Wenn Lionel Messi im Sportzentrum Cidade do Galo auf den Trainingsplatz marschiert, kommt er Gott ganz nah. Auf einem riesigen Poster zusammen mit der Albiceleste lächelt Papst Franziskus dem argentinischen Fußball-Messias milde zu.
Keine Frage, der irdische Stellvertreter Jesu Christi, als Jorge Mario Bergoglio in Buenos Aires geboren, wird bei der WM wohl für höchsten Beistand sorgen - aber reicht das, um endlich den Titel zu holen?
Messi will sich nicht darauf verlassen. Bei Argentinien hört jetzt alles auf sein Kommando.
"Er ist der beste Spieler der Welt und einer der besten aller Zeiten - egal, was hier bei der WM noch passiert", sagt Argentiniens Nationaltrainer Alejandro Sabella brav über seinen Superstar. Doch die Lobhudelei vor dem zweiten Auftritt Messis in Gruppe F gegen den Iran kann den Riss zwischen Trainer und Kapitän nicht wirklich kitten. Das Verhältnis zwischen Sabella und Messi ist nach dem etwas schmeichelhaften 2:1 zum Auftakt gegen Bosnien-Herzegowina angespannt.
Sabella beleidigt
Sabella ist beleidigt, seitdem Messi öffentlich und unverhohlen Kritik an dem defensiven 5-3-2-System der Argentinier zu Beginn gegen die Bosnier geübt hatte. In der Halbzeit hatte Messi gezürnt und die Umstellung auf das gewohnte 4-3-3 gefordert.
Die argentinische Zeitung Clarin schrieb von einem "konzeptionellen Kampf" zwischen Sabella und den "Fantastischen Vier" - Gonzalo Higuain, Sergio Agüero, Angel di Maria und eben Anführer Messi. In Argentinien geht niemand davon aus, dass sich Sabella noch einmal dem Willen des Heilbringers widersetzen wird - Messi der Mächtige.
Martin Demichelis, der ehemalige Innenverteidiger des FC Bayern, sah sich jetzt sogar genötigt, die aufkommenden Wogen wieder zu glätten. "Hier ist Sabella der einzige Entscheidungsträger. Es herrscht eine große Harmonie in der Mannschaft", sagt er. Doch es glaubt eigentlich keiner daran, wenn Demichelis meint: "Die Gruppe steht über dem Individuum."
Letzte Chance auf Titel
Das mag vielleicht für andere Mannschaften gelten - aber nicht für Argentinien. Hier hat nur Rebell Messi das Wort. Wie damals Franz Beckenbauer 1974 reißt nun der "Floh" vom FC Barcelona die Macht an sich. Denn der fast 27-Jährige weiß: Es ist wohl seine letzte Chance, endlich den WM-Pokal in die Höhe zu stemmen und damit endgültig aus dem Schatten von Diego Maradona zu treten. Der Weltmeister von 1986 erhöhte schon einmal den Druck vor dem Iran-Spiel: "Argentinien muss sich steigern."
Und damit meinte Maradona wohl vor allem Messi. Dessen Genialität blitzte gegen Bosnien nur einmal auf - dann aber richtig. "Dieses Tor war des Maracanã würdig", schwärmte sogar Brasiliens Idol Zico. Im defensiveren System von Sabella habe er sich "allein" gefühlt und "sehr gelitten", meckerte Messi. Jetzt wird nach seinen Vorstellungen gespielt. "Das gibt uns mehr Möglichkeiten", sagt Messi - der Mächtige.