Beim knappen Sieg von Borussia Dortmund gegen den SC Paderborn 07 im DFB-Pokal-Achtelfinale sorgte vor allem der Siegtreffer des BVB für Diskussionen. Die Thesen zu einem brisanten Spiel.
Paderborn hat, was dem BVB fehlt
Wenn man als Zweitligist auswärts bei einem Team, das in der Champions League vertreten ist, bereits nach nicht einmal 20 Minuten mit 0:2 zurückliegt, verliert man in der Regel. Nicht so der SC Paderborn 07. Trotz des frühen Rückstands gaben sich die Ostwestfalen nie auf, zogen ihre Spielidee unbeirrt weiter durch und bewiesen durch die Bank, dass sie eine homogene und stabile Mannschaft sind.
Paderborn hat somit das, was dem BVB in dieser Saison fehlt: In erster Linie einen übergeordneten und stringenten Plan, mit welcher Art von Fußball an die Spiele herangegangen wird. Dortmunds Team wirkt alles andere als stabil, die Statik gerät zu häufig ins Wanken - teils ganz unabhängig von Spielständen und Taktiken des Gegners.
Es war kein Verwaltungsmodus, in den die Borussia nach ihren beiden frühen Treffern schaltete. Paderborn übernahm schlichtweg die Kontrolle über das Spielgeschehen, blieb über das gesamte Feld hinweg unnachgiebig und arbeitete im Kollektiv - permanent unter Dauer-Strom gesetzt vom langjährigen Trainer Steffen Baumgart, der seine Truppe von außen bei so gut wie jeder Aktion lautstark coachte.
Der BVB dagegen erscheint in steter Regelmäßigkeit wie die Ansammlung talentierter Individualisten, die es nicht konstant schafft, eine gemeinschaftliche Idee zu entwickeln und diese über 90 Minuten umzusetzen. Vermeintlich ungeahnte Widerstände bringen das Team schnell aus der Ordnung und der Fassung. Es ist dann häufig die Qualität des Einzelnen, die Dortmunds Schwäche im Kollektiv kaschiert.
Wenn im Sommer unter einem neuen Coach der nächste Neustart bei den Westfalen ausgerufen wird, benötigt der BVB dringend eine klar definierte Basisidee, auf die er sein Spiel stellen möchte. Und er braucht einen neuen personellen Anstrich im Kader, der sich an dieser Idee ausrichtet.
Bei Fragen dazu könnten die Verantwortlichen in Paderborn anrufen, wo Baumgart zusammen mit dem Klub seit bald vier Jahren gegner- und ligenunabhängig seine Vorstellung von Fußball umsetzt und Kontinuität gelebt wird.
Steffen Baumgart ist ein sehr guter Trainer
Ohnehin Baumgart: Der steht nun seit 2017 an der Seitenlinie des SCP und hat den Verein in dieser Zeit bereits in drei verschiedenen Ligen trainiert. Mit seiner emotionalen und menschlichen Art schafft er es seitdem, die Spieler von seiner fußballerischen Überzeugung zu begeistern und trotz einiger Veränderungen im Kader immer einen gemeinschaftlichen Geist zu erzeugen, der auf dem Spielfeld augenscheinlich ist.
Der 49-Jährige ist damit ziemlich erfolgreich: Mit Paderborn gewann er zweimal den Westfalenpokal, zog zweimal ins finanziell lukrative Pokal-Viertelfinale ein und stieg sowohl in die zweite, als auch in die erste Liga auf. Diese Mischung sorgt dafür, dass er im April auf eine dann vierjährige Amtszeit blicken kann - in heutigen Zeiten eine sehr stolze Leistung.
gettyAuch beim Spiel in Dortmund bewies Baumgart ein gutes Händchen: Seine Umstellung auf ein 4-4-2 mit Raute zur zweiten Halbzeit erwies sich als goldrichtig. Der SCP kam zu Chancen und erspielte sich vor allem die Kontrolle über die Partie. Dass dann noch beide von ihm eingewechselten Akteure die zwei Tore besorgten, um das Spiel schließlich in die Verlängerung zu hieven, rundete den guten Eindruck ab.
