Für den BVB und den HSV spielte Mladen Petric fünf Jahre lang in der Bundesliga, in 128 Spielen gelangen dem Stürmer 51 Tore. Anschließend ging es für den kroatischen Nationalspieler nach England, ehe er 2016 seine Karriere in Griechenland beendete.
Im ausführlichen Interview mit SPOX und Goal blickt Petric auf seine Karriere zurück und spricht über sein außergewöhnliches Hobby, das turbulente Jahr in Dortmund und den überraschenden Wechsel nach nur einer Saison zum HSV.
Der heute 40-Jährige erzählt zudem von seiner England-Enttäuschung mit Ex-HSV-Trainer Martin Jol, krasse Derbys in Griechenland und geplatzte Transfers zu Top-Klubs.
Diesmal ziehen wir es aber durch, Herr Petric!
Mladen Petric: Was meinen Sie?
Das Interview!
Petric: Selbstverständlich. Wieso auch nicht?
Sie erinnern sich bestimmt nicht mehr: Wir haben vor elf Jahren schon einmal ein Gespräch geführt - das Sie dann abrupt abbrachen. Das ist mir überhaupt noch nicht passiert!
Petric: Jetzt, wo Sie es sagen, glaube ich tatsächlich, dass ich mich erinnere. Wir sprachen über die Zauberei, oder?
Genau - und dann ganz kurz über Ihre schwierige Phase beim Hamburger SV, als Sie nach dem Einkauf von Ruud van Nistelrooy auf der Bank saßen.
Petric: Stimmt, ich habe es jetzt echt wieder vor Augen. Ich dachte ohne Spaß, Sie wollten mich verarschen. Das Gespräch wurde mir thematisch ganz anders angekündigt. Dass wir so lange über mein Hobby sprachen und dann direkt die sportlichen Probleme angingen, da kam ich mir so vor, als hätten Sie nur darauf gewartet, mich in die Pfanne hauen zu können.
Nie im Leben, es hätte theoretisch das gesamte Gespräch aus dem Thema Zaubern bestehen können. Schwamm drüber!
Petric: Sowieso, Schwamm drüber! (lacht)
Dann lassen Sie uns den Faden wieder aufnehmen: Sie sind mit 14 zur Zauberei gekommen, nachdem Sie von Ihrem älteren Bruder im Anschluss an eine Blinddarm-OP ein Buch darüber geschenkt bekamen, um die Langeweile des Krankenhausaufenthalts zu vertreiben. Haben Sie sich dieses Hobby bewahrt?
Petric: Ein bisschen. Als ich noch Profi war, habe ich in meiner Freizeit regelmäßig neue Tricks geübt und auch meinen Mannschaften vorgeführt. Mittlerweile bin ich etwas eingerostet. Ich habe die ganzen Gimmicks noch zu Hause und wenn ich Besuch habe, packe ich manchmal noch ein paar Tricks aus. Die alten kriege ich noch hin, aber neue übe ich nicht mehr.
Welcher Trick geht denn immer?
Petric: Verschiedene Kartentricks zum Beispiel, aber ich kann auch kleinere Gegenstände schweben oder einen 10-Euro-Schein verschwinden lassen. Das haben mir immer die wenigsten Teamkollegen geglaubt, deshalb musste ich gerade auf dem Heimweg nach Spielen im Bus oder auch öfter im Trainingslager nachweisen, dass ich das tatsächlich kann. Bei manchen Mannschaftsanlässen stand ich auch mal kurz auf der Bühne und habe gezaubert.
Sie haben anfangs auch einen Kurs bei einem Magier belegt.
Petric: Das war mit 18 oder 19, als ich in Zürich spielte. Wir haben uns über drei Monate dreimal die Woche getroffen und er hat mit mir meine ersten Tricks einstudiert. Ich fand Zaubern schon immer cool. Richtig gepackt hat mich diese Faszination, nachdem ich eine Show von David Copperfield sah. Als ich es dann selbst konnte, hatte ich große Freude daran, in die staunenden Gesichter meiner Zuschauer zu blicken.
