Hertha BSC steckt nach dem 1:4 gegen Werder Bremen mitten im Abstiegskampf. Und das Aus von Trainer Bruno Labbadia soll bereits beschlossene Sache sein. Dies dementierte er jedoch am späten Samstagabend.
"Bis jetzt habe ich die Menschen hier in Berlin so kennen und schätzen gelernt, dass man zu mir kommt, bevor man mit solchen Sachen an die Öffentlichkeit geht. So ein klares Verhältnis haben wir miteinander", sagte der 54-Jährige auf der verspätet am Samstagabend stattfindenden Pressekonferenz nach der deutlichen Niederlage gegen Werder Bremen.
Die Verspätung der PK sei jedoch "auf gar keinen Fall" zustande gekommen, weil im Hintergrund bereits Gespräche mit den Hertha-Verantwortlichen geführt wurden, wie Labbadia betonte. Auch hatte der Hertha-Trainer eine Gegenfrage für die Journalisten in petto.
"Haben Sie das Gefühl, dass wir die vergangenen drei Spiele so gespielt haben, dass man da keine Hoffnung haben kann?", fragte Labbadia. Der angesprochene Journalist verneinte - und so sähen das auch alle im Verein, fügte Labbadia an: "Wir wissen, dass wir hinter den Erwartungen geblieben sind. Wir müssen uns Kritik stellen."
Es sei aber auch wichtig, die Art und Weise der vergangenen drei Spiele mit nur einem Punkt, einem eigenen Tor und sieben Gegentoren zu sehen. "Ergebnis scheiße, ja. Aber die Anlagen und wie wir den Gegner dominiert haben, das hat sich dort leider nicht niedergeschlagen."
Hertha BSC: Labbadia vor dem Aus - kommt Dardai geht wohl auch Preetz
Zuvor hatte die Bild-Zeitung berichtet, dass die Entlassung Labbadias bereits beschlossene Sache sei. Kandidat für die interimistische Übernahme der Mannschaft sei demnach Pal Dardai, der nach seiner Entlassung als Cheftrainer nach der Saison 2018/19 und einem Sabbat-Jahr dem Klub treu blieb und die U16 der Hertha sowie die Koordination der Talentförderung übernahm.
Auch der kicker berichtete über eine mögliche Dardai-Rückkehr. Intern sollen die Hertha-Bosse diese Interimslösung "seit Tagen" diskutieren. Sollte dieser Fall eintreten, wäre dies nach kicker-Informationen gleichbedeutend mit dem Aus von Sportgeschäftsführer Michael Preetz, da dieser mit Dardai als Cheftrainer 2019 nicht mehr weitermachen und stattdessen durch einen neuen Trainer für spieleriche Weiterentwicklung sorgen wollte.
Preetz dementierte im Aktuellen Sportstudio eine Trennung von Labbadia: "Also bitte. Ich stehe hier im Stadion unmittelbar nach dem Spiel. Wir haben in der Kabine zusammengesessen und haben nicht über irgendwelche Entscheidungen diskutiert. Insofern kann ich das nicht bestätigen." Die letzten Spiele bezeichnete er aber als "eine einzige Enttäuschung".
Labbadia ist seit Dardai der vierte Trainer, der sich in der Hauptstadt seit der turbulenten Saison 2019/20 versucht. Bei Sky live auf den Bild-Bericht angesprochen reagierte Labbadia sachlich.
"Das macht mit mir momentan erstmal gar nichts. Ich weiß, dass uns allen gerade die Argumente fehlen. Wenn die Ergebnisse nicht da sind, ist der Trainer in der Kritik. Dass wir da Hiebe bekommen, ist ganz normal. Man wird zum Wohle des Vereins entscheiden", sagte er, der sich zunächst lieber Luft über "eine Scheißsituation" und "ein Scheißgefühl" gemacht hatte.
Hertha muss inzwischen ernsthaft den Abstieg fürchten. Der Kredit für Labbadia, der die Berliner vor einem Jahr in einer schwierigen Lage zum Klassenerhalt geführt hatte, ist wohl aufgebraucht.
Labbadia streicht Lukebakio - Cunha vergibt Elfer klärglich
In einem hektischen und kampfbetonten Spiel erzielte der Ex-Herthaner Davie Selke für Werder mit einem verwandelten Foulelfmeter das 1:0 (10.). Zehn Minuten später bekam auch Hertha einen zweifelhaften Strafstoß zugesprochen, doch der angeblich gefoulte Matheus Cunha vergab kläglich.
Verteidiger Ömer Toprak besorgte nach einer Ecke per Kopf das 2:0 (29.) für die Gäste. Jhon Cordoba gelang zwar noch der 1:2-Anschlusstreffer (45.+2) für Hertha, doch Leonardo Bittencourt sorgte mit dem 3:1 (57.) wieder für klare Verhältnisse. Josh Sargent (77.) erhöhte in der Schlussphase. "Wir waren sehr effektiv", meinte Bremens Maximilian Eggestein.
Nicht nur Labbadia steht stark unter Druck. Vor dem Anpfiff hatten rund 250 Menschen auf einer bei der Polizei angemeldeten Demonstration den Rücktritt von Managers Michael Preetz und dessen großen Fürsprecher, Präsident Werner Gegenbauer, gefordert.
Labbadia ging bei der Aufstellung ein Risiko ein. Der Hertha-Coach verhalf dem erst 17 Jahre alten Linksverteidiger Luca Netz zum Startelf-Debüt, dafür strich er Angreifer Dodi Lukebakio aus sportlichen Gründen aus dem Kader. "Manchmal geht es darum, aufzuwecken und keine Angst zu haben, solche Dinge zu machen", begründete Labbadia.
Hertha BSC: Cordobas Hoffnungsschimmer währt nur kurz
Hertha brachte sich jedoch erneut selbst in Schwierigkeiten. Maximilian Mittelstädt grätschte völlig unnötig im eigenen Strafraum und traf Romano Schmid klar am Fuß - Elfmeter. Selke verwandelte mit einem sehenswerten Schuss in den Winkel und feierte das Tor gegen seine ehemaligen Teamkollegen ausgelassen. Der Stürmer musste jedoch offenbar am Oberschenkel verletzt bereits nach einer halben Stunde ausgewechselt werden.
Nach Cunhas vergebenen Strafstoß rannten die Berliner das Bremer Tor an - doch auch den zweiten Treffer schossen die Gäste nach einer Ecke. Die Berliner antworteten mit wütenden Angriffen und wurden in der Nachspielzeit der ersten Hälfte mit dem Anschluss durch Cordoba, der den Ball nach einer Flanke von Peter Pekarik wuchtig in die Maschen köpfte, belohnt.
Auch nach dem Seitenwechsel setzten die Berliner angetrieben vom nimmermüden Cunha die Bremer stark unter Druck. Werder kam nur noch selten zu Entlastungsangriffen und musste in der 51. Minute den Ausfall des bis dahin so sicheren Abwehrchefs Toprak verkraften. Bremen verunsicherte das aber nicht, das Tor zum 3:1 war zudem sehenswert herausgespielt.
Hertha BSC - Werder Bremen: Die Aufstellungen
- Hertha BSC: Schwolow - Pekarik (64. Piatek), Stark, Alderete, Netz - Tousart (64. Redan), Guendouzi - Darida, Cunha, Mittelstädt - Cordoba
- Werder Bremen: Pavlenka - Veljkovic, Toprak (51. Moisander), Friedl - Gebre Selassie, Maximilian Eggestein, Agu - Bittencourt, Mbom (51. Rashica) - Selke (32. Sargent), Schmid (85. Osako)