Martin Harnik spielte mit 17 Toren und 8 Assists eine überragende letzte Saison. Nach dem bitteren Bundesliga-Start mit der 0:1-Pleite gegen Wolfsburg spricht Stuttgarts Stürmer über die Ziele des VfB, seine Olympia-Highlights und das Verhalten von Paul Scharner.
SPOX: Bevor wir zum Fußball kommen: Wie hat der Sportfan Martin Harnik die Olympischen Spiele erlebt?
Martin Harnik: Mich fasziniert bei solchen Großereignissen immer das ganze Drumherum. Was alles in Bewegung gesetzt werden musste, um optimale Rahmenbedingungen zu schaffen. Was alles getan werden musste, damit alles reibungslos läuft. Das ist schon beeindruckend. Und beeindruckend fand ich diesmal vor allem auch die Wildwasser-Kanuten. Auf dieser extra angelegten Strecke. Das hat mich interessiert. Die 100 und 200 Meter schaut man sich natürlich auch an. Und ich habe verfolgt, wie sich die deutschen Sportler so schlagen.
SPOX: Besser als die österreichischen...
Harnik: (lacht) Das ist wohl war. Österreich war nicht ganz so erfolgreich.
Der VfB Stuttgart in der Saisonvorschau: Die klassische Nummer sechs
SPOX: Lassen wir das besser. Die neue Bundesliga-Saison ist am Wochenende gestartet. 17 Tore und 8 Assists standen in der letzten Saison für Sie zu Buche. Starke Zahlen. Und schwer zu toppen?
Harnik: Rein statistisch liegt die Messlatte sehr hoch, aber ich will mich trotzdem verbessern. Inwiefern mir das gelingt und wie das dann am Ende aussehen wird, weiß ich jetzt noch nicht. Aber ich will mich verbessern. Auf der anderen Seite weiß ich aber, dass ich auch andere Dinge ins Spiel einbringe, es geht nicht nur um Tore und Vorlagen, deshalb verspüre ich auch keinen großen Druck.
SPOX: Wo gibt es denn noch das größte Verbesserungspotenzial bei Martin Harnik?
Harnik: Überall. Ich bin nirgendwo perfekt. Da ist noch viel Luft nach oben. Allgemein geht es sicher um Konstanz. Das ist so der Hauptbegriff, der über allem steht.
SPOX: Bevor Sie beim VfB den Durchbruch schafften, haben Sie ein Jahr in der zweiten Liga in Düsseldorf eingelegt, nachdem es in Bremen nicht erfolgreich für Sie gelaufen war. Wie schwer war es, diesen Umweg zu gehen?
Harnik: Ich würde es gar nicht als Umweg bezeichnen. Auf dem Papier bin ich einen Schritt zurückgegangen, das stimmt. Aber ich hatte in Bremen nicht die Rolle, dass ich damals hätte sagen können, dass ich ein Bundesliga-Spieler bin. Das war ich zu diesem Zeitpunkt nicht. Deshalb habe ich es auch nicht als Rückschritt empfunden. Es war eine Herausforderung, die ich meistern musste und die ich gut gemeistert habe. Am Ende der Saison war es für Düsseldorf und für mich eine Win-Win-Situation.
SPOX: Hatten Sie Zweifel, ob Sie es in der Bundesliga packen würden?
Harnik: Zweifel weniger, aber man denkt schon darüber nach, wie weit es reicht. Es ist anfangs schwer, einen solchen Schritt zurück zu machen. Du willst dir erst mal nicht eingestehen, dass du noch nicht soweit bist für die Bundesliga. Aber diese Phase habe ich zum Glück relativ schnell überwunden. Als ich die Entscheidung, diesen Weg zu gehen, dann getroffen hatte, habe ich voll dahinter gestanden.
SPOX: Und jetzt sind Sie nicht nur mit Ihren Toren ein Eckpfeiler des VfB. Sie sind ein Gesicht des Vereins, ein Führungsspieler. Wie sehr gefällt Ihnen diese Rolle und diese Verantwortung?
Harnik: Es macht mir Spaß. Ich habe mich ja nicht um diese Rolle beworben. Es ist die Folge der Resonanz, die ich bekomme. Ein Resultat der Arbeit, die ich in den letzten Jahren geleistet habe. Aber auch hier möchte ich mich weiterentwickeln. Ich nehme diese Aufgabe mit Freude an, den Verein und die Mannschaft zu repräsentieren. Das Gute ist, dass es keine große Umstellung für mich ist, weil ich mich gemeinsam mit dem Verein Step by Step in diese Richtung entwickelt habe.
SPOX: Auf dem Platz verstehen Sie sich hervorragend mit Vedad Ibisevic. Er ist beim VfB voll eingeschlagen, die Elfmeter-Nachschuss-Aktion jetzt gegen Wolfsburg lassen wir mal außen vor. Was macht das Zusammenspiel mit ihm aus?
