Nicht Julian Nagelsmann, Christian Streich oder Domenico Tedeso ist der Trainer der Saison, sondern Union-Coach Urs Fischer. Dortmund ärgert sich über einen sündhaft teuren Transfer-Flop, während sich Maximilian Eggestein in Freiburg neu erfinden darf.
VfB: Kein Offensivkonzept und keine Bank
Was sollte das sein, das der VfB Stuttgart in Berlin auf den Rasen gebracht hat? Im - bisher! - wichtigsten Spiel der Saison eine Nichtleistung wie diese zu zeigen, ist ein starkes Stück. Und die "Offensivleistung" der Mannschaft eines Bundesligisten nicht würdig.
Und genau da liegt die große Fehleinschätzung der Verantwortlichen. Sven Mislintat und Pellegrino Matarazzo wurden nie müde zu erklären, dass mit der Rückkehr der in der Hinserie verletzten Spieler Besserung eintreten würde. Und tatsächlich sah es vor vier, fünf Wochen auch so aus, als hätte die Mannschaft ihren Offensivgeist wieder entdeckt.
Aber schon da konnte man sehen, wie schwer sich das Team tut, seine Chancen zu verwerten - die sich die Mannschaft mittlerweile kaum noch herausspielen kann. Das letzte Tor aus dem freien Spiel datiert vom 12. März, es war Sasa Kalajdzics Ausgleich gegen Union.
Danach gab es noch vier Tore nach Standards, in den letzten drei Spielen gar keines mehr. Von Matarazzos Fußball ist kaum noch etwas übrig: Kein flacher Spielaufbau mehr, kein Linien überspielen, nicht das Ansteuern der Halbräume. Stattdessen lange Diagonalbälle, Halbfeldflanken und die Hoffnung auf eine Einzelaktion.
Das wird am Ende ebenso wenig reichen wie die Qualität der Ersatzbank. Der Trainer kann in der Offensive qualitativ überhaupt nicht nachlegen, kaum ein Wechsel bewirkt Positives. Schwer vorstellbar, dass Stuttgart noch ein Spiel gewinnt unter diesen Voraussetzungen. Die Hoffnung beruht wohl in erster Linie darauf, dass Bielefeld nicht zufällig noch einen Dreier einfährt...
imago imagesUrs Fischer ist der Trainer der Saison
Im letzten Sommer verließ in Robert Andrich ein zwar notorisch unterschätzter, für das Mannschafts- und Spielgefüge aber unglaublich wichtiger Spieler den 1. FC Union.
Trotzdem schaffte Trainer Urs Fischer vergleichsweise reibungslos den Übergang in die Andrich-freie Zeit - und wiederholt dieses Kunststück nun auch in der Rückrunde. Im Winter verließen mit Marvin Friedrich und Max Kruse zwei weitere prägende Figuren den Klub.
In den ersten Wochen nach den Abgängen der beiden Spieler knirschte es ein wenig, Union holte aus den ersten sieben Spielen nach dem Kruse-Abgang etwa nur vier Punkte. Seit einigen Wochen hat sich die Mannschaft aber nicht einfach nur stabilisiert, sondern im Offensivspiel mächtig große Schritte nach vorne gemacht.
Das zeigt sich dann auch in der optimalen Punktausbeute von zwölf Zählern aus vier Spielen zuletzt. Das Schema bleibt dabei gleich: Union verliert einen oder mehrere Spieler, benötigt dann ein paar Wochen Zeit und spielt dann besseren Fußball als zuvor.
So etwas nennt man Entwicklung und die hängt in erster Linie mit dem Trainer zusammen. Und deshalb ist nicht Julian Nagelsmann, Christian Streich oder Domenico Tedeso der Trainer der Saison, sondern Urs Fischer.
gettyFelix Magath sollte in Berlin bleiben
Apropos Trainer: Der erste, der in seit Bruno Labbadia so etwas wie Ruhe und Disziplin in den Berliner Klub und die Mannschaft gebracht hat, scheint tatsächlich Felix Magath zu sein.
Der steht nach dem Sieg und vor dem Spiel in Bielefeld mit der Hertha vor der Rettung einer völlig missratenen Saison und wird wohl den GAU doch noch irgendwie abwenden.
