Die Auftritte von Julian Brandt und Donyell Malen beim Sieg von Borussia Dortmund gegen den FC Augsburg machen Hoffnung. Doch es gibt auch Murmeltier-Momente, für die der wackelige BVB von Trainer Marco Rose die Deutungshoheit zurückerobern will. Drei Thesen zum Arbeitssieg über den FCA.
1. Julian Brandt klar im Aufwind
Endlich mal Matchwinner. So hat sich Julian Brandt seine Rolle bei Borussia Dortmund vermutlich viel häufiger vorgestellt. Beim 2:1 über Außenseiter Augsburg war es soweit. Zum ersten Mal in der aktuellen Saison spielte sich der 25-Jährige derart stark in den Fokus. Der sehenswerte Siegtreffer gibt dem oft kritisierten Mittelfeldspieler Selbstvertrauen. "Ich fühle mich extrem stabil gerade", sagte Brandt nach der Partie.
Dass es ein guter Nachmittag für ihn werden würde, deutete sich früh an: Bei einem Augsburger Konter hatte Brandt Kontrahent Mads Pedersen über den halben Platz verfolgt, ehe er ihm kraftvoll den Ball klaute. Chance vereitelt, Gegenangriff eingeleitet. Die erstmals wieder mehr als 40.000 Fans im früheren Westfalenstadion feierten ihren Helden für jene kleine Szene. Diesen Einsatz will auch Trainer Marco Rose sehen, von dem es zuvor viel Vertrauen gab und hinterher ein Lob: "Jule war sehr fleißig gegen den Ball, er hat unserem Spiel viel gegeben. Er ist ein guter Typ."
Ein Malocher wird aus dem feinen Techniker sicher nicht mehr. Der Großkreutz'-Spirit ist durch die geerbte Rückennummer 19 nicht auf Brandt übergegangen. Aber das erwartet auch niemand. Das Mittelfeld-Ass soll das Spiel strategisch lenken. Im Spiel gegen Augsburg glänzte Brandt mit Ideen im Spielaufbau. Aus dem Zentrum, aber auch über den ungeliebten Flügel. Kapitän Marco Reus schickte er wunderbar Richtung Tor. Mit einer super Passquote von 94 Prozent unterlief ihm so gut wie kein Fehler. Am Ende hatte er fast elf Kilometer auf dem Tacho.
imago imagesIm dritten Jahr beim BVB will Brandt endlich den Durchbruch schaffen. Bislang stehen nur zwei Treffer zu Buche, kein einziger Assist. Offensichtlich muss er weiter hart an sich arbeiten. "Es geht auch ums Verhalten im Zweikampf", merkte sogar Rose an. Brandts Spiel wirkt oft pomadig. Auch im guten Spiel gegen Augsburg gewann der Offensiv-Antreiber nur einen von 12 Zweikämpfen. Er leistete sich 12 Ballverluste. Dass der einstige DFB-Hoffnungsträger zurzeit nicht im Aufgebot der Nationalelf steht, ist kein Wunder.
Wobei es für Brandt gar nicht schlecht ist, die anstehende Länderspielphase mit BVB-Training füllen zu können. "Es ist schwierig, einen Rhythmus zu finden. Da geht auch viel über den Kopf", sagt der 25-Jährige, wenn er auf die mauen letzten Wochen angesprochen wird. Zwei unfreiwillige Trainings- und Spielpausen haben ihn in dieser Saison bereits zurückgeworfen. Konstanz ist für Brandt noch erstrebenswerter als ein Torerfolg.
2. Donyell Malen kommt auf Touren
Stürmer Donyell Malen hatte seinen Endlich-Moment schon Mitte der Woche. In der Champions League durfte sich Dortmunds 30-Millionen-Einkauf erstmals als Matchwinner feiern lassen. Offenbar hat der Debüt-Treffer beim Sieg über Sporting den Knoten gelöst: Nun ist auch in der Bundesliga zu sehen, welche Bereicherung Malen mit seiner Geschwindigkeit und Ballfertigkeit sein kann.
Der 22 Jahre alte Niederländer war oft viel zu schnell für seinen Landsmann und FCA-Kapitän Jeffrey Gouweleeuw. So holte er den Elfer raus. Fast hätte der Malen-Turbo die Gäste sogar dezimiert, denn Reece Oxfords taktisches Foul am enteilten BVB-Stürmer war hart an der Grenze zu Rot.
Die offensive Kombination mit Malen klappt immer besser, auch wenn längst nicht alle Laufwege abgestimmt sind. Vor allem Marco Reus und Jude Bellingham scheinen inzwischen mehr Gefühl für den Nebenmann zu entwickeln. Diese Dinge brauchen aber Zeit, zumal der BVB im Regelfall noch die Zwei-Stürmer-Grundordnung einübt, von der er sich lange entwöhnt hat. Flügelläufe der Marke Jadon Sancho darf die Borussia von ihrem Neuen auch nicht erwarten. Das ist nicht sein Stil. Vielleicht tut es Malen aktuell ganz gut, außerhalb des Haaland-Schattens agieren zu können.
