Mit dem Mute der Verzweiflung hat Schalke 04 im Kampf um den Klassenerhalt einen Befreiungsschlag gelandet und erstmals seit sechs Monaten die direkten Abstiegsplätze verlassen. Beim Gegner wackelt der Trainer mittlerweile bedenklich.
Die Königsblauen setzten sich im hart umkämpften Kellerduell gegen Hertha BSC mit 5:2 (2:1) durch, gaben die Rote Laterne an die Berliner ab und kletterten erstmals seit Anfang Oktober auf Rang 16.
"Es stand viel auf dem Spiel, der Druck war groß, aber wir haben ihm standgehalten. Wir hatten eine gute Spielkontrolle, das hat uns Sicherheit gegeben", sagte Schalkes Doppelpacker Marius Bülter bei DAZN. Der Sieg gebe "Selbstvertrauen, aber wir wissen, dass wir noch nichts erreicht haben."
Tim Skarke (3.), Bülter (13., 78.), Simon Terodde (48.) und Marcin Kaminski (90.+2) erzielten die Tore für die Gelsenkirchener, die nach zwei Niederlagen mit 0:5 Toren mit dem Rücken zur Wand gestanden hatten. Der VfB Stuttgart könnte mit einem Punktgewinn am Samstag (15.30 Uhr/Sky) gegen Borussia Dortmund aber wieder vorbeiziehen. Für die vor allem in der Defensive schwache Hertha trafen Stevan Jovetic (45.+3) und Marco Richter (84.). Nach dem sechsten Spiel in Folge ohne Sieg rückt der erste Abstieg der Berliner seit elf Jahren immer näher.
Benjamin Weber hat derweil eine Jobgarantie für Trainer Sandro Schwarz vermieden. "Wir werden jetzt nach Hause fahren, es natürlich analysieren, mit allen sprechen. Aber natürlich ist es, dass wir jetzt jeden Stein umdrehen werden", sagte der BSC-Sportdirektor bei DAZN: "Wir sind brutal enttäuscht und werden die nächsten Tage richtig eins auf die Nase kriegen."
Hertha BSC: "Falscher Moment" für Diskussion um Sandro Schwarz
Es sei "jetzt der falsche Moment, eine Personaldiskussion loszutreten", führte Weber aus. Schwarz selbst nahm die Aussagen mit Fassung. "Ich bin Teil der Gruppe und hauptverantwortlich dafür. Ich bin in der Verantwortung, wir sind auf Tabellenplatz 18. Dass sich Benjamin Weber so äußert, ist völlig legitim."
Er wolle es "sacken lassen und eine Nacht drüber schlafen", sagte Schwarz: "Dann gilt es das zu analysieren, was wir nicht gut gemacht haben." Auch ohne Distanz zum Spiel war für den Trainer klar: "Das Defensivverhalten hat uns das Genick gebrochen. Es waren viel zu viele Fehler, die sofort bestraft wurden."
Weber betonte derweil immer wieder, dass man eine "klare" Herangehensweise habe, ohne diese näher zu definieren. "Wir hatten so viele Wechsel, wir brauchen Ruhe im Verein", sagte er. Dies sei mit sportlichem Erfolg deutlich leichter.
Für Herthas Abwehrspieler Marvin Plattenhardt war es "in vielen Bereichen keine Leistung", schimpfte er: "Wir waren in den Zweikämpfen nicht da, hatten defensiv Fehler und Probleme". Dass sein Team fünf Gegentreffer von Schalke kassiere, sei "unfassbar".
Bundesliga: Die Tabellensituation im Abstiegskampf
Platz | Team | Sp. | Tore | Diff | Pkt. |
13. | Augsburg | 27 | 35:50 | -15 | 29 |
14. | Hoffenheim | 27 | 37:46 | -9 | 28 |
15. | Bochum | 27 | 30:60 | -30 | 26 |
16. | Schalke 04 | 28 | 26:52 | -26 | 24 |
17. | Stuttgart | 27 | 32:47 | -15 | 23 |
18. | Hertha BSC | 28 | 33:55 | -22 | 22 |
Schalke - Hertha: S04 gnadenlos effektiv
Schalke-Coach Thomas Reis hatte nach der 0:2-Pleite bei der TSG Hoffenheim sein Team auf fünf Positionen verändert: Unter anderem kehrte Abwehrstabilisator Moritz Jenz, mit dem die Königsblauen noch nicht verloren hatten, nach Oberschenkelproblemen zurück, Zweitliga-Rekordtorjäger Terodde stand erstmals seit über zwei Monaten wieder in der Startelf, Kapitän Danny Latza ersetzte auf der Sechs überraschend U21-Nationalspieler Tom Krauß. Außerdem fiel Abwehrchef Maya Yoshida aus. Hertha-Trainer Schwarz stellte gegenüber dem 0:1 gegen RB Leipzig nur zweimal um: Richter begann auf der rechten Außenbahn, Jovetic als zweiter Stürmer.