Sie sind damals mit 18 vom FC Baden nach Zürich zum Grasshopper Club gekommen. Dort spielten Sie fünf Jahre, wurden zweimal Meister und gingen anschließend für drei Spielzeiten zum FC Basel, wo Sie Meister, Pokalsieger und Torschützenkönig wurden. Stimmt es, dass Sie eigentlich schon deutlich früher ins Ausland wechseln wollten?
Petric: Ja, es war von klein auf mein Ziel, das ein paar Jahre früher als dann mit 26 zu schaffen. Ich hatte auch Möglichkeiten dazu, aber irgendwie war entweder nicht der richtige Verein dabei oder GC verlangte eine zu hohe Ablöse. Als ich das Angebot aus Basel bekam, war dort Christian Gross Trainer. Er hatte einen tollen Ruf, gewann zahlreiche Titel und führte den GC einst als ersten Schweizer Verein in die Champions League. Daher war das sehr attraktiv für mich.
Nach 248 Erstligaspielen und 88 Toren in der Schweiz ging es 2007 zum BVB, der soeben die große Finanzkrise abgewendet hatte und im Vorjahr Neunter der Bundesliga wurde.
Petric: Es gab zuvor lange Gespräche mit dem VfB Stuttgart, auch Klubs aus Italien oder Schachtjor Donezk klopften immer wieder an. Als aber der BVB kam, war mir sofort klar: Da will ich hin! Ich fand Dortmund schon immer extrem faszinierend, das war als kleiner Junge mein deutscher Lieblingsverein - und zwar wegen Flemming Povlsen. Dank einer Ausstiegsklausel in meinem Vertrag erfolgte die Einigung relativ schnell.
Kurios war zu Beginn, dass Sie als Zehner und nicht im Sturm spielten. Wie empfanden Sie das?
Petric: Trainer Thomas Doll hatte mir gesagt, dass er mich als hängende Spitze verpflichten möchte. Das war nicht unbedingt meine Position, aber ich hatte sie in der Schweiz und der kroatischen Nationalelf schon öfter gespielt. Ich war ja ohnehin nicht nur der Abschlussstürmer, sondern hatte auch immer Tore vorbereitet und sehr viele Freiheiten nach vorne. Ich war in Dortmund daher schon ziemlich erstaunt, als ich plötzlich im Vierer-Mittelfeld auf der Zehn hinter zwei Stürmern spielen musste und mehr Zeit am eigenen Strafraum als im Angriff verbrachte. Das war einfach nicht mein Spiel.
Das hat dann auch Doll eingesehen und Sie in den Angriff beordert. Nach der Hinrunde waren Sie mit elf Treffern gemeinsam mit Bayerns Luca Toni Führender der Torjägerliste. Der BVB kam zwar ins Pokalfinale, landete in der Liga jedoch nur auf Platz 13. Wieso?
Petric: Ich finde, dass wir mit der damaligen Mannschaft ziemlich viel herausgeholt haben.
Inwiefern?
Petric: Von den Stammspielern waren sieben oder acht wirklich richtig gut und hatten Bundesliganiveau. Doch gerade die Bank war nicht auf dem Level, das es benötigt hätte. Wir hatten sechs bis acht Spieler aus der eigenen Jugend dabei, von denen es nicht einer geschafft hat, sich dauerhaft in der Bundesliga durchzubeißen. Sobald ein oder zwei Stammspieler ausfielen, wurde es sehr eng. Es gab finanziell leider kaum eine Möglichkeit, bessere Spieler zu kaufen. Ich würde daher sagen, dass Doll beim BVB nicht viel falsch gemacht hat.
Am 23. April 2008 kam es auf einer Pressekonferenz zu Dolls legendärer Wutrede. Doll bemängelte eine in seinen Augen übertriebene Kritik an seiner Person, die Medien verhielten sich "respektlos". Wie erinnern Sie sich?
Petric: Ich weiß leider nicht mehr, wie wir seinen Auftritt als Mannschaft aufgenommen haben. Man ging ohnehin ziemlich hart mit ihm und dem Team um, da man in Dortmund andere Resultate gewohnt war. Die Erwartungen waren groß, doch hätte man den Kader einmal richtig durchleuchtet, wäre aufgefallen, dass viele nicht das Potential für mehr hatten. Ich hatte zu Doll ein super Verhältnis, er war ein richtig guter Trainer. Zu einem späteren Zeitpunkt hatte er private Probleme, die ihn belasteten - und das hat man dann auch gemerkt.
