Nabil Bentaleb spielt seit zwei Jahren beim FC Schalke 04, vor einem Jahr hat ihn S04 fest von Tottenham Hotspur verpflichtet. Im Interview spricht der Algerier über frühe Enttäuschungen zu Beginn seiner Karriere und eine schicksalhafte Begegnung mit einem Scout.
Außerdem verrät der 23-Jährige, welche Lehren er aus der scharfen Kritik an ihm in der zurückliegenden Saison gezogen hat.
SPOX: Herr Bentaleb, Sie sind im Arbeiterviertel Wazemmes in Lille aufgewachsen und haben dort mit dem Fußballspielen angefangen. Woher kommt Ihre Leidenschaft für das runde Leder?
Nabil Bentaleb: Ganz am Anfang wollte ich eigentlich Karate machen, weil das mein sieben Jahre älterer Bruder auch tat. Irgendwann hat er aber aufgehört und ist zum Fußball übergegangen. Als ich ihn kicken sah, wollte ich ihm auch dort nacheifern. Da war ich fünf oder sechs Jahre alt. Seitdem gibt es nichts anderes mehr in meinem Leben. Ich war sehr früh schon extrem ehrgeizig und habe immer geweint, wenn ich ein Spiel verlor. Ich wollte auch relativ schnell immer besser werden. Es war mein Ziel, deutlich stärker zu sein als mein Bruder.
SPOX: Wie lief es bei Ihnen in der Schule?
Bentaleb: Ich war ein ganz ordentlicher Schüler, aber ich war zu sehr vom Fußball abgelenkt, weil ich an nichts anderes gedacht habe. Ich saß oft im Unterricht und habe gegrübelt, wer am Nachmittag alles aus unserem Viertel Zeit haben könnte, um zusammen kicken zu gehen. Der Fußball hat mich mehr motiviert als die Schule. (lacht)
spoxSPOX: Mit zehn sind Sie in das Nachwuchsleistungszentrum des OSC Lille gewechselt. Wie lief es dort anfangs für Sie?
Bentaleb: Zu Beginn war es einfach für mich. Ich war den anderen gerade in technischer Hinsicht überlegen, weil ich auch viel Futsal in der Halle spielte. Mit der Zeit wurde es jedoch komplizierter, da meine Trainer nicht besonders an mich glaubten. Für sie waren meine technischen Fertigkeiten, meine Leidenschaft und die Lust aufs Gewinnen keine Fähigkeiten, die sie verfeinern wollten.
SPOX: Vier Jahre später wurde Ihnen daher gesagt, dass es beim LOSC nicht mehr weitergehen würde.
Bentaleb: In Lille war man damals bei jungen Spielern sehr auf den physischen und athletischen Aspekt fokussiert. Das waren die Hauptgründe, weshalb sie mich nicht mehr behalten wollten. Ich war ihnen zu klein und nicht muskulös genug. Das war sehr schwer zu verstehen, denn wir waren körperlich eigentlich alle auf demselben Niveau. Es gab ein paar Spieler, die schon größer waren und die sich körperlich schneller entwickelt hatten als die Mehrheit. Diese Spieler haben sie daher auch übernommen, mein Gesamtpaket hatte für sie nicht genug Qualität.
Nabil Bentaleb: "Da wurde ein sehr großer Traum zerstört"
SPOX: Wie nahe ging Ihnen diese Entscheidung?
Bentaleb: Sehr nahe, denn da wurde ein sehr großer Traum zerstört. Ich wollte unter allen Umständen bei den Profis in Lille spielen. Erst recht, da ich ja aus der Stadt komme und den Klub geliebt habe.
SPOX: Wie haben Sie in der Folge auf diesen ersten Rückschlag reagiert?
Bentaleb: Rückblickend denke ich, ich habe damals einen ersten kleinen Beweis erbracht, dass ich mental stark sein kann. Ich habe mir gesagt, dass ich jetzt einfach dranbleiben muss, um eines Tages mit dem Fußball mein Geld verdienen zu können. Ich wollte ihnen zeigen, dass sie falsch lagen und ich es auch außerhalb von Lille schaffen kann.