Harnik: Wir verstehen uns auch außerhalb des Platzes super, er ist ein sehr angenehmer Typ und passt hier super rein. Das hilft uns auch auf dem Feld. Wir ergänzen uns wirklich sehr gut. Er ist ein klassischer Mittelstürmer, der die Bälle unheimlich gut hält und absolut kaltschnäuzig ist. Ich habe lange keinen Stürmer mehr gesehen, der bis auf diese Ausnahme so kalt vor dem Tor ist. So einen braucht jede Mannschaft. Wir sind froh, dass wir ihn haben.
SPOX: Drittbeste Mannschaft der Rückrunde, und nur Dortmund hat in diesem Zeitraum mehr Tore geschossen. Wie hoch ist der Anspruch innerhalb der Mannschaft für die neue Saison?
Harnik: Auch hier ist Konstanz gefragt. Wir kennen das ja aus den letzten Jahren mit den starken Rückrunden und weniger guten Hinrunden, obwohl der Start in der vergangenen Saison durchaus gelungen war. Diesmal wollen wir uns unbedingt von Anfang an oben etablieren und sofort so viele Punkte holen wie möglich. Dazu haben wir die Europa League vor uns, die wir sehr ernst nehmen und wo wir weit kommen wollen. Wir wollen unbedingt die Gruppenphase erreichen. Es ist ein Traum, in drei Wettbewerben vertreten zu sein, aber es ist natürlich auch eine Belastung. Die müssen wir meistern.
SPOX: In diesem Sommer war in Zusammenhang mit dem VfB oft von Sparkurs die Rede. Trotz der beeindruckenden Rückrunde hat Stuttgart niemand so recht auf dem Zettel, manche erwarten sogar, dass es eher wieder abwärts geht. Können Sie das verstehen?
Harnik: Gott sei Dank interessiert mich das wenig. Es ist mir egal, welche Prognosen irgendwelche Experten irgendwo aufstellen. Wichtig ist, was für ein Gefühl ich habe und in der Mannschaft spüre. Und das ist sehr positiv. Wir haben den Vorteil, dass wir im Kern zusammengeblieben sind und viele Dinge nicht neu erklärt werden mussten. Diesen Vorteil eingespielt zu sein, wollen wir mitnehmen. Dazu können wir nach der Rückrunde mit breiter Brust in die Spiele gehen.
SPOX: Hat sich das Innenleben der Mannschaft in den letzten Jahren verändert?
spoxHarnik: Wir haben sicher einen guten Geist in der Mannschaft. Teilweise gehen wir schon in die dritte Saison zusammen, dazu kam die schwierige Erfahrung im Abstiegskampf, die wir alle gemeinsam durchgemacht und gemeinsam überstanden haben. So etwas schweißt zusammen. Wir sind näher zusammengerückt, das merkt man. Und das war sicher noch nie schlecht für eine Mannschaft.
SPOX: Von unten drängen neue Talente nach. Antonio Rüdiger, Raphael Holzhauser und Kevin Stöger klopfen so allmählich immer stärker ans Tor zu ersten Mannschaft. Wie weit sind diese Jungs?
Harnik: Kicken können sie alle, das ist klar. Aber genauso klar ist, dass sie am Anfang ihrer Entwicklung stehen und sich jetzt erst mal anpassen müssen, auch an die körperliche Härte. Nicht jedem gelingt das so schnell wie Mario Götze, der in Dortmund sofort Stammspieler wird. Da gehört noch ein bisschen mehr dazu als nur das Spielerische, aber sie haben auf jeden Fall alle ein riesiges Potenzial.
SPOX: Zum Abschluss noch ein Ausflug zur Nationalmannschaft. In der WM-Qualifikation ist es im September mal wieder soweit: Österreich vs. Deutschland. Wie groß ist der Glaube, dass Österreich hinter Deutschland zumindest Zweiter werden kann in der Gruppe?
Harnik: Spiele gegen Deutschland sind ein absolutes Highlight, das muss ich nicht extra betonen. Diese Spiele machen einfach immer den größten Spaß. Was die Gruppe angeht, müssen wir uns aber natürlich darauf konzentrieren, gegen die anderen Gegner die Punkte einzusammeln und uns hinter Deutschland festzusetzen. Was aber nicht heißt, dass wir nicht auch gegen Deutschland die Ambitionen haben, etwas mitzunehmen.
SPOX: Paul Scharner wird nach dem Eklat im Vorfeld des Türkei-Spiels nicht mehr für Österreich spielen. Er ist zweifellos eine besondere Persönlichkeit. Wie würden Sie ihn beschreiben?
Harnik: Er ist auf jeden Fall sehr konsequent in allem, was er tut. Das hat man ja auch jetzt wieder gesehen. Er hat eine Meinung und vertritt diese dann auch zu 100 Prozent. Damit ist eigentlich auch schon alles gesagt. (lacht)
SPOX: Er hat ja jetzt auch schon angefangen, von sich in der dritten Person zu sprechen. Ein positiv Verrückter?
Harnik: Nun ja, er hat uns in der Nationalmannschaft gerade den Rücken zugekehrt, deshalb weiß ich ehrlich gesagt nicht, ob ich aktuell viel Positives über ihn loswerden will.
Martin Harnik im Steckbrief