Coach Marco Pezzaiuoli steht mit seinem Team im Finale der U-17-EM. Vor dem Endspiel gegen die Niederlande am Montag (10.45 Uhr im LIVE-TICKER) spricht er bei SPOX über die deutsche Elf und seine Gemeinsamkeiten mit Jürgen Klinsmann.
Marco Pezzaiuoli wurde im Juli 2007 Trainer der deutschen U-16-Nationalmannschaft, bei der er Bernd Stöber ablöste. Ein gutes Jahr später übernahm der 40-Jährige die U-15-Auswahl, im August 2008 zusätzlich die U 17.Mit diesem Team steht der gebürtige Mannheimer nun im Endspiel der U-17-Europameisterschaft im eigenen Land. "Auf dieses Ziel haben wir sehr lange hingearbeitet. In Magdeburg werden wir vor über 23.000 Zuschauern gegen die Niederlande um den Titel kämpfen. Das wird eine große Erfahrung für jeden einzelnen Spieler."
Pezzaiuoli: Endspiel mit neuer Konzentration angehen
Bereits in der Gruppenphase traf die deutsche Auswahl auf die Niederlande und hatte mit dem 2:0-Sieg das bessere Ende für sich. Auf die leichte Schulter nehmen die DFB-Junioren die Neuauflage aber keinesfalls.
"Wir haben den Spielern in den letzten Tagen immer wieder gesagt, dass es ein ganz anderes Spiel wird als noch in der Vorrunde", sagt Pezzaiuoli. "Ich denke, die Jungs haben das verinnerlicht und gehen die Sache mit neuer Konzentration und Motivation an."
Vor dem Finale in Magdeburg traf SPOX den deutschen U-17-Coach und sprach mit ihm über die Stärken der deutschen Auswahl, fehlende Führungsspieler im Nachwuchsfußball und seine Gemeinsamkeiten mit Jürgen Klinsmann.
SPOX: Herr Pezzaiuoli, was haben Sie mit Jürgen Klinsmann gemeinsam?
Marco Pezzaiuoli: Ich kenne ihn zu wenig, um das einzuschätzen. Was in den Medien steht, kann ich nicht beurteilen. Warum fragen Sie?
SPOX: Sie sind beide sowohl Vereins- als auch Nationaltrainer gewesen...
Pezzaiuoli (lacht): ...ich hoffe, dass ich es auch noch eine Weile bleibe.
SPOX: Welcher Job ist denn schwieriger?
Pezzaiuoli: Bei beiden Tätigkeiten sind gewisse Schwierigkeiten zu meistern. Als Nationaltrainer kann ich mit den Spielern meist nur wenige Tage arbeiten, muss sie auf den Punkt fit bekommen und innerhalb kürzester Zeit das Mannschaftsgefüge formen.
SPOX: Als Vereinstrainer haben Sie unter anderem beim Karlsruher SC, Eintracht Trier und bei Suwon Bluewings in Südkorea gearbeitet. Sie kennen also die Unterschiede gegenüber dem Posten als Nationaltrainer.
Pezzaiuoli: Exakt. Im Verein hat man die Möglichkeit, das Team über einen längeren Zeitraum zu formen und die eigene Philosophie noch mehr einzubringen. Es waren wichtige Stationen für mich, bei denen ich viel Erfahrung sammeln konnte.
SPOX: Und welche Tätigkeit liegt Ihnen eher?
Pezzaiuoli: Ich kann mit beiden Aufgaben gut umgehen. Irgendwann wird sicherlich der Zeitpunkt kommen, über einen Posten als Vereinstrainer nachzudenken.
SPOX: Wo sehen Sie sich also in zwei Jahren?
Pezzaiuoli: Momentan denke ich als allererstes an das Endspiel.
SPOX: ... in das Sie mit Ihrer Mannschaft ungeschlagen eingezogen sind. Über den kompletten Turnierverlauf hinweg war die physische Überlegenheit Ihres Teams auffällig.
Pezzaiuoli: Um dieses Niveau zu erreichen, trainieren wir sehr intensiv, ohne aber die technische und taktische Ausbildung zu vernachlässigen.
SPOX: Matthias Sammer bemängelte kürzlich, es gebe im deutschen Nachwuchsfußball zu wenige Führungsspieler. Stimmen Sie ihm zu?