Nabil Bentaleb: Seine Pflichtspielbilanz für den FC Schalke 04
Wettbewerb | Spiele | Tore | Vorlagen |
Bundesliga | 48 | 9 | 7 |
DFB-Pokal | 6 | 0 | 1 |
Europa League | 9 | 2 | 0 |
Gesamt | 63 | 11 | 8 |
SPOX: Sie sind daraufhin zu Royal Excelsior Mouscron nach Belgien gewechselt, doch nur ein Jahr später ging der Klub pleite. Von dort ging es weiter zur U17 von USL Dunkerque. Das ist nicht unbedingt der Parade-Weg, um wenig später einmal in der Premier League zu landen.
Bentaleb: Das stimmt, aber ich habe darüber nicht nachgedacht und ehrlich gesagt auch nicht daran geglaubt, dass es so kommen könnte. Mir ging es darum, nicht nachzulassen, um mir eines Tages nichts vorwerfen zu müssen. Ich dachte: Wenn es klappt, klappt es und wenn nicht, dann eben nicht. Mouscron ist zwar um die Ecke von Lille, aber ich war in einem anderen Land, sah meine Freunde sehr selten und stand jeden Tag um fünf Uhr auf, um Schule und Training unter einen Hut zu bekommen. Das war nicht leicht, aber meine Gedanken bestanden damals nur aus dem Antrieb, unbedingt Profifußballer zu werden.
Bentaleb: "Mein Vater hatte bis zu drei Jobs"
SPOX: Haben Sie zwischenzeitlich einmal die Hoffnung verloren?
Bentaleb: Nein. Ich hatte damals ohnehin die Wahrnehmung, ich sei alleine und alle seien gegen mich, so sah es damals in meinem Kopf aus. Ich hatte in meiner Zeit als Jugendspieler das ständige Gefühl, immer doppelt so gut sein und doppelt so viel machen zu müssen wie die anderen, um überhaupt Aufmerksamkeit auf mich zu lenken.
SPOX: Kam Ihnen nie der Gedanke, dass Sie das vielleicht nur so sehen, es aber möglicherweise gar nicht der Wahrheit entspricht?
Bentaleb: Nein, für mich waren diese Gedanken damals vollkommen normal. Meine Eltern sind Einwandererkinder. Sie mussten sehr, sehr hart arbeiten, um durchzukommen und uns ein halbwegs angenehmes Leben zu ermöglichen. Auch sie mussten doppelt so viel tun als andere, für sie war es ebenfalls alles andere als leicht. Mein Vater hatte bis zu drei Jobs. Daher war es in mir fest verankert, dass man doppelt so viel arbeiten muss, um im Leben zu bestehen. Es kommt letztlich immer darauf an, wie man auf bittere Momente reagiert. Ich kenne zum Beispiel mehrere Spieler meines Jahrgangs, die in Lille ebenfalls aussortiert wurden. Sie haben anschließend aufgegeben und sind nicht Profifußballer geworden.
SPOX: Frederic Basire, Ihr Trainer in Dunkerque, hat einmal gesagt, dass ihn viele Leute vor Ihnen gewarnt hätten.
Bentaleb: Er war der erste Trainer, der wirklich an mich und meine Fähigkeiten glaubte. Er fand es lohnend, mich als Spieler und Person zu entwickeln und mich nicht sofort fallen zu lassen, wie es manche andere Trainer zuvor getan haben. Wir haben uns häufig in die Haare bekommen, ohne aber den Respekt voreinander zu verlieren. Er sagte, dass wir den technischen Bereich nun einmal vernachlässigen und steckte mich in die Abwehr. Das habe ich zunächst überhaupt nicht kapiert, denn das war ja ganz und gar nicht meine Stärke. Ich war ein Mittelfeldspieler, der entscheidende Pässe in die Offensive spielen konnte. Doch er wollte mir helfen, noch kompletter zu werden und er sah etwas in mir.
Bentaleb über eine schicksalhafte Begegnung mit einem Scout
SPOX: Eines Tages soll Ihnen ein Berater ein Probetraining bei Birmingham City vermittelt haben. Wie kam es dazu?
