck der Medien?
Kruska: In Brügge war das weniger, weil es da sowieso nicht so viel Medien gibt (lacht).
Marc-Andre Kruska im Steckbrief