Simon Terodde hat den 1. FC Köln in seinen ersten beiden Spielen zu zwei wichtigen Siegen geschossen und damit die Hoffnung beim noch vor wenigen Wochen deutlich abgeschlagenen Schlusslicht wieder entbrannt. Doch warum funktioniert er jetzt plötzlich doch in der Bundesliga?
Minus mal Minus gibt Plus. Einfache Mathematik, die sich nicht zwangsläufig immer auf den Fußball übertragen lässt. Im Fall der frischen Ehe zwischen Simon Terodde und dem 1. FC Köln scheint sich diese mathematische Regel tatsächlich auf die fußballerische Realität übertragen zu lassen.
Denn die Hinrunde des Klubs und die des Angreifers nahmen einen ähnlichen Verlauf.
Die Hinrunde des 1. FC Köln
Der Effzeh startete mit riesigem Selbstvertrauen durch die Euphorie der historischen Vorsaison, an deren Ende der erste Europapokaleinzug seit 25 Jahren gestanden hatte.
Unglückliche Spielverläufe zu Beginn, bald die ersten Diskussionen um die Qualität, Kopfkino. Der Rücktritt von Sportdirektor Jörg Schmadtke, später die Entlassung von Trainer Peter Stöger, die 3:4-Niederlage gegen den SC Freiburg nach einer 3:0-Führung. Die Eigendynamik schien unaufhaltsam. Der Effzeh musste bis zum 17. Spieltag auf den ersten Saisonsieg warten und lag in der Winterpause neun Punkte hinter dem Vorletzten, dem Hamburger SV.
Die Hinrunde von Simon Terodde
Terodde startete mit riesigem Selbstvertrauen durch die Euphorie der historischen Vorsaison, an deren Ende die Verteidigung der Torjägerkanone in der 2. Liga und der Aufstieg mit dem VfB Stuttgart gestanden hatte.
Ein verschossener Elfmeter am zweiten Spieltag gegen Mainz, zahlreiche unglückliche Aktionen, Kopfbälle, die knapp neben dem Tor landeten, bald die Diskussionen um die Erstligatauglichkeit, Kopfkino. Im September und Oktober sogar viermal Kapitän, bröckelte sein Status als Stammspieler immer mehr. Bis zum Tiefpunkt, als er Mitte Dezember gegen die TSG Hoffenheim 90 Minuten auf der Bank saß, obwohl Daniel Ginczek verletzt war und im Laufe des Spiels sowohl Anastasios Donis als auch Chadrac Akolo verletzt ausgewechselt werden mussten.
Simon Teroddes Statistiken der vergangenen Saisons
Saison | Verein | Spiele | Tore |
2. Bundesliga, 2013/2014 | Union Berlin | 27 | 5 |
2. Bundesliga, 2014/2015 | VfL Bochum | 33 | 16 |
2. Bundesliga, 2015/2016 | VfL Bochum | 33 | 25 |
2. Bundesliga, 2016/2017 | VfB Stuttgart | 32 | 25 |
Bundesliga, 2017/2018 | VfB Stuttgart / 1. FC Köln | 17 | 5 |
Von Hundert auf Null in einem halben Jahr - die Parallelen der Hinserien Kölns und Teroddes sind offensichtlich. Als der häufig besungene "typische Zweitligastürmer" zur Rückrunde zu den quasi schon abgestiegenen Kölnern wechselte, schien das Signal logisch: Das Einsehen ist da, die Planung für die 2. Liga hat begonnen, sowohl aus Sicht des Vereins als auch aus Sicht des Spielers.
Köln schöpft durch den Sieg beim HSV Hoffnung
Am Samstagabend im Hamburger Volksparkstadion klang es jedoch ganz anders. "Der FC Köln ist wieder da", grölten tausende Kehlen im Gästeblock und feierten ihre Truppe.
Die hatte soeben im zweiten Rückrundenspiel den zweiten Dreier gefeiert. Nach dem emotionalen Last-Minute-Sieg im Derby gegen Borussia Mönchengladbach gelang nun tatsächlich auch ein Dreier im direkten Duell mit dem HSV, wodurch der Rückstand auf Platz 17 plötzlich nur noch drei Punkte beträgt und selbst der Relegationsplatz nur noch vier Zähler entfernt ist.
