Als Spieler trug er unter anderem das Trikot des 1. FC Nürnberg und des FC St. Pauli. Seit 2009 ist Peter Knäbel technischer Direktor der Schweizer Nationalmannschaft. Im Interview spricht er über Borussia Mönchengladbachs Neuzugang Granit Xhaka, dessen Secondo-Mentalität und Vergleiche mit Bastian Schweinsteiger.
SPOX: Erinnern Sie sich an die ersten fußballerischen Schritte von Granit Xhaka, als Sie Nachwuchschef beim FC Basel waren?
Peter Knäbel: Granit kam im Kindesalter zu uns nach Basel zum Verein. Es war so, dass der ältere Bruder Taulant den jüngeren mitnahm und die Eltern dann entschieden, dass beide Jungen von Concordia zum FCB wechseln.
SPOX: Granit Xhaka hat in einem Interview mal gesagt, die Secondo-Mentalität, also die Mentalität eines Schweizers, der seine Wurzeln in einem anderen Land hat, wäre vielleicht ein Vorteil, weil diese Spieler einen speziellen Ehrgeiz hätten. Ist das denn etwas, was sie so sehr von "Schweizer-Schweizern" (also gebürtigen Schweizern) unterscheidet?
Knäbel: Er selbst mag das vielleicht so sehen, aber in seinem Jahrgang gab es eine Menge Spieler, die ebenfalls den nötigen Ehrgeiz mitgebracht haben und nicht zu den Secondos gehören: Benjamin Siegrist oder Janick Kamber fallen mir da spontan ein. Da ist in erster Linie natürlich das Talent entscheidend. Siegrist spielt jetzt in England (Aston Villa) und Kamber in Lausanne. Beide sind mit Granit zusammen U-17-Weltmeister geworden. Ich würde es nicht verallgemeinern, dass die Secondos sich sehr von den anderen Jungs unterscheiden. Sicherlich haben sie dem Schweizer Sport sehr viel Schwung verliehen, aber es gibt auch hochmotivierte Leistungssportler aus der Schweiz, beispielsweise Roger Federer, die keine ausländischen Wurzeln haben.
SPOX: Und Granit Xhaka selbst? Merkt man ihm denn diese andere Mentalität an?
Knäbel: Granit ist ein sehr motivierter und zielorientierter Spieler und das hat ihn zu dem gemacht, was er geworden ist. Aber das kann man nicht nur auf die Secondo-Mentalität schieben.
SPOX: War es denn für Xhaka, der seine Wurzeln im Kosovo hat, von Beginn an klar, dass er für die Schweiz spielen würde?
Knäbel: Also ich habe nie einen Zweifel bei ihm gespürt. Ich kann natürlich nicht für ihn sprechen und ich weiß auch nicht, wie es gekommen wäre, wenn es den Kosovo als Nationalstaat mit eigener Nationalmannschaft gegeben hätte, aber für uns war es eigentlich immer klar, dass er für die Schweiz spielen würde.
SPOX: Ottmar Hitzfeld hat Granit Xhaka mit dem jungen Bastian Schweinsteiger verglichen - ein treffender Vergleich?
Knäbel: Ottmar wiederholt das auch immer wieder und ich denke, er kann das sicherlich am allerbesten beurteilen, weil er beide zum gleichen Zeitpunkt, im gleichen Alter, gefördert hat. In Bezug auf Spielrhythmus bestimmen, Spielübersicht oder auch spielerischen Aufwand, gibt es da Parallelen und der Vergleich ist durchaus angemessen. Aber man muss ganz klar unterstreichen, dass Ottmar den jungen Schweinsteiger vor ein paar Jahren gemeint hat und man Xhaka in seiner jetzigen Entwicklungsphase natürlich nicht mit dem aktuellen vergleichen kann. Ein Vorteil den Granit vielleicht hat ist, dass er von Beginn an auf seiner Lieblingsposition spielen konnte, als zentraler Mittelfeld-Spieler, wohingegen Schweinsteiger sich ja erst über Außen in die Zentrale kämpfen musste.
