Die Zusammenarbeit zwischen Niklas Süle und dem FC Bayern München könnte im Sommer nach fünf Jahren tatsächlich ein Ende finden. Zu einem Zeitpunkt, in dem der Verein wohl nie zufriedener mit dem Spieler und der Spieler noch nie mehr wertgeschätzt im Klub wurde. Darf der FC Bayern Süle einfach so ziehen lassen - und sollte Süle seinerseits um jeden Preis eine Verlängerung anstreben? Das Pro und Contra.
Süle sollte den FC Bayern München verlassen - um seinetwillen
von Jonas Rütten
Was wurde nicht alles über Niklas Süle geschrieben und behauptet? Zu unprofessionell sei er, zu lax in seiner Ernährung, zu unzuverlässig. Das sei auch der Grund dafür, dass er bei den Bayern auf Bewährung spiele. So hieß es erst im November des vergangenen UND im Februar des auslaufenden Jahres.
Ein Jahr später ist vieles anders: Süle ist "Sülinho", der schrankartige Innenverteidiger mit überraschend ausgeprägten Dribbling- und Spielfähigkeiten. Der Polyvalente, der auch mal auf rechts verteidigen kann und dort sogar zeitweise die Nase als Stammkraft vorn hatte. Und: Er war in der Hinrunde der wohl zuverlässigste Innenverteidiger der Bayern.
Davon dürften auch andere Klubs als nur die bislang als einzige Interessenten gehandelten Magpies aus Newcastle Notiz genommen haben. Bei Chelsea könnte beispielsweise im Sommer der Platz von Antonio Rüdiger frei werden. Dessen Berater sind jedenfalls sehr umtriebig in den letzten Tagen. Die Premier League war bekanntermaßen immer Süles großer Traum und Chelsea soll schon im vergangenen Jahr durchaus an Süle dran gewesen sein.
Nach fünf Jahren beim FC Bayern ist der kommende Sommer - Stand jetzt - für ihn die beste Möglichkeit, um ein neues Kapitel aufzuschlagen und sich seinen fußballerischen Traum zu erfüllen. Süle ist endlich (größtenteils) von Verletzungen oder längeren Pausen (Stichwort Corona) verschont geblieben.
Süles Optionen für einen Bayern-Abschied waren nie besser
Er ist fit, spielt konstant gut, ist aktuell sogar besser als die teuren Konkurrenten Lucas Hernandez und Dayot Upamecano, hat aber nicht deren Standing. Obwohl Königstransfer Upamecano über die Hinrunde hinweg achterbahnfahrtartige Leistungen bot. Obwohl Hernandez ähnlich wie Süle immer wieder verletzt ausgefallen ist.
Es geht bei Süle ums Standing, was unter Förderer Julian Nagelsmann sicherlich sehr gut ist, sich aber gerade monetär im Vergleich zu den aktuell nicht so konstanten, aber teureren Konkurrenten nicht ausdrückt. Das gilt es zu korrigieren - und Süles Verhandlungsposition war nie besser.
Und sollte der FC Bayern nicht mit einem (in Corona-Zeiten) realistischen, aber besonders aus Spielersicht guten Angebot anklopfen, sollte Süle den Klub verlassen. Der Zeitpunkt war für ihn persönlich nie besser.
Süle sollte Gegenwart und Zukunft des FC Bayern sein
von Filippo Cataldo
Niklas Süle hat ein Imageproblem beim FC Bayern München. Darauf können wir uns einigen.
Wie sonst ist es zu erklären, dass sich die Mär des kantigen Problemverteidigers Süle, der nie so richtig in München angekommen sei und sich beim Rekordmeister nicht so recht wertgeschätzt fühle, weil er ständig zwischen Ersatzbank und Stammelf pendle, so hartnäckig hält?
Zu den Fakten: Süle hat in dieser Saison nach Dayot Upamecano wettbewerbsübergreifend die zweitmeisten Einsatzminuten aller Bayern-Verteidiger absolviert und ist im SPOX-Notenschnitt der Hinrunde außerdem sogar der beste im Zentrum (Note 2,94 mit 19 gewerteten Spielen).
Er stand bis zu seiner Coronainfektion, die er sich im November trotz doppelter Impfung zuzog, in der Bundesliga und Champions League nur einmal nicht in der Startelf, spielte fast immer gut, wurde dem Spitznamen "Sülinho" immer wieder gerecht.
imago imagesFC Bayern: Süle weiß, was Upamecano verdient
Auf der anderen Seite kennt Süle, der auch schon in der vergangenen Saison unter Trainer Hansi Flick spätestens in der Rückrunde bis zu seinem Muskelfaserriss zum Ende der Saison unumstrittener Stammspieler war, seinen monatlichen Gehaltszettel.
Und er weiß eben auch, was beispielsweise Innenverteidiger-Kollege Dayot Upamecano in München verdient; die beiden haben in Volker Struth den gleichen Berater.
Dass Süle ab Sommer 2022 nach dann fünf Jahren beim Rekordmeister nicht weniger als die kolportierten bisherigen maximal acht Millionen Euro im Jahr verdienen will, ist nachvollziehbar und verständlich; dass Bayern keine Mondgehälter zahlen möchte auch. Aber: Verhandlungen sind dafür da, um zu verhandeln. Und genau das machen Süle und Bayern gerade. Sollten sie am Ende nicht zusammenkommen: ok, dann ist das so. Aber: Die Verhandlungspartner sollten alles tun, um zusammenzufinden.
FC Bayern käme jede Alternative zu Süle teurer
Süle sollte Bayern entgegenkommen, weil er in Julian Nagelsmann einen Trainer hat, der ihn schon seit Ewigkeiten kennt, ihn sehr schätzt und genau weiß, wie er ihn anfassen muss. Er ist erst 26 und kann auch in drei oder vier Jahren noch nach England gehen - zumal der aktuell hartnäckigste Interessent Newcastle United allem Geld zum Trotz sportlich einfach noch ein paar Nummern zu klein ist für Süle.
Bayern sollte Süle entgegenkommen in den Verhandlungen, weil jede Alternative zu Süle in der Kombination aus Gehalt und etwaiger Ablöse für Bayern oder Handgeld teuer wäre.
Vor allem, weil Süle sportlich perfekt zu Nagelsmanns Ideen passt. Er kann in den von Nagelsmann zuletzt präferierten asymmetrischen 4-2-3-1 und 3-4-2-1-Grundordnungen sowohl an der Seite von Upamecano, als auch von Lucas Hernandez verteidigen. Er hat mit beiden schon harmoniert und kann mit seiner Stabilität und Robustheit auch mal einen Fehler der Kollegen ausbügeln. Auch eine "Ochsen-Dreierkette" mit den allen drei Innenverteidigern ist wegen Süles fußballerischer Qualitäten jederzeit denkbar.
Dazu kommt: Kein Spitzenverein kann es sich leisten, mit nur zwei Stamm-Innenverteidigern in eine Saison zu gehen, zumal Benjamin Pavard zentral eher schwächer einzuschätzen ist als die drei und ohnehin eher rechts gebraucht wird. Tanguy Nianzou muss außerdem noch den Beweis erbringen, dass er wirklich Bayerns Verteidiger der Zukunft sein kann.