Viel Bayern und ein bisschen Armenien

SPOX
17. Mai 201616:05
Ausgewählte Highlights und Helden der Saisongetty
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Schluss, aus, vorbei! Die Bundesliga ist rum - SPOX blickt trotzdem noch einmal zurück auf die Highlights der Saison. Mit dabei: Ein Statement, eine Flugeinlage und ein Fünferpack aus München, ein Oldie, dem ganz Bremen zu Füßen liegt - und dem krassesten Underdog der Geschichte.

Spieler: Henrikh Mkhitaryan

Zwei Jahre lang schienen die 27,5 Millionen Euro Ablöse Henrikh Mkhiraryan im BVB-Dress lahmzulegen. Ihn trotz genialer Ansätze zu hemmen. So standen die Zeichen vor der Saison bereits auf Abschied - ein Gespräch mit dem neuen Coach Thomas Tuchel später blieb der Armenier beim BVB. Und spielte die Bundesliga in Grund und Boden.

Elf Tore und 20 Vorlagen stehen bei Mkhitaryan unter dem Strich in der Liga zu Buche. Insgesamt waren's in 51 Pflichtspielen 23 Tore und 32 Vorlagen - also 55 direkte Torbeteiligungen! Unter Tuchels rundumerneuertem BVB, der mit 78 Punkten in 16 der vergangenen 20 Jahre Meister geworden wäre, wurde der Armenier zum Schlüsselelement.

Die Flops der Saison 2015/16

Aus dem Anteil des Trainers - sowohl in Sachen Verleib, als auch in Sachen Formexplosion - macht der Rechtsaußen keinen Hehl. "Wir hatten von Anfang an eine gute Verbindung", sagte Mkhitaryan bereits unter der Saison. "Bei unserem ersten Gespräch hat er mir schon gesagt: 'Micky, ich kann dich auf höchstes Niveau bringen." Das hat er getan, und dafür bin ich ihm dankbar."

Trainer: Pal Dardai

"Ich bin nicht sauer, Platz sieben ist ein guter Platz." Das waren Pal Dardais Worte nach dem letzten Bundesligaspiel der Saison. Platz sieben, Qualifikation zur Europa League - das hätte man in der Hauptstadt vor der Spielzeit mit Lichtgeschwindigkeit unterschrieben, ohne das Kleingedruckte zu lesen.

Das Kleingedruckte in diesem Fall: Zur Winterpause stand die Hertha auf Platz drei, lange, lange Zeit war man auf Champions-League-Kurs. Manche Spieler machten es in Interviews deutlich, dass alles andere als die Königsklasse eine Enttäuschung wäre. Und dennoch: Es ist phänomenal, wohin Dardai den Fast-Absteiger aus dem Vorjahr geführt hat.

Im Sommer formte Dardai die von Jos Luhukay übernommene und gerettete Mannschaft nach seinem Gusto. Neuzugänge wie Vladimir Darida oder Mitchell Weiser schlugen voll ein - und dürfen sich auch dank ihres Coaches nächstes Jahr international beweisen.

Jungstar: Leroy Sane

Trotz eines kleinen Durchhängers rund um die Winterpause: Leroy Sane spielte mit seinen 20 Jahren eine herausragende Saison und half Königsblau in einer verkorksten Saison zum Mini-Happy-End und Platz fünf.

Acht Tore und sechs Vorlagen steuerte der Offensivmann in 33 Bundesligaspielen bei. In seiner erst zweiten Bundesligasaison und der ersten als Stammspieler wurde Sane zum wichtigsten Offensivmann und schaffte gar den Sprung in die deutsche Nationalmannschaft. Doch wie lange dürfen sie auf Schalke Sane noch bewundern?

Mit seinem irren Ballgefühl, seiner Wenigkeit und dem Trickreichtum hat sich der Youngster bereits in die Notizbücher der ganz großen Klubs gespielt. Schon im Winter seien Angebote jenseits der 50-Millionen-Marke eingegangen. Neben Manchester City soll auch Sanes Traumklub Barcelona um den Angreifer buhlen. Trotz Vertrag bis 2019 ohne Ausstiegsklausel scheint ein Wechsel wahrscheinlich.

Transfer: Chicharito

Manchester United sowie Real Madrid im Lebenslauf und erst 27 Jahre alt? Mexikanischer Nationalspieler mit einer Torquote von über 50 Prozent? Nach Leverkusen? Eigentlich undenkbar, dachte nicht nur die Fußballöffentlichkeit sondern auch Rudi Völler. "Als Manager Jonas Bold zum ersten Mal mit der Idee zu mir kam, hätte ich eigentlich nicht gedacht, dass wir eine Chance hätten, ihn zu bekommen", verriet der Bayer-Boss im Winter.

Da stand Javier Hernandez bereits knapp vier Monate bei Leverkusen unter Vertrag - und erwies sich dabei als absoluter Glücksfall. Der Mexikaner traf in der Hinrunde elf Mal, nach der Winterpause legte er sieben weitere Torerfolge nach.

