Mit 15 zu den Blackburn Rovers. Mit 20 bester Nachwuchsspieler der Premier League. Mit 22 Wechsel zu Sparta Prag. Es folgten Depressionen und Angstzustände. Sergio Peter hat in jungen Jahren viele Höhen und Tiefen erlebt. Mit 26 greift er nochmal an. Peter im Interview mit SPOX über Fehlentscheidungen, eine folgenschwere Salat/Wasser-Diät und einen unschönen Zweikampf mit Cristiano Ronaldo.
SPOX: Herr Peter, Sie gingen als 15-Jähriger zu den Blackburn Rovers, durchliefen dort die Jugendakademie und spielten in der Premier League. Mit welchen Hoffnungen kamen Sie damals nach England?
Sergio Peter: Ich war schon immer ein selbstbewusster Junge und weiter als die anderen in ihrem Alter. Klar war: ich wollte Fußballprofi werden! Ich bin mit 10 Jahren von Schönau zum Waldhof (Mannheim, d. Red.) mit dem Fahrrad gefahren; meine Eltern haben mich gekillt, als sie das rausbekommen haben. Aber ich habe es geschafft. Ich war Profi, ich hatte schöne Momente - und die kann mir keiner mehr nehmen. Aber ich habe letztlich nichts davon.
SPOX: Wie meinen Sie das?
Peter: Ich kann mir DVDs von damals anschauen - letztendlich bin ich doch gescheitert. Ich habe es nicht so weit geschafft, wie ich wollte. Mein großes Ziel war, Stammspieler in der Premier League zu werden, die damals noch uneingeschränkt die beste Liga der Welt war. Ich wollte, dass es heißt: ein Deutscher hat sich in England durchgesetzt. Vielleicht hatte ich auch den Traum, einmal A-Nationalspieler zu werden. Aber leider ist alles nicht so gekommen, wie es sollte.
SPOX: Es fing aber alles gut an. Sie wurden gleich in Ihrem ersten Spiel gegen Queens Park im FA Cup zum Man of the Match gewählt. Zu der Zeit spielten Cristiano Ronaldo, Andrej Schewtschenko oder Michael Ballack in der Premier League. Wie ist das, solchen Topstars gegenüberzustehen?
Sergio Peter: Generell waren die Spiele gegen Manchester United etwas Besonderes. Zu Hause im Ewood Park in Blackburn wurde ich eingewechselt und habe direkt gegen Cristiano Ronaldo gespielt. Ich habe ein überragendes Spiel gemacht und Ronaldo aus dem Spiel genommen. Eine Szene war allerdings unglücklich. Ich holte Ronaldo bei einer Aktion gerade noch ein und grätschte, dabei traf ich leider mehr ihn als den Ball - und er war drei Monate lang verletzt. Das wollte ich gar nicht. Aber so viele Anrufe wie nach dem Spiel hatte ich noch nie in meinem Leben. Ronaldo sah ich auch so öfters mal am Wochenende. Generell waren wir oft mit Spielern von den Bolton Wanderers, Manchester City oder United unterwegs - das war ein Kreis.
SPOX: Warum sind sie dann von Blackburn weg?
Sergio Peter: Es verlief alles zunächst bilderbuchmäßig. Ich habe bei Blackburn alle Jugendteams durchlaufen, bin gleichzeitig zur Schule gegangen und habe meine Mittlere Reife gemacht. Dann ging es sehr schnell: Nach zwei Jahren habe ich einen Profivertrag bekommen. Ich hatte mit Mark Hughes einen tollen Trainer. Ich hatte halt das Problem, dass Morten Gamst Petersen vor mir war. Er war der Liebling der Fans, der "Prinz aus Norwegen", da hatte ich nicht die besten Karten auf einen Stammplatz. Aber ich hab mich immer angeboten und im Training gezeigt, was ich kann.
SPOX: Im Sommer 2008 ging Mark Hughes zu Manchester City und Paul Ince übernahm. Wie ging es weiter für Sie?
Sergio Peter: Als Ince kam, bekam ich Angebote von Sparta Prag und dem KSC. Der KSC konnte damals aber die Ablöse nicht zahlen und so habe ich mir das Angebot von Prag angehört. Der Reiz an Prag lag an deren Teilnahme am Europacup. Mir gefiel die Wertschätzung, daher nahm ich das Angebot an. Allerdings ging der Schuss nach hinten los. So gut meine Karriere begann, so hart bekam ich dann das Gegenteil zu spüren.
SPOX: Was lief in Prag falsch?