Die Richtung stimmt, aber es bleibt Luft nach oben. Bei der Torausbeute sowieso, aber auch bei der Passgenauigkeit: Nur gut die Hälfte seiner Anspiele findet einen Abnehmer. 16 Ballverluste sind verbesserungswürdig. Schließlich ist da noch das Fitness-Defizit. Malen kam mit Trainings-Rückstand zu den Westfalen, den hat er wohl immer noch nicht aufgeholt. "Donny" hat noch kein einziges Spiel komplett durchgehalten. Nach 70 Minuten ist meist Schluss.
3. Rose verkauft den Stillstand als Fortschritt
"Ich habe ein sehr gutes und intensives Bundesliga-Spiel gesehen", sagte Rose nach dem teils wilden Spiel seines Teams gegen einen mutigen, aber überschaubar begabten Gegner. Trotz Wackel-Abwehr, Personalproblemen und Chancenwucher versuchte der Coach, die Defizite des BVB so offensiv ins Positive zu drehen, als würde er sich als Spin-Doctor in der Politik bewerben. Das zeigt, wie viel Druck bei der Borussia nach zwei frühen Saisonpleiten auf dem Kessel ist.
Denn neben den Endlich- gibt es beim BVB auch ständig diese Murmeltier-Momente: Fehler passieren wieder und wieder und oft fällt die Erklärung schwer.
Die Gegentorflut ist ungebremst. Obwohl die Borussia dank Gregor Kobel auf der Torwartposition einen Entwicklungssprung gemacht hat, ist sie mit 13 Toren aus sieben Spielen drauf und dran, im fünften Jahr in Folge die Marke 40 klar zu knacken. Für die ambitionierten Westfalen deutlich zu viel. Gegen Augsburg war ein Distanzkracher der Ursprung des Ausgleichs, in der Vorsaison auch ein Kernproblem beim BVB, neben der eklatanten Schwäche bei Standards.
Schon seit dem Trainingsauftakt läuft die Borussia mit ihren Verletzungssorgen im roten Bereich. Warum Abwehrchef Mats Hummels nach einer kräftezehrenden Woche erneut ins Spiel geworfen wurde, obwohl er nach Roses Aussage keine richtige Vorbereitung mitmachen konnte, ist schwer verständlich. Auch Thomas Meunier stand in der Startelf, obwohl Knie und Zeh wohl schon seit einiger Zeit schmerzen. Fehlt dem Trainer das Vertrauen in die Tiefe des eigenen Kaders?
Ein wenig verkauft Rose den Stillstand als Fortschritt, wenn er sagt: "Ein 3:1 hätte uns gut getan. Aber ich bin zufrieden, dass die Jungs es so zu Ende gebracht haben." Regelmäßig lässt sich der BVB von schwächeren Teams durch penetrante Nickligkeiten auf ihr Niveau runterziehen. Für die Fans ist es ein schwacher Trost darauf zu verweisen, in der Vergangenheit wäre so ein Spiel noch aus der Hand geglitten.
Auch ist die Abhängigkeit von Stürmer Haaland wieder gewachsen. Das war beim ideenlosen Kick in Gladbach zu sehen, nun beim Chancenwucher gegen Augsburg. Im Endspurt der vergangenen Saison war ein Erfolgsgeheimnis, dass sich die Tore auf viele Schultern verteilten. Drei Viertel der letzten 25 Treffer der Spielzeit 20/21 erzielten Reus, Bellingham und Co. Aktuell zeichnen sie sich nur noch für zwei Drittel der 26 Tore verantwortlich. Dabei fehlt Torjäger Haaland seit drei Partien.
Bundesliga: Tabelle nach den Samstagsspielen
Platz | Team | Sp. | Tore | Diff | Pkt. |
1. | Bayern München | 6 | 23:5 | 18 | 16 |
2. | Borussia Dortmund | 7 | 19:13 | 6 | 15 |
3. | SC Freiburg | 7 | 11:5 | 6 | 15 |
4. | Bayer Leverkusen | 6 | 16:7 | 9 | 13 |
5. | VfL Wolfsburg | 7 | 9:8 | 1 | 13 |
6. | 1. FC Köln | 7 | 13:9 | 4 | 12 |
7. | RB Leipzig | 7 | 15:7 | 8 | 10 |
8. | 1. FSV Mainz 05 | 6 | 6:3 | 3 | 10 |
9. | Borussia M'gladbach | 7 | 9:10 | -1 | 10 |
10. | 1. FC Union Berlin | 6 | 8:8 | 0 | 9 |
11. | TSG Hoffenheim | 7 | 12:11 | 1 | 8 |
12. | VfB Stuttgart | 7 | 12:13 | -1 | 8 |
13. | Hertha BSC | 7 | 8:20 | -12 | 6 |
14. | Eintracht Frankfurt | 6 | 6:9 | -3 | 5 |
15. | FC Augsburg | 7 | 3:13 | -10 | 5 |
16. | Arminia Bielefeld | 6 | 3:6 | -3 | 4 |
17. | VfL Bochum | 7 | 4:16 | -12 | 4 |
18. | SpVgg Greuther Fürth | 7 | 5:19 | -14 | 1 |