Er spielt seit fast 20 Jahren bei Eintracht Frankfurt und hat schon vieles miterlebt: Aufstieg, Abstieg und einen Beinahe-Lizenzentzug. Er spielte mit Jay-Jay Okocha, Uwe Bein oder Anthony Yeboah zusammen. Torwart Oka Nikolov im Interview über seine Karriere, das aktuelle Team der Eintracht und seine Verbundenheit zum SV Darmstadt 98.
SPOX: Herr Nikolov, ganz ehrlich: Hat der Medienrummel um Ihre Person nach der Verletzung von Kevin Trapp ein wenig genervt?
Oka Nikolov: Nerven ist das falsche Wort. Ich bin ja froh, dass so viel über uns berichtet wird. In den letzten Wochen war es schon reichlich. Das brauche ich aber jetzt nicht jede Woche.
SPOX: Hätte Sie nach dem Aufstieg im Sommer der Mannschaft solch eine Saison zugetraut?
Nikolov: Nein, wirklich nicht. Wir hatten wieder zehn neue Spieler und man wusste nicht, ob das alles so zusammen passt. Dass die Jungs alle Fußball spielen können, das wusste man - aber dass es so gut harmoniert, auch charakterlich, davon konnte man nicht ausgehen. Es passt einfach zu 100 Prozent. Mit der Truppe kann man etwas aufbauen.
SPOX: In Ihrer fast 20-jährigen Karriere haben Sie auch einige Trainer kennengelernt. Ist Armin Veh ein spezieller Typ?
Nikolov: Es ist schwer, die Trainer untereinander zu vergleichen. Jeder Trainer ist speziell. Aber was ich über Armin Veh sagen kann, ist, dass er ein sehr, sehr ehrlicher Mensch ist. Er sagt einem offen seine Meinung. Das beeindruckt mich und das schätze ich sehr an ihm.
SPOX: Freut es Sie, dass er verlängert hat?
Nikolov: Natürlich. Er ist jetzt zwei Jahre hier und war pausenlos erfolgreich. Da ist man als Spieler natürlich froh, wenn er bleibt und man den Weg weiter geht.
SPOX: Können Sie sich vorstellen, am Ende Ihrer Karriere eine Trainerlaufbahn einzuschlagen?
Nikolov: Vorstellen kann ich mir alles. Aber ich will mich derzeit noch nicht festlegen. Ich will auf jeden Fall im Fußballbereich bleiben, ob als Trainer, Torwart-Trainer, Scout oder Manager - das werden wir dann sehen.
SPOX: Wer wird aus dem jetzigen Kader als erstes deutscher Nationalspieler?
Nikolov: Das ist schwer zu sagen. Wir haben ein paar dabei, die das Zeug dazu haben. Ich denke da an Sebastian Jung, Sebastian Rode, Bastian Ozcipka und natürlich Kevin Trapp. Einer schafft es in absehbarer Zeit.
SPOX: Was steht einem Rode denn noch im Weg?
Nikolov: Bastian Schweinsteiger und Ilkay Gündogan (lacht). Sonst eigentlich nichts. Er soll einfach nur so weitermachen wie bisher. Es gibt so viele gute deutsche Spieler, da ist es unfassbar schwer, rein zu kommen. Gerade auf der Position. In vielen anderen Ländern wären die Jungs bestimmt schon Nationalspieler.
SPOX: Sind Sie von der Entwicklung der jungen Spieler überrascht?
Nikolov: Rode und Jung haben eine wahnsinnige Entwicklung in den letzten Jahren genommen. Die Jungs spielen so, als ob sie schon seit 20 Jahren in der Bundesliga wären. Damit konnte man nicht wirklich rechnen. Nun sind sie absolute Leistungsträger und werden zu Recht von der halben Bundesliga gejagt.
SPOX: Haben Sie Angst, dass die Mannschaft im Sommer auseinander fällt?
Nikolov: Nein, das habe ich nicht. Ich hoffe, dass der Verein in der Richtung bald Nägel mit Köpfen macht und die Jungs verlängern. Alle wird man nicht halten können, aber da muss man sich eben nach einem adäquaten Ersatz umschauen.
Seite 2: Nikolov über die "Diva vom Main" und seine schönsten Erlebnisse
SPOX: 19 Jahre Eintracht Frankfurt. Sie gehören fast zum Inventar. Dabei waren Sie ja nicht immer dort. In der Jugend spielten Sie bei der SG Sandbach, gingen dann zum SV Darmstadt 98 und mit 17 zur Eintracht...