Dortmund verlängerte im Januar 2008 Dolls Vertrag um zwei Jahre, nach der Saison bot er jedoch seinen Rücktritt an. Es kam Jürgen Klopp - und Sie gingen zum HSV.
Petric: Während der EM 2008 erfuhr ich, dass Klopp übernehmen wird und war positiv darauf eingestellt. Ich wäre gerne länger geblieben!
Stattdessen kamen Sie unter Klopp nur bei einem Pokalspiel in Essen zum Einsatz. Der Wechsel nach Hamburg im Tausch mit Mohamed Zidan kam sehr überraschend. Wie war es für Sie?
Petric: Es ging alles sehr plötzlich, auch wenn ich spürte, dass irgendetwas im Busch ist. Ich saß in den Testspielen meist auf der Bank, auch beim Pokalspiel wurde ich nur eingewechselt. Es ist ja mehr als komisch und hat Aussagekraft, wenn man seinen besten Torschützen des Vorjahres auf einmal draußen lässt. Der BVB bekam schließlich 4,5 Millionen Euro für mich, das war damals eine riesige Summe für den Verein.
Im Nachgang wurde jedoch schmutzige Wäsche gewaschen. Die Bild zitierte Klopp unter anderem damit, dass Sie Ihr Gehalt verdoppelt bekommen wollten.
Petric: Was soll ein Verein schon machen oder sagen, wenn er seinen besten Torschützen verkauft, der auch noch bei den Fans beliebt war? Man musste sich ja irgendwie rechtfertigen, denn die Fans haben das nicht verstanden. Daher wurde versucht, mir die Schuld in die Schuhe zu schieben. Immerhin hat Hans-Joachim Watzke acht Monate nach meinem Wechsel in einem Interview die wahren Gründe offenbart: Ich sei der einzige Spieler gewesen, für den man zu diesem Zeitpunkt gutes Geld bekam.
Mladen Petric: Die Leistungsdaten seiner Profikarriere
Verein | Zeitraum | Pflichtspiele | Tore | Vorlagen |
Grashopper Club Zürich | 1999-2004 | 136 | 38 | 6 |
FC Basel | 2004-2007 | 112 | 50 | 17 |
Borussia Dortmund | 2007-2008 | 36 | 18 | 4 |
Hamburger SV | 2008-2012 | 136 | 61 | 21 |
FC Fulham | 2012-2013 | 24 | 5 | 2 |
West Ham United | 2013 | 4 | - | - |
Panathinaikos Athen | 2014-2016 | 79 | 14 | 10 |
Waren Sie rund um den Transfer nicht mächtig sauer auf den BVB?
Petric: Doch. Ich war sehr enttäuscht von den Dortmundern, weil ich mit Michael Zorc im Vorfeld genau darüber gesprochen habe und ihm sagte, es solle bloß nicht so herüberkommen, dass ich gehen wollte. 'Mach dir keine Sorgen', sagte er. Auf einmal waren auch die Fans sehr sauer auf mich. Die Sache mit dem Gehalt war großer Schwachsinn, denn wir hatten gar nicht über einen neuen Vertrag gesprochen, da ich ein Jahr zuvor für fünf Jahre unterschrieben hatte. Watzkes Klarstellung war mir deshalb sehr wichtig, doch da war das Kind leider längst in den Brunnen gefallen.
Der HSV wurde zuvor Vierter und Sie sagten, der Verein habe "höhere Ambitionen" und Sie sähen die Chance, "in der Champions League zu spielen". Sie wurden unumstrittener Leistungsträger und kamen 2009 sowie 2010 jeweils ins Halbfinale von UEFA-Cup und Europa League. Gab es damals schon Anzeichen für den Absturz, der anschließend folgte?
Petric: Sehr, sehr viele sogar. Ich kann mich an eine Situation nach meiner zweiten Saison erinnern, da saßen wir noch drei Stunden nach dem Training ungeduscht und nicht umgezogen auf dem Boden des Fitnessraums und starrten die Wand an, weil wir merkten, dass vieles schiefläuft und man dringend etwas dagegen unternehmen muss. Wir haben dann versucht, die Probleme anzusprechen, doch das fand kein Gehör. Wir Spieler waren deshalb mental ziemlich am Ende und viele von uns unzufrieden, denn wir haben gespürt, dass es mit dem Verein bergab geht.