Jedenfalls macht Berlin in den Spielen, in denen es wirklich darauf ankommt wie gegen Stuttgart und zuletzt in Augsburg, defensiv einen sehr stabilen Eindruck und vorne fällt dann schon mal ein Standard rein oder eine Flanke vom Himmel.
Im Hintergrund soll Fredi Bobic ja nach einem Nachfolger für den Feuerwehrmann Magath suchen, aber vielleicht ist das ja auch gar nicht nötig?
Die Entscheidung, den 68-Jährigen aus der Versenkung zurück in die Bundesliga zu holen, wurde ja schon längst genug verspottet. Warum also nicht noch eine Verlängerung über die Saison hinaus, sollte der Hertha tatsächlich der direkter Klassenerhalt gelingen?
Darüber nachdenken sollten die Berliner jedenfalls schon. Und Magath? Der könnte sich das wohl auch vorstellen oder zur Not halt warten bis nächsten April: Dann hat bestimmt wieder ein Bundesligist Bedarf für einen Feuerwehrmann im Endspurt - und Magath dann allerbeste Referenzen.
Dortmunds Reinier ist ein Total-Flop
Neulich stand in der Marca, dass Dortmund für das Leihgeschäft von Reinier mit Real Madrid über 13 Millionen Euro berappen müsse - fünf Millionen an Leihgebühr für die Königlichen plus das offenbar recht anständige Gehalt von 8,5 Millionen Euro für die letzten beiden Spielzeiten.
Das ist nicht nur jede Menge Geld, sondern tatsächlich ein völlig überzogenes Investment selbst für einen immer noch gut betuchten Klub wie den BVB. Denn was Reinier seit knapp zwei Jahren an Gegenleistung dafür bringt, ist quasi gleich Null.
In jetzt 37 Pflichtspielen steht ein Tor und ein Assist in den Bilanzen, für einen offensiven Mittelfeldspieler ist das ein ungenügendes Zwischenfazit. Am Wochenende bekam der Brasilianer im größten Spiel der Saison erneut eine Chance und konnte die - wie so viele zuvor - mal wieder nicht nutzen.
Selbst in dieser Spielzeit mit unzähligen Verletzten schaffte es Reinier nicht, sich nachhaltig für mehr Spielminuten oder sogar den einen oder anderen Startelfplatz zu bewerben und man kann sich in etwa ausmalen, wie schwach der 20-Jährige dafür unter der Woche trainieren muss, um sich Marco Rose nicht aufzudrängen.
So bleibt Reinier ein nie eingelöstes, dafür unglaublich teures Versprechen und einer der schwächsten Transfers des bald scheidenden Sportchefs Michael Zorc.
Der neue Eggestein beim SC Freiburg
Maximilian Eggestein ist einer der wenig besungenen Helden der Freiburger Saison, dabei ist der 25-Jährige mit 36 von 38 möglichen Pflichtspieleinsätzen längst nicht nur eine feste Größe im Freiburger Mittelfeld, sondern schon ein Leistungsträger.
Eggestein hat den Wechsel aus Bremen fast schon locker-leicht aus dem Ärmel geschüttelt und darf nun in Freiburg in etwas anderen Rollen auf sich aufmerksam machen. Während Eggesteins Spiel sich bei Werder über sehr viel Laufstärke definierte, muss der Spieler in Freiburg nicht ansatzweise so viel unterwegs sein.
Als Bremer Spieler sammelte Eggestein vor zwei Jahren über 373 Kilometer Laufleistung in einer Saison und war damit der laufstärkste Spieler der gesamten Liga, letzte Saison waren es sogar 388 Kilometer. Aktuell steht er in Freiburg bei "nur" rund 252 Kilometern, das bedeutet Platz 68 im Liga-Ranking.
Die fehlenden 130 Kilometer wird Eggestein in den letzten drei Partien wohl eher nicht mehr schaffen.
Dafür aber seine anderen Stärken weiter einbringen, die er in Freiburg ganz anders ausleben darf: Den Spielaufbau ankurbeln, selbst in Abschlussposition kommen, Bälle abfangen und vor allen Dingen Lücken so schnell zu schließen, dass sie erst gar nicht groß sichtbar und für den Gegner bespielbar werden.
Für diese Disziplin gibt es noch keine eigene Statistik, aber das dürfte Maximilian Eggestein auch egal sein.