Nach der dritten Meisterschaft mit Brisbane Roar in vier Jahren und vier individuellen Auszeichnungen als bester Spieler der Saison und des Meisterschafts-Finals genießt Thomas Broich Kult-, ja fast schon Helden-Statuts in Down Under. Der Auswanderer über den Hype um seine Person, australischen Patriotismus während der WM und die beste Entscheidung seines Lebens.
SPOX: Herr Broich, Sie haben im letzten Interview mit SPOX gesagt: "Ich stehe jeder Form von Personenkult kritisch gegenüber." Da müssen die letzten Tage ziemlich komisch für Sie gewesen sein?
Thomas Broich: (lacht) In der Tat, das war schon etwas unheimlich. Auch die ganzen Diskussionen darüber, ob ich der beste ausländische Spieler aller Zeiten bin - das generiert schon eine gewisse Fallhöhe. Darauf habe ich eher keinen Bock.
SPOX: Fühlen Sie sich eher eingeschüchtert als geehrt von den vier individuellen Auszeichnungen?
Broich: Ich würde nicht sagen eher, aber sowohl als auch. Es war oft genug der Fall in meiner Karriere, dass es genauso schnell wieder runter geht wie es hochgegangen ist.
SPOX: Also versuchen Sie, sich vom Hype um Ihre Person abzukapseln? Manche forderten Sie schon als Premierminister.
Broich: Das ist ja noch ganz witzig. Ich habe schon immer versucht, so wenige Sachen über mich selbst zu lesen wie möglich. Deshalb kriege ich nicht all zu viel mit - natürlich bis auf die Interviews, die ich gebe oder die Preisverleihungen, auf denen ich bin.
SPOX: In Deutschland hat man von der irren Saison von Brisbane Roar nicht viel mitbekommen, lediglich Ihre Auszeichnungen und der Final-Krimi gegen die Sidney Wanderers erregten medial Aufmerksamkeit. Wie haben Sie die vergangene Spielzeit erlebt?
Broich: Die Saison an sich ist relativ schnell zusammengefasst. Wir hatten letztes Jahr ein unfassbar schlechtes Jahr, nachdem wir davor zwei Mal die Meisterschaft geholt hatten. Das hat einigen wehgetan, deswegen hatten wir von Anfang an das Ziel Wiedergutmachung vor Augen und sind von Anfang an vorne wegmarschiert. Wir hatten die ganze Spielzeit über ein kleines Punkte-Polster und standen vier Spieltage vor Schluss als Erster fest. Und dann kommt in Australien das Finals-System, wo der Titel noch über Halbfinale und Finale ausgespielt wird.
SPOX: Wie bei den beiden Meisterschaften 2011 und 2012 wurde es noch äußerst spannend.
Broich: Ja. Denn wie es bei uns in den Finalspielen die Regel zu sein scheint, schießen wir in den ersten 85 Minuten keine Tore, sondern kassieren nur welche, um die Spiele dann auf dramatische Weise doch noch zu gewinnen (lacht).
SPOX: Woher dieser Hang zum Dramatischen?
Broich: Ich weiß es nicht. Wir haben super gespielt, aber das "back of the net" nicht gefunden. Erst kurz vor Schluss haben wir den Ausgleich gemacht. Dann waren wir aber am Drücker und haben die Partie in der Verlängerung verdient gewonnen.
SPOX: Das Grand Final ist ja selbst in Australien ein großes Event, fast schon mit Bundesliga-Atmosphäre. Wie weit ist der Fußball in der öffentlichen Wahrnehmung noch weg von den Nationalsportarten wie Rugby oder Cricket?
Broich: Wir haben mal wieder mächtig aufgeholt. Manch andere Sportarten warnen schon davor, dass der Fußball bald an ihnen vorbei zieht. Das wäre vor vier Jahren noch undenkbar gewesen.
SPOX: Hat das eventuell mit der anstehenden WM zu tun? Spürt man im Vorfeld eine steigende Begeisterung?
Broich: Nicht unbedingt. Das war einfach dank des Niveaus und der Atmosphäre in der Liga. Was uns aber natürlich helfen würde, wäre eine erfolgreiche Weltmeisterschaft. Als Australien bei der WM 2006 in Deutschland bis ins Achtelfinale kam und äußerst unglücklich gegen Italien ausgeschieden ist, gab es hier schon mal einen extremen Fußball-Boom. Die letzte WM in Südafrika war da sehr enttäuschend, da ist die Euphorie wieder ein Stück weit eingeknickt. Die Erwartungen sind natürlich nicht allzu groß bei der Gruppe mit Spanien, Chile und den Niederlanden. Drei Niederlagen wären da mehr oder weniger normal, aber wenn die Jungs wider Erwarten doch etwas reißen könnten, wäre das für uns als Liga großartig.
SPOX: In Deutschland herrscht während den großen Turnieren Ausnahmestimmung. Die Fanmeilen und Public-Viewing-Plätze sind voll und alle sind im Fußball-Fieber. Wie ist das in Down Under?
Broich: Wesentlich verhaltener, da Fußball dann doch nicht der Nationalsport ist. Aber der Patriotismus ist hier extrem ausgeprägt, die Leute werden also schon um vier Uhr morgens aufstehen, um die Spiele anzuschauen.