Sie kamen in Ihren vier Jahren bei den Rothosen am Ende auf ganze neun Trainer.
Petric: Dieses Kommen und Gehen, auch von Spielern, war unglaublich. Es war ein Phänomen, dass Spieler zum HSV wechselten und dann nicht annähernd die guten Leistungen brachten, die man von ihnen kannte. Ich erinnere mich an Thiago Neves, der in Brasilien das große Talent war, in Hamburg aber keinen Fuß vor den anderen brachte. Das gab es so oft - alles Anzeichen dafür, dass man sich im Verein nicht so wirklich wohlfühlt.
Hamburg ist eine Medienstadt, in der gerade rund um den HSV nie Ruhe herrscht. Wie haben Sie das wahrgenommen?
Petric: Die Journalisten standen vor dem Eingang zur Kabine und belagerten uns, das war unglaublich und erschreckend zugleich. Auch dort hätte der Verein eingreifen müssen, doch er hatte mit den Medien ein zu enges Verhältnis. Das war alles zu offen, man ließ zu viel zu. Die Journalisten hatten zu viele Möglichkeiten und waren zu nah an der Mannschaft, im Trainingslager wurden sie im Teamhotel untergebracht.
Herr Petric, wir kommen nun zur kritischen Stelle von vor elf Jahren: Damals, im Sommer 2010, standen Sie kurz vor einem Wechsel nach Stuttgart. Der HSV hatte ein halbes Jahr zuvor van Nistelrooy verpflichtet und Trainer Armin Veh setzte nicht auf Sie.
Petric: Auch hier wollte ich nicht gehen, aber ich saß in der Vorbereitung und beim Ligastart erneut oft auf der Bank. Um auch meinen Platz in der Nationalmannschaft nicht zu verlieren, musste ich etwas unternehmen. Der VfB machte mir dann ein Angebot, wir haben auch verhandelt und kamen uns näher. Der Wendepunkt zum Guten war schließlich das Derby gegen St. Pauli, als ich eingewechselt wurde und das 1:1 erzielte. Danach spielte ich nur noch von Beginn an. Ein paar Monate später sagte Veh beim Kaffee zu mir: 'Mein Gott, dich wollte ich mal verkaufen. Hätte ich gewusst, was du drauf hast, hätte ich mir das ersparen können.' (lacht)
Sie wechselten dann 2012 zum FC Fulham nach London. Warum?
Petric: Mir lag vom HSV ein Angebot zur Verlängerung vor und ich hätte eigentlich auch unterschrieben. Letztlich entschied ich mich dagegen, da man aus meiner Sicht die falschen Schlüsse aus den Fehlern der Vorjahre gezogen hat. Das ergab einfach keinen Sinn mehr für mich. Ich dachte nur noch: Ich muss hier weg. Sonst hätte ich mental wohl auch echte Probleme bekommen. Es ging mir sehr nahe, dass so viel schief lief. Ich musste daher einen Schlussstrich ziehen.
Und das, obwohl Trainer Michael Oenning Sie zum Kapitän machte.
Petric: Diese Nummer gab den finalen Ausschlag. Kapitän zu sein wäre mir eine Ehre gewesen. Sportvorstand Frank Arnesen kam dann jedoch zu mir, legte den Vertrag auf den Tisch und sagte: 'Wenn du Kapitän sein möchtest, dann musst du diesen Vertrag hier unterschreiben, sonst wird das nichts.' Ich mag es nicht, wenn man mir so kommt. Ich erfuhr zudem, dass zwei Spieler zu Arnesen gingen, um abzuwenden, dass ich Kapitän werde. Der Eine kam später zwar zu mir und entschuldigte sich dafür, doch das alles hat mir den Rest gegeben und mich in meiner Entscheidung bestärkt, den Verein zu verlassen.
Wollten Sie anschließend unbedingt auf die Insel?
