Sechster Sieg aus dem sechsten Spiel: Die deutsche Nationalmannschaft hat Hansi Flick den alleinigen Startrekord als Bundestrainer beschert. Nach einer emotionalen Verabschiedung von Weltmeistercoach Joachim Löw behauptete sich das DFB-Team vor ausverkauftem Haus in der Wolfsburger VW-Arena eindrucksvoll mit 9:0 (4:0) gegen Liechtenstein.
Eine früher, aber berechtigter Platzverweis für den Liechtensteiner Jens Hofer nach einem rüden Kung-Fu-Tritt im eigenen Strafraum gegen Leon Goretzka (9.) brachte die deutsche Elf vor 26.000 Zuschauern schnell auf die Siegerstraße. "Es geht ihm gut. ich gehe davon aus, dass er mit nach Armenien reisen kann", sagte Flick über Goretzka.
Ilkay Gündogan verwandelte den fälligen Strafstoß sicher (11.), im Anschluss trugen sich noch Leroy Sane (22., 49.), Marco Reus (23.), Thomas Müller (76., 86.) und Ridle Baku (80., 89.) in die Torschützenliste ein. Zudem traf der Liechtensteiner Daniel Kaufmann ins eigene Netz (20.).
Damit baute das DFB-Team seine unanfechtbare Spitzenposition in WM-Qualifikationsgruppe J weiter aus. Vor dem letzten Gruppenspiel gegen Armenien (Sonntag, 18 Uhr) hat Flicks Elf nunmehr 24 Punkte auf ihrem Konto.
"Natürlich bin ich zufrieden. Mich freut, dass Jogi bei seinem Abschied neun Tore gesehen hat, die Stimmung war einfach fantastisch. Das war das dritte Heimspiel, das wir hatten in der Art. Die Mannschaft und die Fans, das ist eine gute Kombination. Wir freuen uns über die Qualität, jeder einzelne will in diese Mannschaft rein, das macht es uns einfach. Es ist enorm wichtig, dass jeder die Art und Weise wie wir spielen wollen mitgeht, und den Eindruck haben wir", so Flick bei RTL.
Müller ergänzte: "Man muss natürlich immer ein bisschen relativieren, dass wir keine extrem schwierigen Gegner in unserer Gruppe haben. Aber wir wollten immer das nächste und das nächste Tor, man kann von einem tollen Abend sprechen."
"Es war einfach schön", meinte Marco Reus: "Aber wie nah wir an der Weltspitze sind, kann man jetzt nicht sagen, die Gegner waren nicht auf dem Niveau, auf dem wir gefordert sein werden. Solche Spiele sind trotzdem gut, weil du Automatismen einstudieren kannst, so wie heute hat es Spaß gemacht."
Deutschland - Liechtenstein: Die Analyse
Flick musste aufgrund einiger verletzungs- oder coronabedingter Ausfälle gerade seine Offensive umstrukturieren. Der 56-Jährige entschied sich zunächst für eine Angriffsreihe ohne klassischen Mittelstürmer: An vorderster Front wirbelte neben Müller, Sane und Reus auch der nachnominierte Wolfsburger Baku.
Tatsächlich agierte - spätestens nach dem frühen Platzverweis - aber die gesamte deutsche Mannschaft tief in des Gegners Hälfte. Es entwickelte sich früh ein einseitiges Spiel, in dem der Außenseiter ausschließlich mit Defensivarbeit beschäftigt war. Nach 23 Mintuen stand es nach mehreren guten, weil zielstrebigen Angriffen mit guten Chipbällen oder Hereingaben hinter die letzte Liechtensteiner Linie bereits 4:0.
Erstmals überquerten die Gäste die Mittellinie nach knapp 40 Minuten. Flick reagierte bereits zur Pause und nahm aus Gründen der Belastungssteuerung Goretzka und Hofmann für Neuhaus und Debütant Nmecha vom Feld. Baku orientierte sich daraufhin auf die Rechtsverteidigerposition. Am Spiel der Hausherren änderte sich dadurch nichts.
Mit viel Spielfreude und Dynamik rollte ein Angriff nach dem anderen auf das Tor des Liechtensteiner Keepers Büchel zu. Am Ende stand es 9:0 - und damit waren die Gäste noch gut bedient. Einzig der ausbaufähige Umgang mit den eigenen Torchancen sowie die letzte Präzision beim letzten Pass verhinderten einen noch höheren Sieg.
gettyDeutschland - Liechtenstein: Die Aufstellungen
Deutschland: Neuer - Hofmann (45. Nmecha), Kehrer (72. Ginter), Rüdiger, Günter - Goretzka (45. Neuhaus), Gündogan (64. Arnold) - Baku, Müller, Sane (64. Volland) - Reus
Liechtenstein: B. Büchel - S. Wolfinger (83. Brändle), Malin, Kaufmann, Hofer, Goppel - Sele (83. M. Büchel), Frommelt, Hasler - Y. Frick (29. F. Wolfinger, 69. Meier), Salanovic (69. Grünenfelder)
Deutschland - Liechtenstein: Die Daten zum Spiel
Tore: 1:0 Gündogan (11.), 2:0 Kaufmann (Eigentor, 20.), 3:0 Sane (22.), 4:0 Reus (23.), 5:0 Sane (49.), 6:0 Müller (76.), 7:0 Baku (80.), 8:0 Müller (86.), 9:0 Baku (89.)
Bes. Vorkommnisse: Platzverweis für Hofer (9.)
- Das Durchschnittsalter der deutschen Startelf betrug 29 Jahre und 11 Tage - die älteste seit dem 1:1 gegen Rumänien im ersten Spiel der EURO 2000 (30 Jahre und 86 Tage).
- Mit seinen Treffern 41 und 42 egalisierte Müller die Tor-Marke von Michael Ballack im DFB-Team.
Der Star des Spiels: Leroy Sane (Deutschland)
Sane präsentierte sich einmal mehr in überragender Verfassung und war nicht nur wegen seines Doppelpacks der mit Abstand umtriebigste Angreifer der Flick-Elf. Nach 23 Pflichtspielen für Verein und Nationalmannschaft in dieser Saison stehen für den Bayern-Star 23 Torbeteiligungen (12 Tore, 11 Assists) zu Buche.
Der Flop des Spiels: Jens Hofer (Liechtenstein)
Der Profi des Schweizer Erstligisten Biel-Bienne erwies seinen Kollegen mit seinem überzogenen, gesundheitsgefährdenden und mit Rot geahndeten Einsteigen gegen Goretzka einen Bärendienst. Immerhin: Hofer entschuldigte sich bei seinen Mitspielern - und Goretzka.
Der Schiedsrichter: Ivana Martincic
Die seit 2014 als FIFA-Schiedsrichterin aktive Kroatin avancierte zur ersten Frau, die ein Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft leiten durfte - und sie machte ihre Sache sehr gut. Martincic entschied nach Hofers Tritt gegen Goretzka völlig zu Recht auf Platzverweis für den Underdog und bewies auch bei anderen Entscheidungen ein glückliches Händchen. Eine solide Leistung in einem Spiel, das ob des klaren sportlichen Verlaufs spätestens ab der 25. Minute von wenigen hitzigen Szenen lebte.