Das 1:1 in Bochum hat zwei altbekannte Probleme des BVB gezeigt: Dortmunds Außenverteidigern fehlt die nötige Qualität und die Schwäche bei Offensiv-Standards ist längst chronischer Art. Immerhin gibt es aber auch einen Lichtblick aus Dortmunder Sicht. Drei Thesen zum Remis der Borussia beim VfL Bochum.
Dortmunds Außenverteidiger haben nicht das nötige Format
Bochum bringt mit seinem 4-1-4-1 auf den Flügeln immer wieder genug Personal in Ballnähe, um sich gegenseitig abzusichern und mindestens doppelt auf gegnerische Angriffe über die Seite zu reagieren. Umso wichtiger ist es für gegnerische Mannschaften, die es über die Flügel versuchen, dort mit den eigenen Außenverteidigern oder Schienenspielern nachzuschieben. Um in den Rücken der Mittelfeld-Viererkette zu kommen und den einzigen Sechser zu bewegen.
Der BVB versuchte es gegen die tiefstehenden Bochumer aber zu oft durch die Mitte, am Ende waren Angriffe über die drei vertikal eingeteilten Zonen links, rechts und durchs Zentrum quasi gleich verteilt. Nun ist das ein Charakteristikum Dortmunder Spiele, dass der BVB gerne Tempo und Dynamik durch kleine Rotationen und Ablagen durch das Zentrum und die Halbspuren entwickelt. Aber gegen Bochum vielleicht nicht immer die beste Idee.
Die Dortmunder Außenverteidiger Thomas Meunier und Nico Schulz trauten sich eine Halbzeit lang fast gar nicht mit nach vorne, klebten im ersten Durchgang eher an ihrer tiefen Position, statt die Angriffe auch mal energisch mit durchzulaufen und so Bochum auch auf den Flügeln vor größere Aufgaben zu stellen. So konnte sich der Außenseiter auf seine Kompaktheit in der Mitte konzentrieren und musste über die beiden Außenbahnen keine große Gefahr fürchten.
Zwar wurde Meunier in der zweiten Hälfte etwas lebhafter und rückte weiter mit nach vorne auf, blieb aber in seinem Passspiel und mit den Flanken zu ungenau. Und von Schulz kam auch in der zweiten Hälfte deutlich zu wenig, der Linksverteidiger war bei 20 Dortmunder Torschüssen nur ein einziges Mal in der Vorbereitung involviert. Und das ist dann eben für die gehobenen Ansprüche der Dortmunder deutlich zu wenig.
Gregor Kobel wird an solchen Fehlern weiter wachsen
Marco Reus konnte den Passweg auf Christopher Antwi-Adjej nicht mehr schließen, der Ball flutschte in die Tiefe auf Bochums Angreifer durch. Aber Reus versuchte noch, seinen Torhüter Gregor Kobel von einer allemal überstürzten Aktion abzuhalten. Reus ahnte schon, was gleich passieren würde - Elfmeter für Bochum. Antwi-Adjej war weder in einer guten Abschlussposition, noch wäre er völlig blank vor Kobel aufgetaucht.
Der hätte einfach nur den Winkel verkürzen und im Zusammenspiel mit dem ballnahen Innenverteidiger die Schussbahn versperren können. Eine Allerweltsszene für Kobel, der mit einer völlig falschen Entscheidung aber die Partie auf den Kopf stellte und seine Mannschaft in "eine Scheiß-Position" brachte, wie er nachher sagte.
Bisher war Kobel eine Bank gewesen für den BVB, eine klare Verbesserung auf der Torhüterposition im Vergleich zu den letzten Jahren und vielleicht fragt sich manch einer in Dortmund nun, ob die Malaise nun wieder von vorne beginnt. Auch in Stuttgart leistete sich Kobel, der ja immer noch ein vergleichsweise junger und in der Bundesliga unerfahrener Keeper ist, ein paar Fehler. Aber weder hatte der mit einem gesunden Selbstbewusstsein ausgestattete Schweizer daran zu lange zu knabbern, noch machte Kobel einen konkreten Fehler in der Folge noch ein zweites oder sogar drittes Mal.
Der Fauxpas gegen Bochum dürfte ein Ausrutscher bleiben, jedenfalls wäre alles andere eine große Überraschung. Kobel versuchte nach so einem aus seiner Sicht maximal ernüchternden Spiel erst gar nicht, Ausreden zu suchen. Das ist in der Regel immer ein sehr gutes Zeichen und zeugt von der richtigen Haltung. Eine neue Torhüter-Debatte hat der BVB jedenfalls nicht an den Hacken.
Die Standardschwäche bekommt der BVB so schnell nicht los
Nimmt man die fünf Elfmeter-Tore des BVB raus und schaut sich nur die Treffer nach einem Freistoß, einer Ecke oder nach einem Einwurf an, dann stehen da nach 15 Spieltagen kümmerliche drei Tore. In der Bundesliga sind in diesem Ranking nur Bielefeld und Fürth schlechter - der Vorletzte und der Letzte der Tabelle und jene Teams, die ohnehin die wenigsten Tore überhaupt erzielten. Freiburg führt diese Disziplin mit zwölf Standardtoren an, das Vierfache der Dortmunder Ausbeute.
Fast schon symptomatisch die letzte BVB-Aktion im Spiel gegen Bochum, als ein Freistoß noch einmal kurz ausgeführt wurde, um dann in der Folge nutzlos im Mittelfeld zu versanden. Ein halbes Dutzend an Freistößen und sage und schreibe 15 Eckbälle reichten dem BVB nicht, um ein Tor zu erzielen.
Auch das ist eine Geschichte dieser Saison: Nach einem kleinen Hoch gegen Ende der letzten Spielzeit werden die Offensiv-Standards beim BVB wieder ein großes Ärgernis. Dabei mangelt es an kopfballstarken Abnehmern zum Beispiel nun wirklich nicht. Und der eine oder anderen zielgenaue Schütze sollte sich im Kader doch auch finden lassen.
Aber während andere Teams - neben Freiburg gefallen auch Hoffenheim, Frankfurt oder Augsburg mit immer neuen Ideen - aus dieser immer etwas wenig geschätzten Disziplin eine echte Waffe machen, tritt Dortmund hier seit Jahren auf der Stelle. Auch das ist ein veritables Problem für die Borussia und ein Grund, warum am Ende einer Saison immer wichtige Punkte fehlen.
Das Problem: Neue Akzente können auf dem Platz aus unterschiedlichen Gründen nur noch schwer einstudiert werden. Zum einen kann der BVB durch die Dreifachbelastung und englischen Wochen ohnehin keine "normalen" Einheiten absolvieren, sondern muss durch die enge Taktung immer nur dosiert und sehr individualisiert trainieren.
Und zum anderen ist die kalte Jahreszeit nicht eben optimal, um bei Temperaturen um den Gefrierpunkt mit den dafür notwendigen längeren Stehzeiten und Coachingphasen der Trainer klare Abläufe einzustudieren. Will sich der BVB in diesem Bereich kurzfristig verbessern, bleibt fast nur die intensive Video-Schulung.