Nach genau einer Minute war die Luft schon raus - der Ball musste, rekordverdächtig früh, ausgewechselt werden. Der neue Ball war anderthalb Minuten später bereits im Tor: Skarke traf von der Strafraumgrenze die Unterkante der Latte - sein erster Treffer für Königsblau. Angetrieben vom Ex-Schalker Kevin-Prince Boateng, der den Ball schnell zum Anstoßpunkt trug, reagierte die Hertha mit wütenden Angriffen.
Doch Schalke war gnadenlos effektiv: Nach einer Maßflanke von Skarke köpfte Bülter völlig unbedrängt zum 2:0 ein. Auf der Gegenseite scheiterte Jovetic an Torhüter Ralf Fährmann, der den Ball an den Pfosten lenkte (22.). Doch die Gastgeber erkämpften sich ein Übergewicht, die Hertha-Abwehr wackelte bedenklich. Schwarz reagierte und wechselte schon nach 25 Minuten Tolga Cigerci gegen den Ex-Schalker Suat Serdar aus. Doch zunächst änderte sich wenig: Dominick Drexler verpasste per Kopf das mögliche 3:0 (32.).
Dann musste Fährmann mit einer Oberschenkelverletzung vom Feld - und die Hertha-Leihgabe Alexander Schwolow erstmals in der Rückrunde wieder zwischen die Schalker Pfosten (36.). Der erste Schuss war gleich drin: Jovetic traf in den Winkel.
Nach dem Seitenwechsel stieg der Lärmpegel, als Terodde sein erstes Tor seit über fünf Monaten erzielte. Der Aufstiegsheld, der seinen Abschied zum Saison angekündigt hatte, traf nach Vorarbeit des eingewechselten Kenan Karaman. Den Schlusspunkt setzte Kaminski mit einem sehenswerten Freistoß.
Schalke 04 - Hertha BSC: Die Stimmen
Thomas Reis (Trainer Schalke 04): "Wir kamen in beide Halbzeiten sehr gut rein, die beiden frühen Tore haben uns sehr geholfen. Der Druck war immens, ich wollte ihn auf mehrere Schultern verteilen. Die Mannschaft hat sehr viel investiert, es ist sehr wichtig, die drei Punkte hier zu behalten."
Sandro Schwarz (Trainer Hertha BSC): "Wir haben einfach in der Summe viel zu schlecht verteidigt, die Gegentore in hohem Maße mit unserem Zweikampfverhalten mitverschuldet. Wir hatten immer mal Phasen, wo wir dran waren, haben aber verdient verloren."
Schalke 04 - Hertha BSC: Die Daten zum Spiel
Schalke: Fährmann (36. Schwolow) - Brunner (71. Uronen), Jenz, Kaminski, Matriciani - Latza, Kral - Skarke (46. Karaman), Drexler (65. Krauß), Bülter - Terodde. - Trainer: Reis
Berlin: Christensen - Uremovic, Kempf, Dardai (55. Ngankam) - Richter, Cigerci (26. Serdar), Plattenhardt - Tousart, Kevin-Prince Boateng (62. Kanga) - Lukebakio, Jovetic. - Trainer: Schwarz
Schiedsrichter: Dr. Felix Brych (München)
Tore: 1:0 Skarke (3.), 2:0 Bülter (13.), 2:1 Jovetic (45.+3), 3:1 Terodde (48.), 4:1 Bülter (78.), 4:2 Richter (84.), 5:2 Kaminski (90.+2)
Zuschauer: 61.981 (ausverkauft)
Gelbe Karten: Krauß (5), Jenz (4) - Kevin-Prince Boateng (3), Ngankam (4), Uremovic (5)