Und wie auch schon im Derby trug der Sieg einen Namen: Simon Terodde.
Der Neuzugang erzielte gegen den HSV beide Tore zum 2:0 und hat sich schon nach zwei Spielen zum personifizierten Hoffnungsträger für eine wundersame Aufholjagd entwickelt.
"Es war ein wichtiger Sieg, ganz Köln darf jetzt auch mal feiern", forderte der Matchwinner nach der Partie an den Sky-Mikros: "Ab Dienstag bereiten wir uns dann auf Augsburg vor. Wir hatten ein schweres Auftaktprogramm, das hätte auch nach hinten losgehen können. Wir haben uns in eine gute Situation gebracht, die wir natürlich noch verbessern wollen."
In zwei Spielen für Köln traf Terodde häufiger als in 15 für den VfB
Nach nur zwei Spielen im Effzeh-Trikot hat Terodde bereits mehr Treffer erzielt (drei) als in der kompletten Hinrunde beim VfB (zwei). In der klubinternen Torjägerliste steht er bereits jetzt auf Platz zwei hinter Sehrou Guirassy (vier Tore).
Ähnlich wie das Kölner Team verändert wirkt (nicht bzgl. spielerischer Klasse, aber zumindest in Sachen Hoffnung und Zuversicht), scheint auch Terodde wie verwandelt zu sein. "Ich bin kein anderer Spieler geworden", erklärte der 29-Jährige, dem die Erleichterung förmlich ins Gesicht gekleistert war: "Ich habe auch in Stuttgart meine Laufleistung eingebracht."
Mannschaftsdienlicher Stürmer
Dass Terodde keineswegs ein reiner Strafraumstürmer ist, sondern seine Qualitäten vor allem darin hat, sich für die Mannschaft aufzureiben, zeigte die Partie gegen den HSV exemplarisch. In einem zerfahrenen, spielerisch beidseitig niedrigklassigen Spiel setzte der Effzeh von Beginn auf lange Schläge. Dort machte die neue Nummer 9 die Bälle gut fest oder leitete sie per Kopf auf Yuya Osako weiter, der so unter anderem in der 11. Minute in eine gute Abschlusssituation kam, diese jedoch verdaddelte.
Darüber hinaus ließ sich Terodde auch häufig ins Mittelfeld fallen und setzte defensiv selbst zu Befreiungsschlägen an. Einen reinen Strafraumstürmer konnte er bei dem Spielverlauf gar nicht geben - zu selten waren die Gäste in der Lage, sich wirklich in den Sechzehner zu kombinieren.
Die Statistiken stützen den positiven Eindruck von der aufopfernden Spielweise Teroddes: Der Angreifer führte beim Effzeh mit großem Abstand die meisten Zweikämpfe (22) und gewann 54,5 Prozent davon. Zudem legte er eine Laufstrecke von 11,14 km zurück. Auf dem Rasen rissen nur Salih Özcan (11,5), Jonas Hector (11,2) und Aaron Hunt (11,54) eine größere Distanz herunter.
Warum funktioniert Terodde plötzlich wieder?
Unter dem Strich sind es in der Situation des Effzeh und der persönlichen Situation Teroddes aber doch die nackten Ergebnisse, die zählen. Und die hat der Stürmer mit seinen Toren der Mannschaft bislang beschert.
Ein Hype um die Person Terodde ist freilich verfrüht. Sowohl er als auch das Team müssen über die komplette Rückrunde konstant abliefern, wenn sie die Scharte der Sechs-Punkte-Hinrunde auswetzen und den Klassenerhalt noch schaffen wollen. Dennoch drängt sich durch die aufgekeimte Hoffnung die Frage auf, woran es eigentlich liegt, dass der 29-Jährige plötzlich wieder knipst.
Womöglich ist es die Spielweise der Kölner, die Terodde entgegenkommt. Der blanke Abstiegskampf und der damit verbundene Fokus auf Körperlichkeit, lange Bälle, Flanken und Standardsituationen (sowohl gegen Gladbach als auch beim 1:0 gegen den HSV traf Terodde nach Flanken) liegt ihm als Spielertyp.
Womöglich ist es auch Karma, das nach der völlig glückbefreieten Hinrunde wieder vor die Füße Teroddes und der Kölner fällt. Oder es ist doch nur einfache Mathematik.