Bentaleb: Diese Geschichte hatte schon früh ihren Ursprung. Mein Bruder ist mit seinen Jungs immer Futsal spielen gegangen. Ich ging über Wochen jedes Mal mit, aber man erlaubte mir nicht mitzuspielen, da ich deutlich zu klein war. Ich bin aber so lange mitgegangen, bis mal ein Spieler fehlte und sie nicht mehr anders konnten, als mich mitspielen zu lassen. Später, als ich zwölf, 13 Jahre alt war, kickte ich dann regelmäßig mit, immer sonntags. Ein paar Jahre später war ein Scout einer Berater-Agentur in der Halle. Nach dem Spiel ging er zu meinem Bruder und wollte seine Nummer haben, weil er etwas in mir gesehen hatte. Er hat gar nicht direkt mit mir gesprochen. Es dauerte schließlich acht Monate, bis wir wieder von ihm gehört haben. Er rief meinen Bruder an einem Samstag an und meinte: Sag deinem Bruder, dass er am Montag nach Birmingham fliegt. (lacht)
SPOX: Was haben Sie daraufhin gedacht?
Bentaleb: Eigentlich nur: Alles klar, ich bin bereit, es kann losgehen. Der Anruf kam zum richtigen Zeitpunkt, denn die Saison in Dunkerque endete gerade und es war nicht ganz klar, wie es für mich weitergehen würde. Ich flog also rüber und das Probetraining lief auch wirklich gut. Der Klub hatte jedoch Probleme, die Ausbildungsentschädigung an Lille zu zahlen. So verlief sich das dann und ich musste etwas warten.
SPOX: Wie ging es dann weiter?
Bentaleb: Der Scout sprach mit mir und meinen Eltern. Er sagte, dass er mir ein Probetraining bei Manchester United, Arsenal, ManCity und Newcastle vermitteln könne, doch das würde jeweils noch etwas dauern. Nur bei Tottenham ginge es sofort. Ich habe geantwortet: Dann nichts wie hin!
SPOX: Was ist dann bei den Spurs auf Sie zugekommen?
Bentaleb: Am ersten Tag habe ich mit der U17 trainiert, tags darauf durfte ich schon bei der zweiten Mannschaft von Trainer Tim Sherwood dabei sein. Dort bin ich auf deutlich größere und ältere Spieler getroffen. Nach einer Woche im Training sagten sie mir, dass das passen würde. Ich solle nach Hause fahren, mein Zeug packen, zurückkommen und meinen Vertrag unterschreiben.
SPOX: Und plötzlich waren Sie erstmals richtig weit weg von zu Hause und in einem fremden Land.
Bentaleb: Das war nicht einfach. Es gab Phasen, in denen ich meine Familie sechs, sieben Monate lang nicht gesehen habe. Ich habe mich gezwungen, nicht viel darüber nachzudenken, auch wenn sie mir oft wirklich gefehlt hat. Mir war aber klar, dass ich solche Opfer bringen muss. Ich wusste immer, warum ich das tue.
SPOX: Warum hat Ihnen letztlich Tottenham die Chance gegeben, die Ihnen in Frankreich und Belgien verwehrt wurde?
Bentaleb: Weil in England schlichtweg eine andere Mentalität herrscht. Als ich in Mouscron und Dunkerque spielte, war es vorgeschrieben, nebenher regelmäßig in der Schule anwesend zu sein. Für mich zählte aber nur, jeden Tag Fußball zu spielen, um besser zu werden. Ich wollte an nichts anderes denken. Bei Tottenham kam ich an und sie meinten zu mir: Du hast vier Stunden Englisch-Unterricht pro Woche, der Rest besteht nur aus Fußball. Ich war begeistert und habe jeden Tag trainiert wie ein Verrückter. Auch die Unterstützung der Verantwortlichen war unglaublich. Ich könnte Ihnen jetzt locker zehn meiner damaligen Mitspieler nennen, die nun ihr Geld als Profi verdienen.
SPOX: Als Sherwood Trainer der Profis wurde, zog er Sie hoch. Dort haben Sie sich nach und nach etabliert. Im April 2014 veröffentlichte die italienische Sportzeitung Gazzetta dello Sport ein Ranking der weltweit besten Talente unter 20 Jahren - und Sie waren dabei. Was haben Sie nach all den Jahren der Entbehrungen in diesem Moment gedacht?
Bentaleb: Das war ein komischer Moment. Die Erfahrung mit Lille damals hatte mir extrem zugesetzt. Ich wollte nichts anderes als ihnen beweisen, dass sie mit ihrer Einschätzung falschlagen. Als mir das dann gelang, ist mir klar geworden, dass ich all dies für mich, für meine Familie und für meine Leidenschaft getan habe. Und eben nicht, um jemandem zu zeigen, dass er im Unrecht war. Ich wollte an diesem Punkt nicht aufhören. Ich wollte noch mehr zeigen und war davon überzeugt, dass ich dazu auch in der Lage war.
