Heute vor 15 Jahren entwischte Fernando Torres seinem Gegenspieler Philipp Lahm und machte Spanien zum Europameister. Für Torres war es der Höhepunkt seiner Karriere, für Lahm das "schlechteste Spiel"- und für Spanien der Auftakt einer Ära.
Der Fußballer Xavi Hernández verfügte bekanntlich über ein Gefühl für Räume wie sonst nur hochdekorierte Innenarchitekten. Natürlich sah er in der 33. Minute des EM-Endspiels 2008 in Wien diese kleine Lücke zwischen den deutschen Abwehrspielern Philipp Lahm und Christoph Metzelder. Natürlich sah er auch den lauernden Fernando Torres.
Xavi wollte wohl, dass Torres gemeinsam mit dem etwas zu steil gespielten Ball durch die Lücke schlüpft. Aber der Stürmer hatte eine andere Idee: Torres überholte den eigentlich sehr gut postierten Lahm auf der Außenbahn und chippte den Ball von dort über den herausstürmenden Keeper Jens Lehmann hinweg ins Netz. 1:0 für Spanien. Da in der restlichen Spielzeit kein Treffer mehr fallen sollte, war es das Tor zum EM-Titel, aber eigentlich noch viel mehr.
Dieses Torres-Tor hatte eine historische Dimension: Es war der Auftakt eines Siegeszuges, wie ihn davor oder danach keine Nationalmannschaft mehr hingelegt hat. Zwei Jahre nach dem EM-Titel gewann Spanien die WM in Südafrika und anschließend auch noch die EM in Polen und der Ukraine. Drei Triumphe in Folge, eine einmalige Leistung.
Lahm verkörperte länger Weltklasse als Torres
Lahm bezeichnete das EM-Finale 2008 später als "schlechtestes Spiel meiner Karriere". Nach dem Fehler vor dem 0:1 musste er, der ansonsten während seiner Karriere nahezu fehlerfrei blieb, zur Pause wegen einer Fleischwunde ausgewechselt werden. Für Torres blieb dieser Abend dagegen der Höhepunkt seiner Laufbahn. "El Niño" nannten sie ihn wegen seines jugendlichen Aussehens liebevoll. Besser als mit seinen damaligen 24 Jahren war das sogenannte Kind nie mehr. Bei den beiden weiteren Endspielen kam Torres nur von der Bank, mit dem FC Liverpool gewann er keinen großen Titel.
2011 vollzog Torres einen so teuren wie umstrittenen Wechsel zum FC Chelsea, dann geriet er außer Form. Für weitere große Siege gegen Lahm reichte es aber dennoch. Längst kein Schlüsselspieler mehr, wurde Torres beim dramatischen Finale dahoam 2012 gegen den FC Bayern in der Schlussphase eingewechselt. Nach seiner Rückkehr zu seinem Heimatklub Atlético Madrid warf er Lahms Münchner 2016 im Halbfinale sogar nochmal aus der Champions League.
Anders als Torres verkörperte der gleichaltrige Lahm - für den der Spitzname "El Niño" übrigens ebenfalls durchaus stimmig gewesen wäre - konstanter und länger Weltklasse. Immer wieder standen zwischen ihm und ewigem Ruhm aber Torres und dessen spanischen Erben, sowohl auf Klub- als auch auf Nationalmannschafts-Ebene. Erst als Spaniens Ära austrudelte, krönte Lahm seine Karriere: Champions-League-Sieger 2013, Weltmeister 2014. Jeweils als Kapitän.
Philipp Lahm und Fernando Torres sprachen nie über das Tor
Womöglich fiel es Lahm auch wegen diesen Erlösungen später leichter, mit einem Augenzwinkern auf den Fehler bei seinem ersten großen Finale zurückzublicken. Im Rahmen einer Werbekampagne für Bild posierte Lahm 2016 neben dem Spruch: "An Bild und an mir kommt keiner vorbei - außer Fernando Torres."
Unterhalten haben sich die beiden über den legendären 29. Juni 2008 aber offenbar nie. "Wir haben uns im Laufe der Zeit zwar oft getroffen, aber nie über dieses Tor gesprochen", sagte Torres später im Interview mit SPOX und GOAL. "Wir hatten insgesamt viele tolle Spiele gegeneinander, sowohl auf Klub-Ebene als auch mit unseren Nationalteams."
Torres sei nach eigener Auskunft sogar "ein großer Fan von Lahm. Von allem was er getan hat und vor allem davon, wie er es getan hat. Es gibt nicht viele so professionelle Spieler wie ihn und es war mir eine Ehre, gegen ihn gespielt zu haben." Gemeinsam stehen Torres und Lahm, die beiden stets jugendlich aussehenden Niños, für einen historischen Fußball-Moment.
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