Der Fehlschuss von Sergio Ramos gegen Bayern München ging in die Geschichte ein. Der Verteidiger von Real Madrid spricht im Interview über die Folgen des Elfmeterdramas, seine Rolle als Anführer und die Rivalität zum FC Barcelona. Außerdem verrät er, was den wahren Sergio Ramos ausmacht und was dieser von einem Stierkämpfer und Rebellen hat.
Frage: Herr Ramos, Sie sind aus Andalusien, einer Region, die für Stierkampf bekannt ist. Man sagt über Sie, sie hätten den Mut eines Stierkämpfers. Trifft das zu?
Ramos: Vielleicht wäre das früher ein Beruf, den ich in Erwägung gezogen hätte. Aber Fußball macht mich glücklicher als Stiefkampf. Aber auf eine bestimmte Art und Weise habe ich eine Verbindung zu dieser Welt, denn meine Familie und die Leute aus meinem Dorf waren alle große Stierkampf-Fans. Du wirst damit geboren. Und wenn ich auf dem Feld stehe und alles vergesse, dann habe ich tatsächlich das Gefühl, ich habe die Qualitäten eines Matadors.
Frage: Wenn wir beim Thema Mut sind, lassen Sie uns zurück an die EM 2012 denken. Waren Sie sicher, dass Sie einen Elfmeter schießen würden, trotz dieses inzwischen legendären Fehlschusses gegen Bayern München im Champions-League-Halbfinale nur zwei Monate davor?
Ramos: Ja. Es gibt Spieler, die in bestimmten Momenten totales Vertrauen in sich selbst haben, die in der Form ihres Lebens sind und eine solche Herausforderung annehmen wollen. Ich war in meiner Fußballer-Karriere immer in der Lage, mit solchen Situationen umzugehen und Verantwortung zu übernehmen. Manchmal mit mehr, manchmal mit weniger Glück. Trotzdem: Ich habe mich entschieden, den Elfmeter zu schießen und ich würde es tausendmal wieder tun.
Frage: Wie kamen Sie darauf, den Elfmeter im Panenka-Style zu lupfen?
Ramos: Ob Sie es glauben oder nicht: Das habe ich von dem Tag an geplant, an dem ich den Strafstoß gegen Bayern unglücklicherweise verschossen habe. Der Elfmeter war für meine Familie. Ich werde den Schmerz und all das Negative nie vergessen, das auf den verschossenen Strafstoß folgte. Der Elfmeter gegen Portugal war meiner Mutter und meiner Schwester gewidmet, die zwei haben immer am meisten ertragen. Sie verdienen es, dass ich ihnen einen Moment für die Ewigkeit aus meiner Karriere widme. Ich glaube, dieser war der richtige.
Frage: Wer wusste, wie Sie diesen Elfmeter schießen wollten?
Ramos: Jesus Navas, der quasi immer mit mir ein Zimmer teilt und Raul Albiol, dem ich es verraten hatte. Mit Beginn des Elfmeterschießens habe ich Raul von meinem Lupfer erzählt. Die beiden wussten es als einzige. Mit Ausnahme meines Vaters und meines Bruders, die mich sehr gut kennen. Denen hatte ich schon am Tag des Bayern-Spiels verraten, dass ich den nächsten Elfmeter auf diese Art schießen werde.
Frage: Und Ihr Trainer?
Ramos: Ich weiß nicht, ob sich der Coach daran erinnert. Aber wir haben Elfmeter sorgfältig trainiert und ich habe Vicente del Bosque vor dem Portugal-Spiel gesagt: "Trainer, wenn ich einen Elfmeter schieße, soll ich ihn dann lupfen?" Er lachte und meinte, wenn der Moment kommt, würde ich mich ohnehin nicht trauen.
Frage: Wie viel Druck haben Sie bei der Ausführung gespürt?