Petric: Nein, eigentlich gar nicht, sondern unbedingt nach Spanien. Ich hatte ein Angebot vom FC Sevilla, das war schon sehr konkret. Auch Villarreal und Valencia waren interessiert. Dann hat mich aber mein Hamburger Ex-Trainer Martin Jol mit Anrufen bombardiert, so dass selbst meine Frau irgendwann genervt war. Er hat mehrfach pro Tag angerufen und mich vollgequatscht, ich solle doch zu Fulham kommen. Ich war bald weichgeklopft und versprach, mal vorbei zu kommen. Was wir dort dann sahen, hat uns ganz gut gefallen. Auch die weiteren Gespräche mit Jol waren super. Da ich ihn kannte und er sagte, dass er auf mich setzen wird, habe ich zugesagt - und es im Nachhinein ziemlich bereut.
Sie unterschrieben aber nur für ein Jahr, nach dem nach fünf Toren in 24 Pflichtspielen auch schon wieder Schluss für Sie war. Wie kam's?
Petric: Zunächst: Jol hatte auch nur noch ein Jahr Vertrag und meinte, ich solle nur für diese Saison unterschreiben, damit wir in der Premier League für Furore sorgen und dann gemeinsam zu einem größeren Verein wechseln können. Das Jahr begann für mich überragend, ich habe in den Testspielen mehrfach getroffen und schoss in meinem ersten Ligaspiel gleich zwei Tore und bereitete eines vor. Ich war auch sofort in die Mannschaft integriert und fühlte mich sehr wohl, nirgends ging das so schnell wie dort. Der Verein wurde sehr familiär und top-organisiert geführt.
Die Wende kam für Sie, als auf einmal Dimitar Berbatov am Trainingsgelände auftauchte.
Petric: Da dachte ich erst, Jol und er kennen sich ja durch ihre gemeinsame Zeit bei Tottenham, wahrscheinlich ist er auf Besuch hier. Plötzlich kam er in die Umkleidekabine, zog sich um und ging mit auf den Trainingsplatz. Ich war baff, freute mich aber auch direkt: Berbatov und Petric - geiler Sturm! (lacht)
Jol war da anderer Meinung.
Petric: Er sagte, unsere Spielweise würde sich zu sehr ähneln und setzte mich auf die Bank. Das hat nach meinem tollen Start keiner in der Mannschaft verstanden. Ab dann wurde mein Verhältnis zu Jol von Monat zu Monat immer schlimmer und die Sache sinnlos für mich. Jol blieb im Verein, ich wollte nur noch weg.
Wieso kam Jol denn nicht auf Sie zu und erklärte Ihnen, dass ein Transfer von Berbatov bevorsteht?
Petric: Der Trainer muss sich ja nicht rechtfertigen für seine Transfers.
Sie haben aber schon das direkte Gespräch mit ihm gesucht?
Petric: Selbstverständlich, er hatte mir ja viele Versprechungen gemacht. Das hielt ich ihm vor und war auch der Ansicht, Berbatov und ich könnten zusammenspielen, doch er sah das anders. Er verhielt sich in diesem Gespräch ziemlich kalt, so dass ich wusste, das würde kein gutes Ende nehmen. Ich fühlte mich total verarscht, war menschlich extrem enttäuscht und ärgerte mich sehr, dass er mich so getäuscht hatte. Das war der Moment, am dem ich das erste Mal ans Aufhören gedacht habe.
Inwiefern?
Petric: Ich verlor meinen Platz in der Nationalmannschaft, dann die vielen Vorfälle beim HSV, Jols Verhalten - das waren einfach zu viele Enttäuschungen in kurzer Zeit. Ich war 32 Jahre alt und hatte keine Lust mehr auf das Ganze. Meine Tochter war noch sehr klein und ging in einen englischen Kindergarten, ohne anfangs ein Wort Englisch zu sprechen. Sie kam täglich heulend nach Hause und wollte dort nicht mehr hingehen. Das war für uns alle eine wirklich harte Zeit und als sie sich gerade eingelebt hatte, kam es zum Bruch mit Jol. Wir entschieden daher, ihr zuliebe nicht wieder umziehen zu wollen und dass ich aufhöre, wenn ich keinen Verein in London finde.
Immerhin hatten Sie dort genügend Auswahl. Es dauerte aber bis zum 10. September 2013, ehe Sie bei West Ham United unterschrieben.
