Hurra, das ganze Dorf ist da!

Benedikt Treuer
15. August 201415:58
Normalerweise sehen die Zuschauer in Waldalgesheim Verbandsliga-Fußballspox
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Selbstbewusstsein? Grenzenlos. Bock auf Fußball? Am absoluten Limit. Bierduschen? In Perfektion! Die Verbandsliga-Kicker des SV Alemannia Waldalgesheim erleben nach dem Gewinn des Bitburger Verbandspokals Südwest ihre Premiere in der ersten Hauptrunde des DFB-Pokals. Dort wartet mit Bayer Leverkusen ein Champions-League-Qualifikant. Trotzdem - oder vielleicht gerade deshalb - nimmt der sympathische Underdog kein Blatt vor den Mund.

ARD-Moderator Alexander Bommes und Lospate Horst Hrubesch blickten sich etwas verlegen an: Keiner von beiden wusste bei der Pokal-Auslosung so recht, wie der Erstrundengegner von Bayer Leverkusen auszusprechen sei. "Ihr Lieblingsname", scherzte Bommes in Richtung Hrubesch und erklärte weiter: "Horst hat geübt, den ganzen Nachmittag."

Wirklich einig über die richtige Betonung waren sich der Moderator und der U-21-Coach des DFB nicht, die Verantwortlichen des SV Alemannia Waldalgesheim bekamen das im Jubelsturm aber gar nicht mit. "Das ganze Team hat Vereinsgeschichte geschrieben. Dazu ein so klangvoller Name wie Bayer Leverkusen - das ist einfach geil!", fasste Reinhard Schenk, Vorsitzender des Vereins, die Gemütslage in Worte.

Zwar kommen nicht die Bayern oder der BVB, ein Qualifikant der Champions League ist im Südwesten des Hunsrücks aber trotzdem ein willkommener Gast. Beim Public Viewing in der Vereinsgaststätte riss es daher alle von den Sitzen. Die erste Kampfansage folgte prompt: "Ich sage es mal so: Die Chancen stehen bei 50:50. Möge der Bessere gewinnen", sagte Heilsbringer Olli Hoch. Er hatte den SVA durch ein Traumtor in den DFB-Pokal geschossen.

Traumlos für den Underdog

Zufrieden war aber nicht nur der Außenseiter. "Das ist sicherlich ein gutes Los für uns. Ich denke, wir sollten einen ersten Schritt in eine hoffentlich erfolgreiche Pokalsaison mit Zielrichtung Berlin hinlegen", kommentierte Bayer-Geschäftsführer Michael Schade die Auslosung. "Leverkusen hat einen neuen Trainer verpflichtet. Roger Schmidt wird gegen uns seine Premiere haben", weiß dagegen Alemannia-Trainer Andre Weingärtner, dass die Begegnung auch für Bayer keine gewöhnliche ist: "Das sind viele Dinge, die so zusammenpassen, dass es für uns ein absolutes Traumlos ist."

Allein die Tatsache, dass die Alemannia den Landespokal erreicht hat, gleicht im Südwesten einer Sensation. Verdient ist es aber allemal: Mit dem SVN Zweibrücken und dem VfR Wormatia Worms warf der SVA gleich zwei Regionalligisten aus dem Südwest-Pokal. Seither ist der Wirbel um die Jungs aus Waldalgesheim riesengroß.

"Wir sind natürlich sehr froh und glücklich, dass es so ein hochkarätiger Gegner wurde. Man konnte ja nicht davon ausgehen, dass es ein Bundesligist aus den ersten Vieren wird", freut sich Weingärtner über die Spielansetzung. Zusammen mit seinem Co-Trainer Pascal Rück übernahm er den Verbandsligisten vor zwei Jahren und führte ihn prompt in die Oberliga.

In diesem Jahr verpasste das Team durch eine Niederlage gegen den FC Saarbrücken II am letzten Spieltag den Klassenerhalt. Der SVA muss den Gang zurück in die Verbandsliga antreten, jedoch tröstet der Einzug in den DFB-Pokal darüber hinweg. Ganze fünf Ligen trennen den Dorfverein somit vom Bundesligisten.