Nikolov: Ich habe schon in verschiedenen Auswahlmannschaften gekickt, als ich noch für die SG Sandbach spielte. Dadurch wurden dann die größeren Vereine aus der Region auf mich aufmerksam. So kam ich nach Darmstadt, die damals in der höchsten Jugendklasse spielten. Wir waren zu der Zeit sehr erfolgreich und ich wurde in die Hessen- und Süddeutsche-Auswahl berufen. Irgendwann kamen Charly Körbel und sein Co-Trainer Rainer Knobloch auf mich zu und fragten mich, ob ich denn nicht Lust hätte, für die Eintracht zu spielen.
SPOX: Beobachten Sie die Lilien noch ab und an?
Nikolov: Auf jeden Fall, das ist ja direkt vor der Haustür. Die Lilien sind ja auch irgendwo mein Verein. Und ganz ehrlich: Ich wäre wohl nie weggegangen, wenn sie mir damals mit 17 einen Profivertrag gegeben hätten. Trotzdem verfolge ich Darmstadt noch weiterhin und freue mich natürlich, wenn es für den Verein gut läuft.
SPOX: Erinnern Sie sich noch an Ihr erstes Bundesligaspiel?
Nikolov: Klar! Wir haben damals 3:1 gegen den 1. FC Kaiserslautern gewonnen, aber das genaue Datum weiß ich nicht mehr (9.9.1995, Anm. d. Red). Soweit ich mich erinnern kann, war ich sehr nervös. Aber das ist ja bis heute noch so. Vor dem Spiel gegen Fürth und die Bayern war auch eine gewisse Anspannung da, das ist ganz normal.
SPOX: Als Sie Ihr erstes Bundesligaspiel machten, wurde Marc-Oliver Kempf gerade erst geboren. Ist es mittlerweile nicht seltsam, mit solch jungen Hüpfern auf dem Platz zu stehen?
Nikolov: Darüber macht man sich eigentlich keine Gedanken. Die Jungs sind alles gute Kicker - ob die jetzt 18 oder 35 sind, das ist erst mal egal. Erst wenn man sich mit den jungen Spieler unterhält und dann feststellt, von dem einen oder anderen könnte man der Vater sein, merkt man, dass man doch im fußballerisch fortgeschritteneren Alter ist (lacht).
SPOX: Haben Sie Ihr Torwartspiel in den letzten Jahren umstellen müssen?
Nikolov: Nein, ich hatte das Glück, dass ich die "neue Torwartschule" von damals genießen konnte und sie von klein auf praktizierte. Dadurch hatte ich keine großen Anpassungs- oder Umstellungsprobleme im aktiven Bereich.
SPOX: Als Sie Ihr erstes Bundesligaspiel machten, spielte man noch mit Libero...
Nikolov: Damals führte diese Rolle Manni Binz aus. Er hat sie schon sehr offensiv interpretiert und meist eher Sechser gespielt. Ich war also schon recht früh an die Viererkette gewöhnt.
SPOX: Sind die Spieler inzwischen anders drauf? Einen Mario Basler sah man auch mal mit Kippe. Das ist heute nicht mehr denkbar.
Nikolov: Naja, es gibt heute bestimmt auch noch Spieler, die rauchen oder gerne mal ein Glas Bier trinken. Aber man kann es sich nicht mehr leisten, irgendwo gesehen zu werden, wenn man ausgelassen feiert. Schnell hat jemand sein Handy gezückt und macht ein Bild. Da muss man in der heutigen Zeit einfach professioneller leben.
SPOX: Schade eigentlich, oder?
Nikolov: Wir kommen trotzdem noch zum Feiern, keine Angst. Da gönnt man sich dann auch mal zwei Gläser Bier oder Wein.
SPOX: Wie "unprofessionell" ging es früher zu?
Nikolov: Ich will nicht sagen, dass man damals unprofessioneller arbeitete. Es war anders. Mario Basler hat mit Sicherheit auch noch eine Stunde nach Trainingsende Freistöße geübt. Heute gehen die Jungs eher in den Kraftraum, um ihre Körper für das schnellere und intensivere Spiel in Form zu bringen. Das gab es früher vielleicht nicht.
SPOX: Sie haben inzwischen mit einigen Fußballern zusammen gespielt. Wer war der Beste?
Nikolov: Das ist immer schwierig zu beantworten, weil es auch von den Positionen abhängig ist. Aber Leute wie Yeboah, Okocha, Bein und Weber waren schon super Fußballer. Heute haben wir einen Schwegler, einen Jung, einen Rode - eigentlich die komplette erste Elf. Es wäre jetzt unfair den anderen gegenüber, einen Besten zu nennen.
