Pro und Contra zum Transfer von Harry Maguire: Ist die Rekordsumme gerechtfertigt?

Stefan PetriLucas Neumann
06. August 201919:26
Harry Maguire ist nun der teuerste Verteidiger aller Zeiten.getty
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Harry Maguire wechselt für rund 87 Millionen Euro von Leicester City zu Manchester United und avanciert damit zum teuersten Innenverteidiger überhaupt. SPOX diskutiert die Vor- und Nachteile des Rekordtransfers.

PRO: Darum ist Harry Maguire 87 Millionen Euro wert

Von Stefan Petri

Eins vorweg: Würde ich 87 Millionen Euro lieber in einen Virgil van Dijk investieren als in einen Harry Maguire? Selbstverständlich. Oder lieber in einen Matthijs de Ligt? Auch das.

Trotzdem bereitet mir die Weltrekordsumme, die United für Maguire auf den Tisch gelegt hat, keine großen Bauchschmerzen. Und das ist schnell erklärt.

Schließlich konzentriert sich die Kritik am Transfer vor allem darauf, was Maguire NICHT mitbringt. Ja, er ist nicht der Schnellste, und ja, er hat vergleichsweise wenig Erfahrung. Er hat noch nie Champions League gespielt, und nur ein einziges Mal Europa League, in der Saison 2014/15.

Aber Maguire bringt auch ein ordentliches Paket mit. Er ist groß, kräftig, körperlich unheimlich stark und damit wie geschaffen für die Premier League. Mit einer Zweikampfquote von fast 73 Prozent gehörte er im letzten Jahr zu den Top 3 in der Liga, in der Luft sind es sogar sensationelle 78 Prozent - eine Stärke, die er auch im gegnerischen Strafraum einzusetzen weiß. Seine Defizite in Sachen Top Speed macht er mit Cleverness und gutem Positionsspiel wett.

Auch mit dem Ball am Fuß kann er umgehen. Er kann das Spiel von hinten eröffnen oder auch mal den langen Ball schlagen. Maguire ist einer, der Gras fressen und sich ständig verbessern will. Und er ist ein Anführer mit einer natürlichen Autorität, der sich in der Kabine Gehör verschaffen wird. Auch Manchester City hatte ein Auge auf Maguire geworfen, bevor sich schließlich United durchsetzte.

Natürlich, ein paar Einsätze in der Champions League wären nett gewesen. Aber in der Premier League misst sich Maguire seit Jahren schon mit den besten Spielern der Welt, auch bei der WM in Russland konnte er überzeugen. Mit 26 ist er zudem noch nicht auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft angekommen.

Das macht ihn noch nicht zu einem van Dijk, der nicht umsonst Favorit auf den Ballon d'Or ist. Auch ein de Ligt ist sicherlich eine Ecke talentierter. Aber Verteidiger dieses Kalibers waren für United nicht zu bekommen. Der Ruf der Red Devils hat in den letzten Jahren gelitten, in der kommenden Saison spielt man nur Europa League - das schreckt ab.

Also musste United auf das "Weltklasse"-Regal verzichten und stattdessen im "potenzielle Weltklasse"-Regal zugreifen. Für Europa League zahlt man drauf, ebenso für vier weitere Vertragsjahre in Leicester, und für das "Nationalspieler"-Label. So kommt man am Ende eben auf eine solche Summe.

Man darf nicht vergessen: Es war van Dijk, der mit seinen fantastischen Leistungen in Liverpool gezeigt hat, was ein Innenverteidiger wert sein kann. Er hat den Markt für Verteidiger noch einmal korrigiert - auch dieser neue Transferrekord wird bald wieder fallen.

United hofft darauf, dass Maguire bei einem mit Weltklasse gespickten Topklub noch einmal einen Schritt nach vorn machen kann, so wie es auch van Dijk gelungen ist. Unbegründet ist diese Hoffnung nicht, und sollte ihm das gelingen, waren die 87 Millionen gut angelegt.

CONTRA: Darum ist Harry Maguire keine 87 Millionen Euro wert

Von Lucas Neumann

Dass Maguire gewisse Qualitäten innehat und ein "ordentliches Paket" mitbringt, ist unbestritten. Doch reicht das allein schon aus, um diese exorbitante Ablöse zu rechtfertigen? Mitnichten.

In der vergangenen PL-Saison stand Maguire insgesamt 31-mal für Leicester auf dem Platz, lediglich sechsmal blieb er mit seinem Team dabei ohne Gegentor. Ein erschreckender Wert, der nicht nur von den überragenden van Dijk (20) und Laporte (18), sondern auch von Kean (13), Alderweireld (12), Zouma (10), Ake (10) und einigen anderen überboten wurde.

Die Mischung aus fehlender Erfahrung und technischer Unzulänglichkeiten ist bei Maguire nicht zu unterschätzen. Ein Matthijs de Ligt ist nicht nur sieben (!) Jahre jünger und einen Tick billiger als Maguire, sondern hat zudem bereits mehr Champions-League-Einsätze auf dem Buckel und ist im Hinblick auf die Spielveranlagung um Welten talentierter.

Natürlich ist Maguire groß, kräftig und körperlich stark. Ja, er ist geschaffen für die Premier League, aber eben nicht für die Top sechs. Die Attribute, die er mitbringt, sind bei Leicester gefragt sind und kommen dort entsprechend zur Geltung. Auch die Foxes haben sich spielerisch weiterentwickelt, agieren aber weitestgehend mit einer tiefstehenden Abwehrkette und schlagen die Bälle gut und gerne lang hinten raus. Da ist es Maguire nicht schwergefallen, zu glänzen.

Beim ambitionierten Rekordmeister aus Manchester, der unter Solskjaer nun endlich den langersehnten Umbruch vollziehen und ein technisch versiertes Aufbauspiel entwickeln will, sind ganz andere Qualitäten gefragt.

Virgil van Dijk hat beispielsweise das Liverpool-Spiel revolutioniert, indem er aufgrund seiner Antizipation und der technischen Fähigkeiten den Sechser sowohl im Aufbau als auch in der Rückwärtsbewegung entscheidend entlastet. Maguire kann mit Sicherheit verbal vorangehen, er ist jedoch nicht in der Lage, dem United-Spiel seinen eigenen Stempel aufzudrücken.

Mit Tottenham-Verteidiger Toby Alderweireld, der in der Vergangenheit des Öfteren mit einem Wechsel zu den Red Devils in Verbindung gebracht worden war, hätte man einen weitaus kompletteren Profi bekommen können - für weniger als die Hälfte der Maguire-Ablöse. Der Belgier ist nur einer von zahlreichen Kandidaten, die sowohl eine bessere Vita mitbringen als auch technisch beschlagener sind. Zudem wäre ein solch gestandener Spieler elementar, um die neu zusammengewürfelte Viererkette entsprechend zu stabilisieren.

Ein Verein, der noch in allzu guter Erinnerung hat, wie eine Innenverteidigung mit Kalibern wie Vidic und Ferdinand aussehen kann, verpflichtet nun einen behäbigen Hünen, der mit 26 Jahren noch nicht einmal in der Königsklasse auf dem Platz stand - einen Spieler, der für 87 Millionen Euro aus dem "potenzielle Weltklasse"-Regal gezogen wurde? Die Reds-Anhänger reiben sich schadenfroh die Hände - und das vollkommen zurecht. Was Sir Alex wohl dazu sagen würde?