SPOX: Was Sie schon damals ausgezeichnet hat, war Ihr großer Ehrgeiz. Sie sagten einmal, dass Sie sehr wütend werden, wenn Sie gegen Ihren Bruder ein Tischtennis-Match verlieren. Wo hat für Sie dieser Ehrgeiz seinen Ursprung?
Bentaleb: Ich bin Algerier. (lacht) Spaß beiseite: Ich glaube, dass das die Mentalität ist, die man in einem nicht einfachen französischen Viertel mit auf den Weg bekommt. Dort wird man jeden Tag getestet, man befindet sich in einem permanenten Konkurrenzkampf. Ob das beim Kartenspielen ist oder gar bei einer Rauferei - man will immer gewinnen, besser sein und sich im Wettbewerb gegen die anderen durchsetzen. Wenn wir uns amüsieren wollten, sind wir auf die Straße gegangen, trafen dort auf viele andere Jungs und haben dann spontan entschieden, worin wir uns messen. Selbst wenn es nur ein simples Wettrennen war. Das gehört einfach zum Alltag in einem quartier.
SPOX: Manche mögen entgegnen, dass das vielleicht eine Spur zu ehrgeizig ist. Denken Sie, dass sich das eines Tages legen wird und Sie diesbezüglich etwas gelassener werden?
Bentaleb: An dem Tag, an dem ich kein Problem mehr damit habe zu verlieren, werde ich sofort mit dem Fußballspielen aufhören. Und für mich würde es dann auch keine Rolle spielen, ob es um eine Niederlage im Fußball ginge oder beim Tischtennis. Für mich ist es dasselbe. Die großen Spieler, die die Champions League gewinnen oder Weltmeister werden, hassen es alle zu verlieren, weil es für sie nicht normal ist. Es ist nicht so, dass ich Angst habe vor Niederlagen. Aber ich bin dann sehr unzufrieden, denke lange nach, stelle mir zahlreiche Fragen. Für einen Fußballer ist es meiner Meinung nach fundamental, sich permanent zu hinterfragen, um nicht in die Falle der Genügsamkeit zu stolpern.
SPOX: In der vergangenen Saison waren Ihr Ehrgeiz und Ihre Reaktion auf Negativerlebnisse aber ein Problem für Sie auf Schalke. Wieso war das so?
Bentaleb: Weil ich nicht gespielt habe.
Nabil Bentaleb über den richtigen Umgang mit Kritik
SPOX: Domenico Tedesco und Christian Heidel haben Sie öffentlich scharf kritisiert und gemeint, dass Sie sehr niedergeschlagen seien und alles schlecht fänden, wenn Sie auf der Bank Platz nehmen müssen. Wie sind Sie damit umgegangen?
Bentaleb: Das war für mich keine leichte Situation, doch sie hat mich letztlich stärker gemacht und ich habe daraus gelernt. Es wird allerdings dabei bleiben, dass ich unzufrieden bin, wenn ich auf der Bank sitze.
SPOX: Daran ist ja auch nichts auszusetzen. Was die Verantwortlichen jedoch auch kritisiert haben, war das Zurschaustellen Ihrer Unzufriedenheit. Und das bemerkt eine Mannschaft natürlich.
Bentaleb: Das stimmt. Daran muss ich auch unbedingt arbeiten, keine Frage. Die Enttäuschung zu verbergen, fällt mir immer noch nicht leicht. Was ich aber versichern kann ist, dass ich unabhängig von einem Platz auf der Bank oder einem Startelfeinsatz im Training immer 200 Prozent gebe, an mein Maximum gehe und um meinen Platz kämpfe. Dafür wird man mich niemals kritisieren können. Ich darf aber künftig nicht mehr meinen Kopf hängen lassen oder nicht mehr mit niemandem sprechen, wenn ich nicht spiele. Das ist mir bewusst.
SPOX: Nehmen Sie die schlechte Laune dann auch mit nach Hause in Ihr Privatleben?
Bentaleb: Ja. Genau das ist ein Problem, aber ich arbeite daran. Wenn du in einer solchen Phase heimkommst und ganz alleine bist, deine Eltern und Geschwister nicht da sind, dann denkst du nur über den Fußball nach und suchst Gründe, warum es nicht läuft, warum du nicht spielst. Ich bin nun aber seit einiger Zeit verheiratet und glaube, dass es mir in dieser Konstellation künftig leichter fallen wird. Denn jetzt habe ich keinen Grund mehr, schlecht gelaunt nach Hause zu kommen.