Zwei verschiedene Welten

Viele Gedanken an einen Sieg verschwendet man in Rheinland-Pfalz daher nicht. Ohnehin stellt die Partie ein klassisches David-gegen-Goliath-Szenario dar. Geschätzte 50 Millionen Euro stehen der Werkself als Saisonetat zur Verfügung - für den Verbandsligisten sind das astronomische Summen, über die man munter scherzt.

"Bezüglich des Gehalts habe ich mit dem Vorstand bereits neu verhandelt. Die Gespräche laufen und stehen kurz vor dem für beide Seiten zufriedenstellenden Abschluss", schmunzelt Marcel Fennel, Kapitän der jungen Mannschaft: "Aber Spaß beiseite, das kann man natürlich alles gar nicht miteinander vergleichen", ist sich der Spielführer bewusst, dass im August zwei Welten aufeinandertreffen.

Gerade einmal 4.000 Einwohner weist die Gemeinde Waldalgesheim im Landkreis Mainz-Bingen auf. Nicht einmal die Hälfte derer fände im heimischen Stadion an der Waldstraße Platz (die einzige Sitzplatztribüne fasst 150 Plätze) - gegen einen Champions-League-Teilnehmer deutlich zu wenig.

"Das ganze Dorf wird kommen", ist sich Reinhard Schenk sicher. Insgesamt hofft er auf eine fünfstellige Zuschauerzahl. Entsprechend dankbar ist man daher um die Kooperation mit Mainz 05, das dem SVA für das Pokalspiel das Bruchwegstadion (knapp 40 Kilometer Entfernung) vermietet.

Nach dem Rückbau einer der Zusatztribünen kann der SVA dort auf 13.500 Sitz- und Stehplätze zurückgreifen. Ganz gleich, wie zahlreich die Unterstützung letztlich sein wird, in einem Punkt ist sich Schenk sicher: "Die Jungs werden alles geben, um ein gutes Spiel abzuliefern."

Auf die große Bühne vorbereiten

Neben den fußballerischen Beschlagenheiten demonstrierte das Team in den vergangenen Wochen auch seine Stärken abseits des Platzes: Der Pokalsieg wurde bei einer gemütlichen Traktorfahrt durch die Weinberge der Region begossen, weitere Liter Kaltgetränke werden auf der Abschlussfahrt am Ballermann fließen. Doch während die Spieler ihren wohlverdienten Urlaub feiern, laufen die Vorbereitungen in der Vereinszentrale auf Hochtouren: "Die ehrenamtliche Arbeit ähnelt derzeit einem Fulltime-Job", schildert Schenk: "Die Größenordnung des ganzen Events ist uns noch gar nicht bewusst."

Eine Aufgabe hat sich der Verein aber besonders fett auf die Agenda geschrieben: Um den Spielort Phantomtor-sicher vorzubereiten, müssen besondere Maßnahmen her: "Wir machen zur Sicherheit zwei Tornetze dran", sagt der Vereinsvorsitzende Bayer-Stürmer Stefan Kießling den Kampf an.

"Wir müssen das genießen"

Dass die gesamte Situation in den nächsten Wochen und Monaten auch mit einem erhöhten Medienaufkommen verbunden sein wird, macht die Verantwortlichen nach eigenen Aussagen nicht nervös: "Das ist ja so eine einmalige Sache - für den Verein, für den Kreis. Wir müssen das genießen, denn, wenn alles normal läuft, wird eine solche Situation so schnell nicht wiederkommen", sagt Trainer Weingärtner.

Bis dahin hat der Verein eine lange To-do-Liste, unter anderem Workshops beim DFB stehen an. Zeit, in der sich das kleine Dorf vom Land auf die große Bühne vorbereiten kann. Aber auch Zeit, in der die nationalen Medien den SVA auf Herz und Nieren prüfen werden.

Spätestens, wenn es Mitte August dann wirklich losgeht, wird Fußballdeutschland wissen, wie man den SV Alemannia Waldalgesheim korrekt ausspricht - auch Hrubesch: "Horst wird es für die zweite Runde lernen müssen", prophezeit Kapitän Fennel augenzwinkernd.

Alemannia Waldalgesheim im Steckbrief