SPOX: Was denken Sie über Xhakas Wechsel nach Mönchengladbach? Ist es der richtige Schritt? Ist ein Spielertyp wie er, ist er selbst, in der Bundesliga gut aufgehoben?
Knäbel: Es wird sich zeigen. Ich persönlich denke, dass es auf jeden Fall der richtige Schritt ist. Klar kommt er immer noch "nur" als Schweizer Nationalspieler nach Gladbach. Es ist etwas anderes, als wenn man einen argentinischen Nationalspieler verpflichtet, aber ich denke, die Transfersumme, die man für ihn bereit war zu zahlen, sagt etwas über die Wertschätzung aus, die man ihm dort entgegen bringt. Außerdem ist es natürlich schön, dass er in Gladbach auf einen Trainer aus seiner Heimat trifft. Granit hat soweit alles geschafft, was wir für unsere Schweizer Talente für richtig halten. Er hat mit Basel Titel gewonnen, er hat sich kontinuierlich weiterentwickelt und auch international gespielt. Gerade in den letzten Saison-Spielen hier in der Liga ist es ihm sehr leicht gefallen, das Spiel zu dominieren und daran hat man sehen können, dass er jetzt bereit ist für die nächste Stufe.
SPOX: Denken Sie denn nicht, dass die hohe Ablösesumme von neun Millionen Euro Xhaka belasten könnte? Immerhin ist er ja erst 19...
Knäbel: Nein, das denke ich absolut nicht. Sicherlich wird er seine Zeit benötigen um sich zu Recht zu finden. Aber das ist normal. Granit ist unheimlich reif für sein Alter, hat eine starke Persönlichkeit. Da gab es auch schon ganz andere, teurere Spieler, die damit umgehen konnten. Heutzutage ist es nun einmal so, dass ein Spieler in seinem Alter, mit seinem Talent und dazu noch ein Nationalspieler, seinen Preis hat.
SPOX: Jetzt wechselt zur kommenden Saison ja auch Xherdan Shaqiri in die Bundesliga zum FC Bayern. Wem von den beiden trauen Sie denn den besseren Start in der Bundesliga zu?
Knäbel: Zunächst einmal freue ich mich, dass die beiden in Zukunft bei solch großen Klubs spielen werden. Ich traue beiden zu, dass sie sich mittelfristig durchsetzen. Am Anfang müssen die Vereine einfach genug Geduld mit ihnen haben. Beide Spieler wissen, dass sie sich erst beweisen müssen, bevor sie Ansprüche stellen können.
SPOX: Worauf wird es für sie ankommen?
Knäbel: Wichtig wird sein, dass sie schnell die Intensität der deutschen Liga annehmen und sich darüber bewusst werden, dass sie jedes Spiel unter hohem Druck absolvieren werden. Und dann kommt es natürlich auf die individuelle Situation im Verein an, aber ich bin mir sicher, dass sie genug Rüstzeug aus ihrer Ausbildung hier in der Schweiz mitnehmen, um bestehen zu können.
SPOX: Zum Schluss: Wagen Sie doch mal eine Prognose: Was denken Sie, wo steht Granit Xhaka in etwa fünf Jahren?
Knäbel: Ich finde es gefährlich jetzt beispielsweise zu sagen: 'In fünf Jahren ist er bei ManUtd und gewinnt die Champions-League.' Aber das muss er auch nicht. Ich hoffe einfach, dass er etablierter Stammspieler in einer der großen europäischen Ligen sein wird und das kann auch sehr gut in fünf Jahren immer noch bei Borussia Mönchengladbach sein. Ich hoffe, dass er die Möglichkeit hat, jedes Jahr auf internationaler Ebene zu spielen, was ja durchaus auch nicht selbstverständlich für Gladbach ist. Außerdem hoffe ich, dass er bis dahin auch mit der Schweiz bei zwei wichtigen internationalen Turnieren, der WM 2014 in Brasilien und der EM 2016 in Frankreich, bewiesen hat, dass er zu einem der besten zentralen Mittelfeld-Spieler in Europa geworden ist.
Peter Knäbel im Steckbrief