Ramos: Praktisch gar keinen. Ich habe schon einmal die Erfahrung eines verschossenen Elfmeters gemacht. Mit all den Nachwirkungen, die es im Fußball geben kann. Vor allem, wenn du Sergio Ramos heißt. Aber als ich traf, spürte ich ein Gefühl von großer Zufriedenheit, das die Leute um mich herum glücklich machte. Die, die in schlechten Zeiten für mich da waren. In guten Zeiten halten alle zu dir.
Frage: An diesem Tag haben Sie gegen Rui Patricio getroffen. Analysieren Sie Ihre Gegner, in diesem Fall die Torhüter?
Ramos: Du lernst sie mit der Zeit einzuschätzen. Wie sie reagieren, ob sie warten, ob sie früh losspringen... Bei Rui Patricio wusste ich mehr oder weniger, dass er sich gerne kurz vor dem Schuss für eine Seite entscheidet. Deshalb hätte ich ihn ohnehin gechippt, was auch immer er getan hätte. Im Confederations Cup, als ich gegen Buffon angetreten bin, wusste ich, dass so ein erfahrener Torhüter wie er lange warten würde. Deshalb musste ich es anders machen und bis zu seiner letzten Bewegung warten, bevor ich mich entscheide, wo ich hinschieße. Insofern gefällt es mir, meine Gegner zu analysieren.
Seite 2: Ramos über sein rebellisches Ego und Unstimmigkeiten in der Nationalelf
Frage: Glauben Sie daran, dass die mutigsten Leute belohnt werden?
Ramos: Das sagt man so. Ich hatte bei so etwas nie ein Problem. Ich glaube daran, dass man in schlechten Zeiten am meisten lernt und dass Fehler dich stärker machen.
Frage: Sie sind immer noch jung, spielen aber schon seit Jahren für Spanien und Real Madrid. Sehen Sie sich als künftiger Kapitän Spaniens?
Ramos: Jede Person ist eigen und in dem Zusammenhang glaube ich, dass manche zum Anführer geboren sind. Darüber hinaus bekommt man diese Qualität auch durch Erfahrung, durch Spiele, durch Teamkollegen. Deshalb ist das schwer zu sagen. Ich finde, es sollte von der Meinung der Mitspieler und der Leute, die dich gut kennen, abhängen. Ich selbst halte mich für einen Fußballer, der über die Zeit viel gelernt hat. Glücklicherweise spiele ich seit Jahren auf Top-Level, sowohl im Verein als auch für Spanien, worauf ich enorm stolz bin. Hoffentlich hält sich mein Name lang in der Geschichte dieses wundervollen Spiels.
Frage: Sie haben etwas von einem Rebellen an sich. Würden Sie das auch selbst über sich sagen?
Ramos: Ich war mir immer im Klaren darüber, was ich machen will, was ich mir wünsche und war mir nicht gefällt. Da ist klar, dass man nicht immer mit jedem auskommt. Aber die Leute, die mich kennen, können mich einschätzen. Sie wissen, dass ich immer meine Meinung sage und ihnen sage, was ich denke - ob es ihnen gefällt oder nicht.
Frage: Die Real-Spieler hatten mit denen von Barcelona 2011 so ihre Probleme. Unter anderem dank Ihnen wurden diese vor der Europameisterschaft 2012 gelöst. Sind Sie sich Ihrer Führungsrolle innerhalb der Mannschaft bewusst?
Ramos: Alle haben dazu beigetragen, dass es gelöst wurde. Man sagte, ich hätte ein Problem mit Gerard Pique, hatte ich aber nie. Ich werde auch nie eines haben, denn nachdem ich mittlerweile mehr Zeit mit ihm verbracht habe, weiß ich, dass er ein toller Typ mit einem guten Herzen ist. Als Gruppe sind wir alle gleich, wir kämpfen für das gleiche Ziel und es wäre ein Fehler gewesen, die Atmosphäre innerhalb eines derart einzigartigen und vielversprechenden Teams zu zerstören. Das beweisen die Ergebnisse und Erfolge. In jenem Jahr haben beide Vereine viele Spiele in der Liga und im Pokal gespielt und natürlich hatten wir da alle unsere eigenen Interessen. Es ist wahr, dass es ein wenig Anspannung gab, manchmal auch ein wenig übertrieben. Aber am Ende des Tages haben wir eine Lösung gefunden, die wichtig war, und haben weitergemacht.
