Fabian Hürzeler ist eines der größten Trainertalente im deutschen Fußball. Vor einiger Zeit hat SPOX den 25-Jährigen im Interview vorgestellt. Hürzeler wird in dieser Saison vor allem ausgewählte Highlight-Spiele der Champions League für SPOX unter die Lupe nehmen.
In der dritten Folge der Taktikkolumne dreht sich aber alles um die Situation beim FC Barcelona und bei Real Madrid vor dem Clasico (Sonntag 16 Uhr LIVE auf DAZN).
FC Barcelona
Barcelona spielt in der Defensive ein sehr diszipliniertes 4-4-2. Bei der Spieleröffnung des Gegners schiebt Barca mannorientiert nach vorne, beide Stürmer bleiben bei den Innenverteidigern. Wenn sich ein Sechser zwischen die Innenverteidiger fallen lässt, schieben entweder Busquets oder Arthur sehr weit nach vorne. Barca verteidigt dann teilweise in einer Raute, in der Coutinho und Busquets weit eingezogen sind, um das Zentrum zu verdichten.
Lässt sich ein gegnerischer Stürmer ins Mittelfeld fallen, so schiebt ein Innenverteidiger sehr weit nach vorne, um den Stürmer nicht in eine offene Stellung kommen zu lassen. Aus dem Spiel heraus läuft Barcelona im 4-4-2 an, dabei ist speziell Suarez ein sehr wichtiger Faktor. Er versucht immer wieder, einen Innenverteidiger des Gegners abzukappen und ihn somit zu einem langen Ball bzw. in einen Raum zu zwingen, in dem Barcelona in Überzahl ist.
Mit dem Ball spielt Barca ein sehr flexibles System aus einer 4-3-3-Grundordnung. Meist haben sie drei Mittelfeldspieler mit Rakitic, Busquets und Arthur, die den Innenverteidigern immer wieder Passoptionen bieten. Wenn diese Spieler vom Gegner zugestellt sind, lassen sich auch mal Coutinho (oder der fitte Messi) in den freien Raum fallen, um weitere Anspielstationen zu schaffen.
Die Spieler der gegnerischen Abwehrkette können ihre Positionen meist nicht verlassen, da die Außenverteidiger Alba und Semedo/Rafinha immer wieder Tiefenläufe über die Außen machen. Folgt ein Außenverteidiger Coutinho ins Mittelfeld, so öffnet er den Raum auf seiner Seite. Bleibt er in seiner Position, kann sich Coutinho aufdrehen und das Spiel nach vorne fortsetzen. Allgemein agiert Coutinho sehr flexibel. Mal bewegt er sich von außen ins Zentrum, um Alba die Außenbahn zu überlassen, mal bewegt er sich aus dem Zentrum heraus, um die Außenbahn mit Alba doppelt zu besetzen.
Barcelona hat seine Spielweise im Vergleich zu den Jahren davor in der Hinsicht geändert, dass sie dem Gegner nun immer wieder den Ball auch mal überlassen und sehr kompakt mit zwei Viererketten verteidigen. Suarez (und Messi) sind exzellente Konterspieler, sodass Barcelona diese Spielstrategie absolut in die Karten spielt. Die Positionierung der beiden Stürmer ist meist so gewählt, dass sie sich in den Raum zwischen Innenverteidiger und Außenverteidiger stellen, um so nach Ballgewinn sofort Druck auf die gegnerische Kette ausüben zu können.
Die Barca-Probleme
Barcelona attackiert den Gegner sehr früh, beide Sechser schieben sehr mannorientiert nach vorne, um den Gegner so zuzustellen, dass sie keine flache spielerische Lösung finden können. Das Problem ist jedoch, dass die Abwehrreihe von Barcelona nicht mit nach vorne nachschiebt. So entsteht ein sehr großer Raum vor der Abwehr, der durch einen langen Ball über das Angriffspressing von Barcelona bespielt werden kann.
Zudem fehlt Barcelona die Kompaktheit, wenn der Gegner es doch mal schafft, sich aus dem Pressing spielerisch zu lösen. Eine weitere Schwachstelle in System von Barcelona sind die Halbräume, die gegen den Ball nicht gut verteidigt werden, speziell auf der Seite von Coutinho kann sich der Gegner öfter aufdrehen und eine Überzahl gegen den linken Außenverteidiger Alba ausspielen.
Wie wird das Spiel ohne Messi?
Messi in die Tiefe für Alba, der durch einen Lauf von Coutinho in die Tiefe frei wird, dann ein erneuter Rückpass zu Messi und dieser hat dann meist eine gute Torgelegenheit. Diesen Spielzug werden wir im Clasico diesmal nicht zu sehen bekommen. Wie kann Barca also den Ausfall von Messi, einen Ausfall, den kein Team kompensieren kann, doch irgendwie kompensieren?
Im Spiel gegen Inter Mailand war zu sehen, dass Barcelona die Außenverteidiger noch weiter nach vorne schiebt und das Zentrum mit fünf bis sechs Spielern besetzt. Jordi Alba hat angekündigt, seine Tiefenläufe weiterhin zu machen, auch wenn Messi nicht auf dem Platz steht - das hat er gegen Inter bereits eindrucksvoll bewiesen.
Gegen den Ball agierten sie im 4-5-1, jedoch ist der Achter Arthur immer wieder in die Spitze gegangen, um Suarez zu unterstützen und somit wurde es wieder ein 4-4-2. Klar ist aber auch, dass Barcelona nicht mehr diese Torgefahr ausstrahlt, die sie mit Messi auf dem Platz haben. Zudem bindet er immer wieder Gegenspieler und schafft so Räume für seine Mitspieler, diese müssen sie sich nun durch Kombinationen selbst schaffen.