SPOX: Sie haben die extrem schwere Gruppe bereits erwähnt. Einige Ihrer Mannschaftskollegen werden ja in Brasilien für Australien auflaufen. Herrscht da eher Angst oder Vorfreude?
Broich: Die Freude überwiegt natürlich, dennoch können alle die Situation realistisch einschätzen. Es gibt nichts Größeres für einen Fußballer, als bei einer WM in Brasilien gegen diese Weltklasse-Teams antreten zu dürfen. Sie wissen natürlich, dass es wahrscheinlich nach der Vorrunde vorbei sein wird. Dennoch fühlen sie sich in der Underdog-Rolle wohl, weil sie gegen diese Gegner wirklich gar nichts zu verlieren haben. Sie fahren auch ganz sicher nicht hin, um bereits im Vorfeld alles abzuschenken - das ist nicht der australische Sportsgeist.
Seite 2: Broich über neue Lebensqualität und "Tom meets Zizou"
SPOX: Kommen wir zu Ihrer persönlichen Situation. Ihr Vertrag ist bis 2017 datiert, sie wären dann 36. Eine gute Zeit, um die Fußballschuhe an den Nagel zu hängen?
Broich: Da mache ich mir noch überhaupt keine Gedanken. Das ist noch soweit weg und es kann immer so viel passieren. Wenn es weiter so Spaß macht wie gerade, dann hänge ich vielleicht noch ein oder zwei Jahre dran. Alles, was über mein Vertragsende hinausgeht, lasse ich auf mich zukommen.
SPOX: Sie sprachen kürzlich von einer enormen Lebensqualität in Australien. Würden Sie es als beste Entscheidung Ihres Lebens bezeichnen, nach Down Under gegangen zu sein?
Broich: Ich glaube, das würde ich tatsächlich machen. Ich fühle mich so happy wie nie zuvor - privat und sportlich. Das Leben hier ist ein Traum, es fühlt sich an wie jeden Tag Urlaub. Der Winter wurde hier abgeschafft und unter der Sonne lässt es sich ganz gut leben.
SPOX: Anders als in Deutschland.
Broich: Auf jeden Fall. Natürlich spielt es auch mit rein, dass ich hier fußballerisch mein Glück gefunden habe. In Deutschland hatte ich immer das Gefühl, fehl am Platz zu sein. Hier werde ich respektiert, bin erfolgreich. Klar, dass sich das aufs Privatleben auswirkt.
SPOX: Wie kam der Kontakt nach Brisbane damals eigentlich zustande?
Broich: Ich hatte ehrlich gesagt mit dem Gedanken gespielt, komplett mit dem Fußball aufzuhören, nachdem es in Nürnberg nicht lief. Doch glücklicherweise war Dario Vidosic damals auch Spieler beim Club und dessen Vater war Co-Trainer bei Brisbane. Dario meinte, dass sein Vater froh wäre, wenn ich nach Brisbane gehen würde, bevor ich komplett das Handtuch werfe. Ein paar Wochen später war der Trainer der Roar auf Europa-Tour, wir haben uns in Nürnberg auf einen Kaffee getroffen und das Ganze festgezurrt.
SPOX: Sie sind dem Knochengeschäft Bundesliga so entflohen. Führen Sie jetzt ein lockereres und besseres Leben?
Broich: Genau so ist es. Man ist hier relativ unbehelligt, kein Vergleich zum Fußballerleben in Deutschland. Wir trainieren oft relativ früh am Tag, das heißt man hat viel Zeit zur freien Verfügung, die lässt sich hier ganz gut vertreiben.
SPOX: Mit der Gitarre am Strand?
Broich: (lacht) Zum Strand ist es doch ein Stückchen zu fahren. Auch mit den ganzen Reisen unter der Saison ist man froh, wenn man mal zuhause sein kann. Aber ich mache in der Tat viel Musik, das macht mir extrem viel Spaß.
SPOX: Im Film "Tom meets Zizou" (9. Juni um 23.10 Uhr im "WDR") sprechen Sie von Anzeichen einer Fußballer-Depression bei sich selbst. Glauben Sie, ihre Karriere hätte ähnlich wie die von zum Beispiel Sebastian Deisler geendet, wären Sie in Deutschland geblieben?
Broich: Da will ich gar keinen konkreten Vergleich ziehen, da das Einzelschicksale sind. Aber irgendwann, wenn dir die komplette Leichtigkeit abhanden kommt und es fast eine Qual wird, zum Training zu fahren, weißt du, dass es keinen Sinn mehr macht. Dass es enden muss. Wobei ich nicht behaupte, dass es tatsächlich eine Depression war, da es mir Abseits des Platzes noch ganz gut ging.
SPOX: Hat Ihnen das Filmprojekt geholfen, oder wollten Sie es in den schwierigen Phasen auch einfach mal sein lassen?
Broich: Mit dem Gedanken haben weder ich noch Aljoscha Pause gespielt. Doch gerade in sportlich schwierigen Zeiten hat es die Situation nicht gerade einfacher gemacht. Aber ich fand das Projekt auch gerade deswegen interessant. Klar wäre es einfach, eine reine Erfolgsstory zu erzählen, aber es hat ja auch einen gewissen Reiz, ein Fußballer-Leben nahe zu verfolgen, das nicht wie geplant verläuft.
Thomas Broich im Steckbrief
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