Das mühsame 2:1 des FC Bayern München gegen Mainz offenbart ein systemisches Problem im Mittelfeld des Rekordmeisters. Kingsley Coman ist in dieser Form uverzichtbar und Dayot Upamecano muss aufpassen, dass er seinen Ruf nicht ramponiert. Die Thesen zum Spiel.
Im Zentrum fehlen den Bayern nicht nur Kimmich und Goretzka
Die Münchner werden auch in den kommenden Wochen noch auf den Architekten und die Kraftkammer ihres Spiels verzichten müssen. Joshua Kimmich muss sich von den Nachwirkungen seiner ungeimpft erlittenen Covid-Infektion erholen, Leon Goretzkas Patellasehne schmerzt. Dass die Münchner im Zentrum auch beim 2:1 gegen Mainz nicht ganz so dominant und geordnet auftraten, wie man es von ihnen gewohnt war, lässt sich mit dem Ausfall der zwei wunderbar erklären.
Aber es liegt nicht nur daran. Die Bayern scheinen vielmehr ein systemisches Problem im Mittelfeld zu haben, das sich in Gegenpressingphasen offenbart, aber vor allem mit mangelhaftem Positionsspiel zu tun hat.
Nagelsmann hat die Gegenpressing-Problematik schon oft angesprochen, unter der Woche bemängelte er etwa, dass seine Spieler auf der Ballseite zu wenig Druck auf den Gegner und die Spieler auf der ballfernen Seite die Räume nicht schließen würden. Zuvor hatte er schon mal beklagt, dass seine Spieler zu häufig die Staffelung nicht beibehalten und so Löcher im Mittelfeld schaffen würden. Vor dem Spiel gegen Mainz sagte er bei Sky, dass Thomas Müller selbstkritisch angemerkt habe, dass er im Pressing manchmal zu früh attackiere.
Gegen Mainz kamen sich in der ersten Halbzeit vor dem Gegentor der starke Jamal Musiala, Leroy Sane und Thomas Müller immer wieder in die Quere. Manchmal schienen sie sich beim Versuch, die kompakt stehenden Mainzer auszuspielen, regelrecht im Weg zu stehen.
Bayern München: Im Zentrum fehlt es an Systematik
Musiala, nominell neben Tolisso auf der Doppelsechs aufgeboten, wandelte unablässig zwischen Sechs, Acht und Zehn, drängte so den fährtensuchenden Müller in Richtung Sane. Der wiederum ließ sich immer wieder zurückfallen und agierte als Achter.
Ergebnis des Hin- und Hers: Bayerns viel zu zentrumslastiges und etwas eindimensionales Aufbauspiel war erst wild und fand nach dem 0:1 gar nicht mehr statt. Als "träge" bezeichnete Nagelsmann seine Mannschaft in dieser Phase.
In der zweiten Halbzeit funktionierte dann alles besser, weil die drei ihre Positionen hielten, Müller und Sane und später Serge Gnabry flankierten Musiala auf der Spielmacherposition und machten das Spiel etwas breiter.
Ein Spiel mit drei zentralen Offensivspielern, die in der Offensive vor allem ihrem Instinkt folgen dürfen und die in der Defensive vor allem helfen sollen, die Räume zu schließen, das kann gegen Mainz in der Bundesliga gerade noch gut gehen. Doch gegen stärkere Gegner in der Champions League täte ein bisschen mehr Systematik gut.
Coman untermauert seine Forderungen durch Leistung
Kingsley Coman war gegen Mainz über das ganze Spiel betrachtet Bayerns auffälligster, aktivster und bester Offensivspieler.
Zur Wahrheit gehört zwar, dass Coman aus seinen fünf Torschüssen eher mehr als seinen vierten Bundesliga-Saisontreffer hätte machen müssen und dass er vor Karim Onisiwos Treffer zum 0:1 mit seinem Ballverlust am Anfang einer sehr langen Fehlerkette stand.
Aber: Coman, der nach dem Spiel laut seines Trainers Julian Nagelsmann über leichte Schmerzen am linken Oberschenkel klagte, hatte die meisten Aktionen im gegnerischen Strafraum (10), gab die meisten Torschüsse (5) ab und absolvierte von den Offensivspielern die meisten Zweikämpfe (24), von denen er ordentliche 13 gewann.
"Er ist ein Spieler mit einer herausragenden Qualität, die man in Europa nicht so oft findet. Er hat einen herausragenden Torschuss, hat es in den letzten Jahren aber zu sehr mit Gewalt versucht, daher war seine Quote nicht immer so gut. Jetzt hat er eine sehr gute Quote", lobte Nagelsmann den Siegtorschützen des Champions-League-Finals von 2020. Und ergänzte: "Er hat einen sehr guten Charakter, gibt immer Gas und ist glücklich, dass er gesund ist".
Dass der FC Bayern den 2023 auslaufenden Vertrag mit Coman verlängern will, ist alles andere als ein Geheimnis. Dass Coman dann aber gerne mehr verdienen wollen würde als bisher und in Spitzenverdiener-Dimensionen aufsteigen möchte, ist es auch nicht wirklich. Zuletzt vermied er ein klares Bekenntnis zu Bayern. Mit solchen Leistungen liefert er die richtigen Argumente. In dieser Form ist er jeden Preis wert.
Bayern München: Dayot Upamecano hat ein Imageproblem
Dayot Upamecano ist ein guter Verteidiger und hat die Klasse und das Talent, um beim FC Bayern München eine Hauptrolle zu spielen. Die Spieleröffnungen des 23-Jährigen sind sauber, seine Passquote liegt konstant bei mehr als 90 Prozent, gegen Mainz eroberte er starke 14 Bälle. Er führte mehr Zweikämpfe und gewann mehr Zweikämpfe als Lucas Hernandez. Trotzdem machte Hernandez einen stärkeren und stabileren Eindruck als Upamecano.
Denn es gibt in fast jedem Spiel diese Momente zum Haareraufen, diese Momente, in denen man sich fragt, was da schon wieder los war. Diese Unkonzentriertheiten hat Upamecano nicht exklusiv, im Gegenteil. Aber bei ihm fallen sie vielleicht ein bisschen mehr auf, weil sie seine an sich starken Leistungen trüben. Gegen Mainz wirkte Upamecano vor dem Gegentreffer etwas orientierungslos, als er Anton Stachs vorletzten Pass vor Karim Onosiwos Tor nicht verhinderte. Zuvor hatte er Glück, dass sein Foul an Jae-Sung Lee nicht zum Elfmeter führte. Mainz-Coach Bo Svensson regte sich nach der Partie nicht ganz zu Unrecht über das Nicht-Eingreifen des Videoschiedsrichters auf.
Diese Fehler tragen dazu bei, dass Upamecano als Fehlerteufel abgestempelt wird. Und ist das Image erst ruiniert, sitzt man irgendwann eben doch auf der Bank.