Petric: Die Transferperiode war vorbei und ich hatte schon fast abgeschlossen mit dem Fußball. Nachdem sich ein paar Klubs aus Deutschland gemeldet hatten, bekam ich auf einmal doch noch einen Anruf, da sich der damalige West-Ham-Stürmer schwer verletzte.
Bei den Hammers fielen Sie allerdings fast durchgehend aus und machten insgesamt nur vier Spiele über 109 Minuten. Wieso?
Petric: Ich erlitt leider schnell einen Muskelfaserriss in der Wade am Übergang von der Sehne zum Muskel - der dauert deutlich länger als im Oberschenkel. Da ich der einzige Stürmer war, herrschte ordentlich Druck auf dem Kessel und man versuchte, mich so schnell wie möglich fit zu bekommen. Das ging daneben, denn bei einem Abschlusstraining, das in meinen Augen viel zu früh kam, dauerte es keine 20 Minuten, bis die Wunde wieder aufriss. Der Arzt und die Physiotherapeuten hatten gesagt, es sei alles verheilt - daher blieb mir kaum eine andere Wahl. Das Ergebnis war ein Muskelbündelriss, mit dem ich für den Rest der Hinrunde ausfiel.
Ihr Halbjahresvertrag endete im Dezember. Kurz darauf schlossen Sie sich Panathinaikos Athen in Griechenland an. Ans Aufhören verschwendeten Sie keine Gedanken mehr?
Petric: Doch, es war eigentlich dieselbe Situation wie nach Fulham: entweder in London weitermachen oder aufhören. Dann aber wurde mein ehemaliger Mitspieler Niko Kovac Trainer der kroatischen Nationalelf und die WM 2014 stand vor der Tür. 'Sieh' zu, dass du fit wirst und einen Verein findest, bei dem du spielst. Wenn du dort ein paar Tore schießt, nehme ich dich mit zur WM', sagte er. Das war daher eine neue Motivation für mich. Da meine Frau Griechin ist und sie mir schon die gesamte Karriere über im Ohr lag, dass ich einmal irgendwo spielen soll, wo das Wetter konstant gut ist, entschied ich mich für Griechenland und gegen eine Rückkehr in die Schweiz.
Sie waren insgesamt eineinhalb Jahre in England. Wie ging es denn auf der Insel als Profi zu - Stichwort Alkoholkonsum?
Petric: Da haben sich ganz viele Klischees bestätigt. (lacht) Ich weiß noch, dass wir an einem Super Sunday voller Top-Spiele - wir hatten frei - mit rund zehn Spielern in ein Pub gingen und gemeinsam Fußball schauten. Meine englischen und irischen Mitspieler stürzten dann in einem irren Tempo neun, zehn Pints. Ein Kollege konnte am Ende nicht mehr laufen. Der wurde wirklich gestützt und in ein Taxi gelegt, weil er so besoffen war. Seine Frau wurde dann informiert und die nahm ihn zu Hause in Empfang.
War der nächste Tag auch frei?
Petric: Eben nicht. Ich dachte, der wird nun ein paar Tage fehlen, doch er ist am nächsten Tag ohne Spaß marschiert, als gäbe es keinen Morgen. Er sprintete über das gesamte Feld und schmiss sich in die Zweikämpfe, ich war vollkommen fassungslos. Das Verrückte ist: In diesem Pub waren viele Fans, auch welche von Fulham. Die haben das alles hautnah miterlebt und es lautstark gefeiert, nach dem Motto: Geiler Typ! Das war das Schöne in England: Wenn du am Wochenende deine Leistung bringst, ist es den Leuten total egal, was du im Privatleben machst.
In Athen lief es wieder besser für Sie, in 79 Pflichtspielen hatten Sie 24 Torbeteiligungen und wurden 2014 griechischer Pokalsieger - Ihr erster Titel nach sieben Jahren. Doch wieso hat das mit der WM nicht funktioniert?
Petric: Ich nahm den Muskelbündelriss ja mit und erlitt nach ein paar Wochen leider einen Rückschlag im Training, wodurch sich meine Pause verlängerte. Ich habe dann noch ein paar Spiele gemacht, aber leider nicht auf dem erhofften Niveau und war auch nicht fit genug, um der Nationalelf wirklich helfen zu können.