Real Madrid
Real Madrid versucht unter Lopetegui, den Gegner sehr früh unter Druck zu setzen und ihn entweder zu risikoreichen Lösungen oder zu langen Bällen zu zwingen. Der Vorteil bei diesem Angriffspressing ist, dass sie den Ball sehr früh in einer gefährlichen Zone gewinnen und zugleich viele Spieler in dieser Zone haben, die aus dem Ballgewinn eine Tormöglichkeit kreieren können.
Der Nachteil ist, dass sich kein Spieler einen individuellen Fehler erlauben darf und die direkten Zweikämpfe gewonnen werden müssen, da der Gegner sonst sehr viel Raum in der Hälfte von Real bekommt. Bei Real ist es in dieser Saison oft noch zu sehen, dass die Angriffs- sowie die Mittelfeldreihe früh attackiert, die Viererkette jedoch nicht nachschiebt und somit viel Raum vor der letzten Kette entsteht.
Meist spielt Real in einem 4-3-3. Auffällig ist dabei, dass sich ein Außenstürmer oder ein Außenverteidiger sehr weit außen positionieren, um das Spiel in die Breite zu ziehen um somit Anspielstationen für die Spielverlagerungen zu sein.
Die Achter, speziell Modric, sollen sich im Zwischenraum bewegen, um dort in eine offene Stellung zu kommen und das Spiel nach vorne fortzusetzen. Kroos agiert meist vor Mittelfeldreihe des Gegners, da er das Spielfeld vor sich haben will und im Spielaufbau wesentlich sicherer agiert als Casemiro.
Wenn sich ein Außenstürmer nach innen fallen lässt, schiebt sofort der Außenverteidiger hoch und besetzt den Raum. Sie versuchen viele und schnelle Spielverlagerungen zu spielen, um dann eine Lücke im Halbraum des Gegners zu finden.
Teilweise lassen sich die Außenstürmer auch weit nach hinten fallen und der Außenverteidiger schiebt hoch, um dann eine Überzahl auf den Außenbahnen auszuspielen. Speziell Isco und auch Benzema sind Spielertypen, die sich immer wieder auf eine Seite fallen lassen, um dort eine Überzahl zu kreieren und diese dann auszuspielen. Eine weitere Stärke, die Real Madrid jedoch schon immer ausgezeichnet hat, ist das sehr schnelle Umschaltspiel, auch in dieser Saison erzielten sie schon einige Tore nach einem guten Umschaltverhalten.
Die Real-Probleme
Real Madrid hat große Probleme in der Konterabsicherung. Dadurch, dass die Außenverteidiger enorm hochschieben, entsteht ein großer Raum bei Ballgewinn des Gegners. Zwar hat Real viel Personal zum Gegenpressing, jedoch schaffen sie es nicht immer konsequent, den Ball sofort wieder zurückzuerobern, sodass der Gegner viel Raum zum Kontern hat.
Speziell Marcelo vernachlässigt in dieser Saison sein Abwehrverhalten und ermöglicht so dem Gegner einige Tormöglichkeiten. Zudem können sie den Raum vor ihrer letzten Kette wie schon beschrieben nicht immer konsequent verteidigen.
Fehlt Ronaldo?
Fakt ist, dass Madrid in den Spielen gegen Sevilla, Atletico und Moskau zu 61 Schüssen kam und keiner davon zu einem Tor führte. Gegen Levante hatte Real in einem Spiel 25 Torschüsse und 70 Prozent Ballbesitz. Die Frage, ob ein Ronaldo als Torjäger fehlt, ist natürlich berechtigt, klar ist aber auch, dass 40 Schüsse von Ronaldo zu Beginn der letzten Saison nicht das Ziel trafen und Real noch eine weitaus schlimmere Torkrise zu überstehen hatte. Erst in der Rückrunde drehten Real und Ronaldo auf und schossen wieder Tore am Fließband.
Das Fazit
Lopetegui hat Real zu Beginn seiner Amtszeit eine neue Identität verpasst. Mit sehr aggressivem und mutigem Angriffspressing, vielen schnellen Seitenverlagerungen und gutem Ballbesitzfußball startete sein Team auch sehr gut in die Saison.
In den vergangenen Wochen ist Real jedoch wieder in alte Muster verfallen. Man sieht immer häufiger verzweifelte Distanzschüsse, Flanken aus dem Halbfeld und Ballbesitz, der zu nichts führt. Das Team befindet sich noch in einem Prozess und muss sich weiterhin an die neue Spielweise anpassen. Ein Sieg im Clasico würde dabei nicht nur dem Team, sondern auch Lopetegui viel Ruhe einbringen, um sich weiterhin auf die Arbeit konzentrieren zu können.
Barcelona geht aufgrund der letzten Erfolge zwar selbstbewusst in den Clasico, dennoch ist das Team ohne Messi extrem geschwächt. Es bleibt abzuwarten, wie beide Mannschaften mit ihrer Konteranfälligkeit umgehen und welche Strategie sie wählen. Barca ist im Vergleich gegen Konter noch besser abgesichert, da meist alle drei Mittelfeldspieler ihre Positionierung so wählen, dass sie hinter dem Ball stehen. Barcelona wirkte generell zuletzt wesentlich stabiler als zu Beginn der Saison, außerdem spielt man zuhause, deshalb gehen sie für mich auch ohne Messi als leichter Favorit ins Spiel.
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