Frage: Was glauben Sie, wie Ihre Mitspieler Sie sehen? Sowohl bei Real Madrid als auch im Nationalteam oder bei den gegnerischen Teams.
Ramos: Als einen ehrbaren, hart arbeitenden Menschen, der für seine Ziele kämpft und das verteidigt, wovon er glaubt, dass es ihm gehört. Die, die mich kennen, können den Rest hinzufügen. Aber darüber hinaus begreife ich mich als guten Menschen, was meiner Meinung nach über allem steht.
Frage: Was glauben Sie, wie Sie spanische Fans und Fans von außerhalb Spaniens wahrnehmen?
Ramos: Ich fühle mich geliebt, wo auch immer ich ankomme und dafür bin ich ewig dankbar. Die Liebe der Fans und der Leute, ob Sie zu deinem Klub gehören oder nicht, ist wundervoll. Sie schätzen einen als Profi in der Welt, in der man lebt. In meinem Fall ist Fußball glücklicherweise weltweit verbreitet und damit auch die Zuneigung außerhalb von Spanien, wenn ich anderswo spiele oder auf Reisen bin. Seit all den Jahren, die ich schon für Madrid spiele, wache ich immer noch mit dem gleichen Wunsch wie am ersten Tag auf, als ich mit 19 Jahren in diese Mannschaft kam. Das hebt einen vom Rest ab: Optimistisch sein, sich nie mit dem zufrieden geben, was man in der Vergangenheit erreicht hat und zu zeigen, dass man in dieser Welt nie in der Vergangenheit leben kann.
Frage: Was ist mit dem echten Sergio Ramos? Was ist das für ein Mensch?
Ramos: Ein Familienmensch, vielleicht ein wenig romantisch. Es ist wahr, dass Leute den echten Sergio Ramos nicht kennen. Ich halte mich für den romantischsten unter meinen Geschwistern. Wir fanden es immer schwer, das gegenüber dieser Welt da draußen und der Familie gegenüber auszudrücken. Ich glaube aber, dass sie es wussten und das ist das wichtigste, gemeinsam mit Glück, was über allem steht.
Frage: Stimmt es, dass Sie als Kind gegen Ihren Bruder gespielt haben und er wegen Ihnen geblutet hat?
Ramos: In Wahrheit war ich bereits 15 und mein Bruder dürfte 23 Jahre alt gewesen sein. Er hat für eine Mannschaft aus der Umgebung von Sevilla gespielt und wir hatten ein Freundschaftsspiel. Ich habe in der Jugend vom FC Sevilla gespielt. Sie hatten ein Heimspiel und jeder aus dem Dorf war dort. Er war Mittelstürmer und ich Innenverteidiger. Er wollte mich ein bisschen provozieren und ich sagte ihm: "Pass auf, heute ist es ernst, wir haben ein Match." Er lachte nur, doch ich hab nicht mitgelacht.
Frage: Und dann kam es zum Konflikt.
Ramos: Als der Torhüter einen Abschlag machte und ich mit ausgefahrenen Ellenbogen hochstieg, traf ich ihn aus Versehen an der Lippe. Der Schiedsrichter hat nicht einmal Foul gepfiffen, obwohl er blutete. Zehn Minuten später hat der Coach gesehen, dass er keine Land sah gegen mich und nahm ihn runter mit den Worten: "Ist es dir nicht peinlich, dass dein 15-jähriger Bruder in allem besser ist als du?"
Sergio Ramos im Steckbrief
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