Umstrittenes 3:2: Schiri Stieler muss sich die Bilder ansehen
Es war freilich sehr sympathisch, wie sich Baumgart in der ARD mächtig über die kontroverse Situation rund um das Dortmunder Siegtor aufregte. Auch Baumgart wird mittlerweile wissen, dass die Faktenlage gegen ihn spricht. Seinen emotionalen Ausbruch dürfte aber die überwiegende Mehrheit der TV-Zuschauer nachempfunden haben.
Knackpunkt bei Baumgarts Kritik: Die Aktion von Svante Ingelsson wurde als sogenanntes "deliberate play", als bewusste Aktion zum Ball gewertet. Der SCP-Spieler berührte den Pass von Dortmunds Thomas Delaney auf den im Abseits befindlichen Torschützen Erling Haaland noch hauchzart und veränderte die Richtung des Balles ebenfalls im Promillebereich. Damit wurde die Abseitsstellung aufgehoben.
Das mag man als pingelig und nichtig ansehen. Es entspricht jedoch den Regeln, dies als zielgerichtete Aktion zu werten - so minimal sie auch war. Was von Baumgart in erster Linie vehement angeprangert wurde und auch nachvollziehbar ist: Stieler hätte sich nach der minutenlangen VAR-Unterbrechung die entsprechende Szene selbst auf dem Monitor im Stadion anschauen müssen - auch wenn er schon in der Live-Situation den Ballkontakt von Ingelsson wahrgenommen hatte.
Genau dann hätte auch Baumgart nach eigener Aussage jedwede Entscheidung akzeptiert. So blieb es im Zeitalter der Videoschiedsrichter schwer verständlich, weshalb dieses Hilfsmittel vom Schiedsrichter bei einer minutenlangen Unterbrechung nicht in Anspruch genommen wird - um die eigene Wahrnehmung zu bestätigen, aber auch ein Signal an die betroffene Mannschaft zu senden, die Möglichkeit der Vor-Ort-Überprüfung auch in Gänze auszuschöpfen.
BVB-Reservisten betreiben keine Eigenwerbung
Nico Schulz und der BVB - das bleibt eine Beziehung, die aller Wahrscheinlichkeit nach zum Scheitern verurteilt ist. Viel zu häufig war der Nationalspieler in seinen bislang drei Spielzeiten in Dortmund verletzt, um auch nur annähernd in einen Spielrhythmus zu kommen und sein Potential auszuschöpfen.
Auch gegen Paderborn, seinem dritten Startelfeinsatz in dieser Saison, konnte der Linksverteidiger keine Eigenwerbung für sich machen. Schulz brachte nur schwache 72 Prozent seiner Zuspiele an den Mann und offenbarte einige technische Defizite. Insgesamt verlor er 22 Mal das Spielgerät, von seinen sieben Zweikämpfen gingen über die Hälfte verloren.
Auch sein Gegenüber Mateu Morey, der aufgrund der Verletzung von Thomas Meunier zum dritten Mal in Folge von Beginn an spielte, setzte keine Glanzlichter. Auch seine Zeit in Dortmund ist von Blessuren gezeichnet.
Zwar deutet er immer wieder sein Potential an, vor allem in der Offensivbewegung. Gegen den Ball ließ er sich zuletzt und auch gegen den den SCP aber teils zu leicht abkochen, der letzte Biss war nicht zu sehen. Der Spanier würde allerdings einmal ein paar überzeugende Auftritte am Stück benötigen, um sich ernsthaft im Konkurrenzkampf positionieren zu können.
Ein ähnlicher Dauer-Reservist wie Schulz ist Felix Passlack. Der Rechtsverteidiger, der überraschend beim BVB blieb und zu Saisonbeginn positiv auf sich aufmerksam machte, kam erstmals seit fast zwei Monaten zum Einsatz - Morey hatte zur Pause über Unwohlsein geklagt. Die 74 Minuten Spielzeit, sein zweitlängster Einsatz nach seinen insgesamt drei Partien über die volle Distanz, konnte Passlack aber nicht für sich nutzen.
Der 22-Jährige machte zwar einen soliden Eindruck, doch was hängenbleiben wird sind seine beiden Aussetzer, die zu Paderborns Toren führten: Vor dem 1:2 beging Passlack einen schülerhaften Fehler, als er eine Flanke in die Mitte des Strafraums und damit auf die Füße von Torschütze Julian Justvan köpfte. In der Nachspielzeit verursachte er durch sein ungestümes Zweikampfverhalten gegen Sebastian Schonlau den Elfmeter, der dem BVB 30 weitere Minuten bescherte.