Hoeneß: "Das wird Lahm bedauern"

SPOX
07. November 200918:32
Manager Uli Hoeness ist stinksauer auf Philipp LahmGetty
Werbung

Der FC Bayern ist in der Krise - und jetzt werden tiefe Risse sichtbar. Ausgerechnet der sonst so zurückhaltende Vize-Kapitän Philipp Lahm kritisiert in der "Süddeutschen Zeitung" alles. Die Transferpolitik, die fehlende Philosophie - und die Mitspieler. Bayern-Manager Uli Hoeneß reagiert stinksauer und sagt nach dem 1:1 gegen Schalke den Journalisten: "Sie können sich sicher sein, dass er das noch bedauern wird."

Das sagte Philipp Lahm zur "Süddeutschen Zeitung". Lahm über...

...die Qualität der Mannschaft:

"Wenn man unsere Mannschaft mit anderen Topteams aus der Champions League vergleicht, dann sind diese eben auf sieben, acht Positionen strategisch erstklassig besetzt - und das fehlt uns. Wenn man sich mit Barcelona, mit Chelsea, mit Manchester United messen will - dann braucht man als FC Bayern eine Spielphilosophie. Das muss auch das Ziel des Vereins sein. Ich sehe diese acht Spieler bei uns nicht, und das liegt nicht an den Spielern, sondern an der fehlenden Philosophie über die letzten Jahre."

...die Transferpolitik des Vereins:

"Ich glaube, in der Vergangenheit lief das mit den Transfers nicht immer glücklich. Sicher lag es auch daran, dass wir in den letzten Jahren verschiedene Trainer mit verschiedenen Vorstellungen hatten. Aber man muss auch ganz klar feststellen: Vereine wie Manchester oder Barcelona geben ein System vor - und dann kauft man Personal für dieses System. Man holt gezielt Spieler - und dann steht die Mannschaft. Wir haben zum Beispiel Arjen Robben geholt, weil er ein sehr guter, internationaler Spieler ist. Aber wir haben ihn nicht geholt, weil wir gesagt haben: Okay, wir spielen jetzt künftig im 4-3-3-System."

...die fehlende Philosophie:

"Der Verein muss sagen, wenn ein Trainer kommt: So spielen wir. Bei Barcelona kommt doch keiner mehr auf die Idee, dass sie 4-4-2 spielen. Der FC Barcelona ist 4-3-3 - das ist einfach so! Wir dagegen haben jetzt viele Spieler, für die es in einem 4-3-3, das unser Trainer gerne spielen möchte, gar keine Position mehr gibt. Zum Beispiel unsere Stürmer. Wir haben wirklich gute Stürmer - aber beim 4-3-3 sitzen zwei, drei immer auf der Bank. Wenn ich einen Mario Gomez kaufe, muss ich sagen: Okay, dann spielen wir mit zwei Spitzen. Und wir haben ja auch in der gesamten Vorbereitung nur 4-4-2 gespielt. Und dann kommt plötzlich Robben, ein toller Spieler, der zu uns passt - und der am liebsten im 4-3-3 spielt. Der FC Bayern muss anfangen, eine Mannschaft zu entwickeln. Man darf Spieler nicht einfach kaufen, weil sie gut sind."

...die aktuellen Probleme der Bayern:

"Wir brauchen im Mittelfeld Spieler, die man aus der Abwehr immer anspielen kann. Ich glaube einfach, unser größtes Problem liegt im Mittelfeld. Ballbesitz ist sehr wichtig. Auch Barcelona hat sehr, sehr viel Ballbesitz - aber sie haben eben auch Spieler, die sagen: 'Okay, jetzt geht's nach vorne.' Das ist das, was uns fehlt. Ich sehe unsere Spiele der letzten Wochen und frage mich: Wer soll das denn machen bei uns?"

...die Lösung des Problems:

"Wir müssen jetzt anfangen, mehr nach vorne zu spielen. Nur: Wen soll man denn anspielen? Wo ist jemand, der mal was bewegt, der den Ball zur Seite mitnimmt, nach vorne schaut und irgendwie den Ball durchsteckt, dass man nachrücken kann? Das passiert bei uns kaum. Und dann holt man zum Beispiel Anatolij Tymoschtschuk, eine Art zweite Nummer sechs - aber dann spielt man nach Robbens Transfer plötzlich wieder nur mit einer Nummer sechs!"

... Louis van Gaal:

"Er ist sicher ein ganz anderer Trainer als diejenigen, die bisher hier waren. Er legt sehr viel Wert auf Disziplin, auf Genauigkeit, und er ist sicher auch manchmal schwierig im Umgang für viele Spieler. Aber er ist bestimmt kein Unmensch, er verlangt keine Undinge von uns. Es braucht noch Zeit, aber ich bin der festen Überzeugung, dass er ein guter Trainer ist. Sicher, er ist eigen, aber er ist auch ein Mann, der herzlich ist - auch wenn man das vielleicht nicht so mitkriegt. Wir führen ja einige Gespräche, und ich mag ihn als Typ. Aber ich weiß auch, dass viele mit dieser Art nicht zurechtkommen.

Der Trainer mag zwei kritisierte Transfers getätigt haben, aber ansonsten hat er schon einen guten Blick dafür, was fehlt. Mir gefällt, wie viel Wert er auf Taktik legt. Er ist einfach ein Lehrer, den ich so noch nicht hatte. Ich glaube schon, dass wir jetzt den Trainer haben, der den Bau einer Mannschaft hinbekommen kann. Im Vergleich zum letzten Jahr habe ich Hoffnung, weil ich Struktur erkennen kann. Man sieht eine Handschrift. Trotzdem muss sich natürlich einiges ändern."

...den Unterschied zwischen van Gaal und Klinsmann:

"Wir machen jetzt zum Beispiel nach jedem Spiel eine Analyse: Was haben wir gut gemacht, was nicht? Manche Spieler kommen damit nicht zurecht, dass sie vor der ganzen Mannschaft kritisiert werden: Warum spielst du diesen Pass? Warum hast du jene Entscheidung getroffen? Dabei finde ich das gut und ganz normal.

Letztes Jahr gab es so etwas nicht, da wurde nicht mal drüber gesprochen. Deswegen ist das jetzt auch eine große Umstellung. Und viele sagen sich vielleicht auch: Okay, lieber spiele ich jetzt einen Rückpass, bevor ich morgen wieder vor der ganzen Mannschaft für einen Fehlpass kritisiert werde. Was wir jetzt haben, ist das absolute Gegenteil von dem, was wir letztes Jahr hatten."

Die Bayern unter Druck: Ein Zufall namens Schalke