SPOX: Wer war der Verrückteste?
Nikolov: In der jetzigen Mannschaft ist es definitiv Heiko Butscher. Ein Total-Verrückter im positiven Sinn. Mit ihm kann man ständig lachen. Von der älteren Generation gibt es auch einige Geschichten, aber das sollte man hier nicht mehr erwähnen.
SPOX: Die Eintracht gilt ja als die "Diva vom Main"...
Nikolov: Das ist sie doch schon lange nicht mehr. Seit Heribert Bruchhagen da ist, ist alles viel ruhiger geworden und es gab kaum noch Eskapaden. Daher würde ich die Eintracht nicht mehr als Diva bezeichnen.
SPOX: Was waren die seltsamsten Erlebnisse am Riederwald in den 19 Jahren?
Nikolov: Die schlimmste Zeit war sicherlich die, in der unsere Lizenz am seidenen Faden hing. Als es auf der Kippe stand, ob bei der Eintracht überhaupt noch Profi-Fußball gespielt werden kann. Da macht man sich schon Gedanken und hat Existenzängste.
SPOX: Teile der Eintracht-Fans sind leider auch dafür bekannt, ab und an mal über das Ziel hinaus zu schießen. Wie geht man als Spieler damit um?
Nikolov: In erster Linie ist das ja oftmals eine kleine Gruppe, die sich daneben benimmt. Deswegen ist es nicht in Ordnung, alle über einen Kamm zu scheren. Wer bei uns schon einmal bei den Heimspielen war weiß, was der Rest der Fans für eine sensationelle Stimmung erzeugt. Aber es ist schwer für einen Verein, auch für den DFB und die DFL, solch eine kleine Gruppe zu bändigen. Da habe ich leider auch keine Lösung parat. Ich beneide die zuständigen Personen nicht um ihre Aufgabe.
SPOX: Hatten Sie niemals die Nase voll von Frankfurt? Gab es nie ein Angebot bei dem Sie hätten schwach werden können?
Nikolov: Natürlich hat man in den ganzen Jahren mal darüber nachgedacht. Ich hatte schon die Möglichkeit zu wechseln. Doch letztlich hat es nie so gepasst, dass ich davon wirklich überzeugt war. Aber die Schnauze voll von der Eintracht? Das Gefühl hatte ich niemals. Es ist ein Traditionsverein, für den man einfach gerne spielt.
SPOX: Hand aufs Herz: Wie nah standen Sie vor einem Vereinswechsel?
Nikolov: Es gab zwei Angebote, über die ich intensiv nachgedacht habe. Das war zum einen CD Teneriffa vor einigen Jahren, die damals aber in der zweiten spanischen Liga spielten. Zum anderen die USA-Geschichte vor drei Jahren und das Angebot vom FC Dallas - das war schon sehr konkret. Persönlich wäre es für mich natürlich eine riesige Erfahrung gewesen. Ich hatte aber ein sehr gutes Gespräch mit dem damaligen Trainer Michael Skibbe, in dem wir eine Abmachung trafen. Da ich zu meinem Wort stehe, kam der Wechsel eben am Ende nicht zustande. Ich bin super glücklich, so wie es gelaufen ist.
SPOX: Aber Dallas ist doch eine schöne Stadt...
Nikolov: Bestimmt. Aber Skibbe kämpfte sehr um mich. Das hat mich sehr beeindruckt. Und ich gab ihm mein Wort und dazu stand ich. Er hielt sich an die Abmachung, also hielt ich mich auch dran.
SPOX: Schauen Sie mit stolz auf ihrer Karriere zurück?
Nikolov: Natürlich! Wenn man dann alles mal nach einer gewissen Zeit reflektiert, ist man absolut stolz. Das kam aber erst in den letzten zwei, drei Jahren. Davor dachte ich einfach nur von Jahr zu Jahr und nahm mir dafür gar nicht die Zeit, weil der Fußball zu sehr Tagesgeschäft ist. Aber ab einem gewissen Alter, blickt man doch mal zurück.
SPOX: Wo spielen Sie nächstes Jahr - in der Champions League oder in der Europa League?
Nikolov: Ich weiß ja noch nicht einmal, ob ich überhaupt noch spiele (lacht). Wir haben uns schon unterhalten, jede Partei weiß nun Bescheid und dann sehen wir mal.
Eintracht Frankfurt im Überblick