Bentaleb über Statussymbole, Social Media und "stinknormale Restaurants"
SPOX: Zu dieser Zeit gingen viele Beobachter davon aus, dass sich die Wege in diesem Sommer trennen werden. Haben Sie selbst an einen Wechsel gedacht?
Bentaleb: Überhaupt nicht. Ich bin kein Typ, der aufgibt und abhaut. So bin ich nicht. Ich will die Sachen zu Ende bringen. In meinem Kopf steht für mich fest, dass ich spielen muss, weil ich die Qualität dazu habe. Und wenn das nicht der Fall ist, dann möchte ich den Beweis erbringen, dass ich damit Recht habe. Ich sehe das als Prüfung an und bin mit dieser Herangehensweise bislang gut gefahren, denn auch nach dieser schwierigen Phase in der letzten Saison stand ich wieder regelmäßig auf dem Platz, obwohl die Mannschaft zuvor ohne mich erfolgreich war. Wahrscheinlich habe ich diesen Rückschlag auch benötigt, um einen Schritt nach vorne zu machen. Für mich war die letzte Saison nicht nur aufgrund unseres Erfolgs eine gute Saison, sondern weil ich viel gelernt habe.
SPOX: Wie viele andere Fußballprofis sind Sie auch in den sozialen Netzwerken unterwegs. Doch Sie unterscheiden sich vom Großteil, weil Sie ausschließlich sportliche Bilder posten und keine glamourösen Schnappschüsse. Sie sagten einmal, Ihre Eltern würden Ihnen den Kopf abreißen, wenn Sie beispielsweise einen Frisör einfliegen ließen.
Bentaleb: Das stimmt. Meine Eltern lassen mich jedoch all das tun, was ich tun möchte. All meine Anstrengungen im Leben, besonders natürlich die Tatsache, dass ich tatsächlich Fußballprofi geworden bin, habe ich unternommen, um meine Eltern und meine Familie stolz zu machen. Das steht für mich über allem. Ich war im Urlaub auch schon mit einem schönen Boot unterwegs, aber das möchte ich nicht öffentlich machen, damit niemand denkt, ich würde damit angeben wollen. Das ist bei mir als Moslem vielleicht eine kulturelle Sache.
SPOX: Inwiefern?
Bentaleb: So wurde ich erzogen. Ich verurteile aber niemanden, der so etwas gerne mit der Öffentlichkeit teilt. Mir selbst ist es einfach extrem wichtig, ein ganz normaler Mensch zu bleiben. Wenn ich in der Heimat bin, fahre ich mit dem Fahrrad durch die Gegend und gehe mit meinen Freunden in einem stinknormalen Restaurant essen. Für meine Kumpels bin ich einfach nur Nabil - nicht Nabil, der Fußballer, der viel Geld verdient. Und genau diese Behandlung brauche ich auch. Die kleinen Kinder bei mir zu Hause haben schon häufiger zu mir gesagt, dass sie dachten, ich wäre ein grimmiger Kerl, wie ich es auf dem Platz sein kann. Dann stellen sie aber fest, dass ich tatsächlich ein ganz normaler Typ bin - und darüber freue ich mich sehr.
SPOX: Einer Ihrer Lehrer in Lille hat einmal gesagt, dass Ihre Chance, Fußballprofi zu werden, bei einem Prozent läge. Würden Sie ihn nun gerne einmal wiedersehen?
Bentaleb: Das war mein Englischlehrer. In unserer Klasse gab es damals viele Jungs, die Fußball spielten und den Traum vom Profidasein hatten. Er meinte zu uns: Wenn es einer aus eurer Klasse schafft, wäre das einzigartig. Ich habe nie verstanden, warum er das gesagt hat. Wir hatten alle diesen Traum und er sagte einfach so dahin, dass wir es ja wahrscheinlich eh nicht schaffen würden. Das ist doch kein pädagogischer Ansatz. Damit hat er uns demoralisiert, anstatt uns zu sagen, dass wir an unsere Träume glauben und sie hartnäckig verfolgen sollen. Von daher, nein, ihn muss ich nicht unbedingt wieder treffen.