Als hätte es eines letzten Beweises bedurft, gerät der Angriff der deutschen Nationalmannschaft vor dem WM-Qualifikationsspiel in Aserbaidschan unfreiwillig in den Fokus. Die Absage von Lukas Podolski und das Zittern um den Einsatz von Miroslav Klose bereiten Bundestrainer Joachim Löw Sorgen - die gegen einen zweitklassigen Gegner vielleicht zu kompensieren sind, sich auf Dauer aber zu einem großen Problem ausweiten können.
Manchmal regeln sich die Dinge quasi von ganz alleine. Joachim Löw hatte vor dem Abflug der deutschen Nationalmannschaft nach Baku ein ernsthaftes Problem: Der DFB-Tross stieg nur mit zwei gesunden Angreifern in die Maschine.
Neben Mario Gomez und Cacau gesellte sich auch noch der angeschlagene Miroslav Klose dazu. Eine dünne Besetzung, selbst gegen einen zweitklassigen Gegner wie Aserbaidschan, der die Löw-Elf in der WM-Qualifikation am kommenden Mittwoch (17.45 Uhr im LIVE-Ticker) fordern wird.
Keine Nachnominierung für Poldi
Der Bundestrainer allerdings verstand die ganze Aufregung nicht. Ja, der verletzungsbedingte Ausfall von Lukas Podolski schmerze schon. Schließlich ist "der Poldi in der Nationalmannschaft immer ein wichtiger Spieler".
Aber nein, "wir werden mit dieser Besetzung in das Spiel gehen und niemanden mehr nachnominieren", so Löw weiter. Auf den ersten Blick könnte man eine recht generöse Einstellung vermuten, mit einem bisschen Argwohn auch eine Spur gesunder Arroganz.
Kaum noch deutsche Angreifer
Gegen einen anderen, stärkeren Gegner würde Löw nämlich sicherlich nicht mit weniger als vier gesunden Stürmer die Abreise antreten. Was der Bundestrainer aber verheimlichte: Im Prinzip hat er momentan fast gar keine Alternativen.
Lediglich Leverkusens Stefan Kießling wäre noch ernsthaft in Frage gekommen. Und danach? Die große Leere.
Am vergangenen Wochenende standen beim 1. Bundesliga-Spieltag mit Anpfiff 35 gelernte Stürmer auf den Plätzen. Nur sieben davon besitzen die Spielberechtigung für die deutsche Nationalmannschaft.
Neben den nominierten Gomez und Cacau und dem nicht berücksichtigten Kießling waren dies Sebastian Freis (1. FC Köln), Andre Schürrle (FSV Mainz), Alexander Meier (Eintracht Frankfurt) und Kevin Kurayni (Schalke 04).
Kein Kuranyi-Comeback
Wobei Meier eher als offensiver Mittelfeldspieler zu sehen ist und Kuranyi: ein Sonderfall. Zwar zeigte der Ausgebootete in Nürnberg eine starke Leistung und erzielte zwei blitzsaubere Tore, die sofort wieder einige Befürworter auf den Plan riefen.
Löw aber erstickte jegliche Gerüchte im Keim und erteilte einem möglichen Comeback Kuranyis im DFB-Team eine kategorische Absage.
"Ich habe ihm gesagt, dass es eigentlich unter meiner Ägide als Bundestrainer für ihn keine Rückkehr mehr geben wird. Diese Entscheidung hat nach wie vor Bestand."
Im Sturm: Fast nur noch Legionäre
Gut ein Jahr nach der EM hat sich das Angebot im Sturm drastisch verkleinert. Oliver Neuville ist zurückgetreten, Kuranyi wurde fristlos suspendiert und Nachwuchshoffnung Patrick Helmes fällt mit einem Kreuzbandriss bis zur Rückrunde aus.
Der Trend innerhalb der Liga geht zudem noch eindeutig zum ausländischen Stürmer: Von den insgesamt 85 Angreifern aller Bundesligisten mit realistischen Chancen auf einen Bundesligaeinsatz besitzen lediglich 22, also ein gutes Viertel, einen deutschen Pass. Von denen ist wiederum nur gut die Hälfte auch als Stammspieler gesetzt.
Drei Jahrgänge, kein Angreifer
Eine ohnehin schon bedenkliche Entwicklung, die mit einem Blick auf den Nachwuchs nur noch mehr Sorgenfalten bereitet. Zwar ist Deutschland in drei Juniorenklassen Europameister, doch die Jahrgänge 1989 bis 1991 haben keinen einzigen echten Torjäger hervorgebracht.
Richard Sukuta-Pasu (Bayer Leverkusen) oder Thomas Müller (FC Bayern) zeigten schon vielversprechende Ansätze, haben in ihren Teams aber keinen Stammplatz in der Bundesliga. Sandro Wagner, mit zwei Toren Deutschlands erfolgreichster Torschütze bei der U-21-EM, spielt mit dem MSV Duisburg lediglich in der 2. Liga.
Löw hat kaum Alternativen
Im September will Löw den Kader im Hinblick auf eine hoffentlich erfolgreiche Qualifikation zur WM in Südafrika verkleinern.
"Wir wollen erst einmal ein paar Bundesliga-Spieltage abwarten und noch einige zusätzliche Erkenntnisse sammeln. Dann werden wir wohl im September den Kreis eingrenzen, um die Spieler noch besser und intensiver begleiten zu können", sagt der Bundestrainer.
Für fast alle Mannschaftsteile gilt dieser Plan. Im Sturm allerdings gibt es für Löw in naher Zukunft kaum noch Streichkandidaten.
Ergebnisse und Tabelle: Deutschlands Quali-Gruppe 4