Sergio Peter: Zwei Monate nach meiner Vertragsunterschrift flogen wir ins Trainingslager nach Hongkong. Ich hatte ein gutes Gefühl, im Team passte es, der Trainer setzte auf mich. Allerdings habe ich in dem Trainingslager in zwei Wochen nur Salat und Wasser zu mir nehmen dürfen und erlitt auf dem Weg zurück von Hongkong in London einen Kreislaufkollaps und kam ins Krankenhaus. In der Zeit flog das Team weiter nach Spanien in das nächste Trainingslager und ich wollte unbedingt mit. Daher verließ ich auf eigene Verantwortung das Krankenhaus, um der Mannschaft nachzufliegen. Aber auf dem Weg zum Flughafen bin ich erneut kollabiert - und danach war es erst mal vorbei. Ich konnte nicht mehr, hatte Depressionen und Angstzustände. Ich habe mich nur noch zu Hause wohlgefühlt, ging nicht mehr raus und wollte meine Freunde nicht mehr sehen. Daran ist meine Karriere letztendlich gescheitert.
SPOX: Aber hat Sparta Sie damals nicht aufgefangen?
Sergio Peter: Nein, persönlich bin ich von dem Verein schwer enttäuscht. Sie haben mich fallen gelassen, da kam gar nichts! Im Gegenteil: ich wurde direkt gefeuert! Von da an stand ich auf der Straße. Aber eigentlich war mir das in dem Moment egal, ich war krank. Mein Kopf machte nicht mehr mit. Es hat lange gedauert, bis ich das alles realisiert hatte und mir bewusst wurde, dass ich einfach nur Fußball spielen will. Das war das Einzige, was ich immer besonders gut konnte.
SPOX: War es im Nachhinein betrachtet der falsche Schritt, nach Prag zu wechseln? Wäre es nicht cleverer gewesen, zu einem ambitionierten Zweitligisten wie dem KSC zu gehen?
Sergio Peter: Im Nachhinein kann ich sagen, dass ich niemals aus England hätte weggehen dürfen. Ich hatte damals auch ein Angebot vom FC Blackpool, aber ich wollte in der ersten Liga bleiben. Ich saß im Premier-League-Boot. Wenn, dann kam nur ein Wechsel ins Ausland in Frage. Ich war in dem Moment einfach nicht schlau genug. Eine Station runter, dort hätte ich meinen Stammplatz gehabt und hätte Spielpraxis gesammelt. Andererseits muss ich auch sagen, dass es in Prag hätte klappen können.
SPOX: Auch in der Nationalmannschaft lief es nicht für Sie. Bis zur U 20 haben Sie für Deutschland gespielt. Warum sind sie nie für die U 21 aufgelaufen?
Sergio Peter: Als ich noch bei Blackburn war, bekam ich von Trainer Dieter Eilts eine Einladung für die U 21. Ich hatte mit Mark Hughes extra im Vorfeld unsere Partie gesprochen und ihm gesagt, dass er mich nicht einwechseln soll, weil ich gerne unter der Woche für die U 21 gegen die Niederlande auflaufen möchte. Hughes versprach mir, dass er darauf Rücksicht nehmen werde - ich sollte nur im Notfall eingewechselt werden. Naja, der Fall trat halt ein. Ich wurde eingewechselt, kurz vor Schluss gefoult und fiel dann für die U 21 aus. Seitdem kam nie wieder ein Anruf vom DFB.
SPOX: Statt in der Premier League und für Deutschland spielen Sie nun in der Gruppenliga Darmstadt beim VfR Bürstadt. Wie kam es dazu?
Sergio Peter: Der Kontakt ist über einen Freund entstanden. Ich war lange nicht mehr im Geschäft und Bürstadt ist momentan eine gute Adresse, um mich wieder aufzubauen. Ich sage selbst, dass es meine letzte Chance ist. Ich halte mich dort fit und hoffe, dass es nur eine Zwischenstation ist. Ich habe gut zehn Kilo Übergewicht - die müssen runter. Vielleicht kann ich im Sommer dann nochmal irgendwo anklopfen. Ein Comeback wäre ein Traum.
SPOX: Mit 26 ist man - was den Fußball angeht - nicht mehr der jüngste für eine zweite Karriere. Was haben Sie noch für Ziele?
Sergio Peter: Eigentlich ist 26 kein Alter, aber im Fußball ist es anders. Da kommen Spieler mit 17, 18, 19 in die Bundesliga mit einer enormen Qualität. Die überholen dich dann halt irgendwann. Aber ich hab mir geschworen, es noch einmal zu versuchen. Ich sammle Spielpraxis, auch wenn es auf verhältnismäßig niedrigem Niveau ist. Es ist mein größter Wunsch, nochmal die Chance im Profigeschäft zu bekommen. Ich habe ja bewiesen, dass ich es kann. Ich wurde 2006 zum besten Nachwuchsspieler der Premier League gewählt. Ein bisschen Talent steckt ja immer noch in mir.
SPOX: Fühlen Sie sich nun vollständig fit und geheilt?
Sergio Peter: Absolut! Ich fühle mich gut und bete dafür, dass im Sommer einer bei mir anklopft und sagt: "Komm Sergio, du bekommst nochmal eine Chance!"