Die griechische Liga war und ist immer wieder in Manipulations- und Korruptionsskandale verwickelt, in Ihrer Zeit wurde der Betrieb wegen anhaltender Gewalt gar mehrfach unterbrochen. Wie haben Sie das wahrgenommen?
Petric: Es war in jeder Hinsicht extrem, was dort abging, aber Angst hatte ich nie. Die Derbys waren mit Abstand das Geilste, was ich je gespielt habe. Da waren 20.000 Griechen lauter als 90.000 Zuschauer im Wembleystadion, das war unglaublich. Mein erstes Derby gewannen wir bei Olympiakos. Kurz vor Schluss kam unser Kapitän zu mir, ich solle mich in den letzten ein, zwei Minuten ziemlich nah am Spielertunnel aufhalten und sofort hineinsprinten, sobald abgepfiffen wird. Ich wollte mich aber eigentlich mit meinem ehemaligen BVB-Teamkollegen Nelson Valdez unterhalten, der bei Piräus spielte. Als der Abpfiff ertönte, sind tatsächlich all meine Mitspieler wie die Irren losgerannt, weil sofort Fans auf den Platz stürmten. Wir saßen eineinhalb Stunden in der Kabine, ehe es sicher war, das Stadion zu verlassen.
Wie anders war Ihr Leben dort im Vergleich zu dem, das Sie zuvor kannten?
Petric: Die Lebensqualität war natürlich eine ganz andere, wenn du neun Monate im Jahr Sommer hast. Im Verein war es etwas schwieriger. Finanziell stark angeschlagen hatte man viele Spieler der U21 hochgeholt, was dazu führte, dass der Trainer das Gefühl hatte, er müsse etwas mehr auf die Spieler aufpassen.
In welcher Hinsicht?
Petric: Es hatte mehr mit Überwachung als mit Professionalität zu tun. Wenn wir Samstagnachmittag ein Spiel hatten und ich drei Stunden später zusammen mit meiner Frau Essen gehen wollte, musste ich ihn um Erlaubnis fragen, damit ich dort auch länger sein kann als 23 Uhr. Er wollte von allen Spielern immer genau wissen, mit wem man unterwegs ist, in welchem Restaurant und so weiter.
Nach 19 Jahren als Profi verkündeten Sie im Mai 2016 Ihr Karriereende. Was gab den Ausschlag dafür?
Petric: Der Verein wollte noch einmal verlängern, da ich aber schon ein Jahr zuvor lange überlegt hatte, ob ich weitermachen soll oder nicht, war ziemlich schnell klar, das war's. Es war dann einfach genug.
Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Laufbahn?
Petric: Eine gute Frage. Die Leute wollen oft von mir wissen, weshalb ich bei meinem Talent nie bei einem Verein gespielt habe, der konstant in der Champions League ist. Slaven Bilic hat immer zu mir wieder gesagt, ich müsste eigentlich bei Real Madrid sein. Insgesamt bin ich ziemlich zufrieden mit meiner Karriere, hätte mir aber gewünscht, bei einem Verein zu spielen, der regelmäßig in der CL vertreten ist. Leider kann man die Dinge nicht immer selbst beeinflussen.
Wie meinen Sie das?
Petric: Ich stand auch schon vor möglichen Transfers zu Juventus Turin oder Bayern München, die dann aber an Ablösesummen oder Trainerwechseln gescheitert sind.
Sie haben 2018 in Kroatien den ersten Teil der Fußballtrainer-Ausbildung abgeschlossen. Derzeit arbeiten Sie vor allem als TV-Experte. Sehen Sie sich in Zukunft in einer Funktion im Fußball?
Petric: Das ist durchaus möglich. Ich habe an der Uni in St. Gallen eine Weiterbildung im Bereich Sportmanagement abgeschlossen. Trainer möchte ich aber nicht mehr werden. Die wenige Zeit mit der Familie, die geringe durchschnittliche Verweildauer eines Trainers - und wenn ich noch sehe, wie ehemalige Mitspieler in zwei Jahren als Trainer gefühlt zehn Jahre gealtert sind, dann muss das nicht sein.
Herr Petric, das wäre es gewesen. Wir haben es tatsächlich geschafft, herzlichen Dank dafür!
Petric: Geht doch. Gut gemacht! (lacht)
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