Pezzaiuoli: Ich kann nur von meinem Jahrgang sprechen. Ich denke, dass wir im U-17-Bereich mit Reinhold Yabo, Shkodran Mustafi oder Marc-Andre ter Stegen durchaus Persönlichkeiten haben, um nur einige zu nennen. Aber natürlich hat Matthias Sammer recht: Je mehr Führungsspieler wir im Nachwuchsbereich entwickeln, desto besser ist das für den deutschen Fußball.
SPOX: Was hebt die deutsche U 17 Ihrer Meinung nach am ehesten von den anderen Teams bei der EM-Endrunde ab?
Pezzaiuoli: Die mentale Stärke ist ein Bereich, in dem ich uns sehr hoch einstufe. Die Spieler fokussieren sich momentan ausnahmslos auf das Sportliche. Andere Dinge lassen sie hinten anstehen.
SPOX: Vor allem im Halbfinale gegen Italien war die hohe Konzentration und Geduld bis zur letzten Minute der ausschlaggebende Punkt für den Sieg. Kann man diese Fähigkeiten überhaupt trainieren?
Pezzaiuoli: Man kann im Training sicherlich fußballspezifische Reize setzen. Wir fordern diese Qualitäten von den Spielern auch immer wieder ein. Es sind Fähigkeiten, die jeder Spieler individuell entwickeln muss. Aber in erster Linie kommen Geduld und Konzentration über die Erfahrung.
SPOX: ...von der Ihre Spieler in diesem Turnier schon eine Menge gesammelt haben.
Pezzaiuoli: Absolut. Solch eine EM-Endrunde zu spielen, ist für jeden Einzelnen eine unglaubliche Bereicherung. Das Turnier wird die Jungs für den weiteren Verlauf ihrer Karriere prägen.
SPOX: Die Spieler sind noch sehr jung und Sie haben als Trainer großen Einfluss auf ihre Entwicklung. Sie selbst beschreiben sich als Disziplinfanatiker. Wie äußert sich das?
Pezzaiuoli: Es beginnt mit Kleinigkeiten. Ich muss beispielsweise dafür sorgen, dass die Jungs auf dem Platz eine gewisse Grundordnung einhalten und ihre Positionen halten. Es ist wichtig, darauf zu achten, dass viele Dinge ineinander greifen, um erfolgreichen Fußball zu spielen. Darauf lege ich besonderen Wert.
SPOX: Genauso wichtig ist die Einhaltung von Regeln außerhalb des Platzes.
Pezzaiuoli: Absolut. Als DFB-Spieler hat man die verantwortungsvolle Aufgabe, Vorbild zu sein. Dazu gehört Pünktlichkeit, aber auch entsprechendes Auftreten in der Öffentlichkeit. Das ist die DFB-Philosophie und diese trage ich zu hundert Prozent mit.
SPOX: Gehört zur DFB-Philosophie auch, in der Kabine manchmal laut zu werden?
Pezzaiuoli (grinst): Das entscheidet jeder Trainer für sich. Bei mir passiert es schon ab und an. Aber immer nur zum passenden Zeitpunkt.
SPOX: Wenn Sie sich mit drei Adjektiven beschreiben müssten, welche wären das?
Pezzaiuoli: Zielstrebig, erfolgsorientiert und lernfähig.
SPOX: Stichwort Lernfähigkeit: Von welchem Trainer schauen Sie sich noch etwas ab?
Pezzaiuoli: Als Coach hat jeder sein eigenes System, seine eigene Philosophie vom Fußball. Man pickt sich von vielen Trainern einen Teil heraus. Von Mourinho über van Gaal bis hin zu Lippi haben sie alle individuelle Qualitäten und man versucht, diese auch bei sich selbst einzubringen. Es gibt also nicht nur den einen Trainer, den man sich zum Vorbild nimmt.
SPOX: Mourinho, Lippi und van Gaal betreuen im Gegensatz zu Ihnen Mannschaften im Seniorenbereich. Was macht aus Ihrer Sicht denn einen guten und modernen Jugendtrainer aus?
Pezzaiuoli: Ich denke, die Unterschiede sind gar nicht so groß. Letztendlich kommt es darauf an, den einzelnen Spieler zu fördern. Man muss sehen, welche Stärken und Schwächen er hat und ihn dementsprechend weiter formen. Das gilt sowohl für die fußballerischen Inhalte als auch für das Verhalten außerhalb des Platzes und die individuelle Persönlichkeitsentwicklung.