In der Champions League ist die Quote noch beeindruckender. Chicharito traf in fast jedem Spiel, drehte also fast so oft mit ausgestreckten Armen zum Torjubel ab, wie er vor den Spielen am Mittelkreis kniete und gen Himmel blickte. "Es ist mein Ritual, um Gott zu danken, dass ich spielen darf", sagte Hernandez mal. In Leverkusen ist man vor allem dankbar, dass der Mexikaner für die Werkself spielt. Die zwölf Millionen Euro Ablöse waren bestens angelegtes Geld.

Comebacker: Claudio Pizarro

Die personifizierte Bremer Lebensversicherung war in einer in vielerlei Hinsicht emotionalen Rettungs-Saison der 37-jähriger Mittelstürmer mit dem unwiderstehlichen Grinsen. Claudio Pizarro erzielte nicht nur 14 Tore, der Peruaner war eine Punkte-Maschine: War Pizarro direkt an einem Treffer beteiligt, holte Werder 24 Punkte. Ohne Piza-Scorerpunkt gab es nur 14 Zähler.

"Ich kann helfen, dass sich auch hier Angst in Konzentration umwandelt", sagte er bereits im Oktober gegenüber 11Freunde. "Wenn alle in Panik ausbrechen, dann steht der Abstieg schon so gut wie fest. Wir müssen cool bleiben. Wir werden cool bleiben. Ich bin cool."

Selbst Niko Kovac, Trainer von Abstiegs-Endspiel-Gegner Eintracht Frankfurt, musste zugeben: "Er ist ein super-feiner Typ. Und im Strafraum ganz stark. Und er ist jetzt zum dritten Mal in Bremen, und bringt zum dritten Mal Top-Leistung, das spricht für ihn. Da hat Werder einen richtig Guten geholt vor der Saison." Am Dienstag gab es dann für alle Werder-Fans frisch nach den Klassenerhalt-Partys die nächste gute Nachricht: Pizarro hat seinen Vertrag in Bremen verlängert.

Überraschung: SV Darmstadt 98

Den Titel des "krassesten Außenseiters in der Bundesliga-Geschichte" hatte gerade erst ein Jahr vorher der SC Paderborn für sich beansprucht. Trotzdem wusste Trainer Dirk Schuster vor Beginn des Abenteuers Bundesliga, dass der Klassenerhalt eine Herkulesaufgabe werden würde. "Es fängt damit an, dass wir nicht ins Trainingslager nach Österreich oder China fliegen, sondern mit Kleinbussen in den Schwarzwald fahren", erklärte er damals im kicker.

Ein Hauch von Fußball-Romantik im Oberhaus, doch die kleinen Mittel des Aufsteigers zeigten große Wirkung: Darmstadt präsentierte sich vom ersten Spiel an als extrem unangenehmer Gegner, holte ein Remis auf Schalke und gewann mit 1:0 in Leverkusen.

Mit kompromissloser Defensive, einem unermüdlichen Kampfwillen und der Fähigkeit, Sandro Wagner zu einem Top-7-Stürmer zu formen (14 Saisontore, mehr als Huntelaar, Reus, Meier oder Raffael) erarbeiteten sich die Lilien das Privileg, frühzeitig den Klassenerhalt feiern zu dürfen. Und das bei nur zwei (!) Heimsiegen!

Was bleibt unter dem Strich also für den Verein mit dem niedrigsten Etat und dem niedrigsten Kaderwert - abgesehen von einer erneuten Saison mit kostengünstiger Vorbereitung und 34 Mal kratzen, beißen und kämpfen? Wagner wird 98 wohl verlassen, der Klub blickt dennoch nach vorne. "Solange wir in dieser Bruchbude spielen, haben wir einen klaren Wettbewersnachteil", sagte Schuster jüngst im SPOX-Interview. "Wir befinden uns auf dem richtigen Weg, den Profifußball am Böllenfalltor zu etablieren. Aber wir brauchen schnellstmöglich das neue Stadion."

Tor: Riberys Seitfallzieher gegen Frankfurt

Ein paar Schritte Richtung Frankfurter Tor. Ein Verteidiger rutscht weg. Schneller. Freie Bahn. Ein Zwischenschritt. Schuss! Lukas Hradecky lässt Mario Götzes Schuss abprallen. Was dann kommt, in der 20. Minute im Spiel der Bayern gegen Frankfurt, ist "Wahnsinn!", wie es Pep Guardiola nach Abpfiff ausdrücken wird.

König Franck erhebt sich persönlich, an der Strafraumgrenze steht der Franzose senkrecht in der Luft. Und mit einem Seitfallzieher nicht von dieser Welt befördert Ribery den Abpraller in einem Bogen über den geschlagenen SGE-Keeper hinweg in die Maschen. Traumtor, Siegtreffer - Wahnsinn eben!

Nach eines sich fast über ein Jahr hinziehenden Sprunggelenksverletzung und eines Muskelbünderisses war es nur eines von zwei Liagtoren Riery. Der durfte zum Saisonende aber nochmal zeigen, wie falsch viele mit dem prophezeiten Karriereende lagen. Nicht nur wegen des schönsten Tors der Saison.

Irrsinn: Lewandowskis Fünferpack gegen Wolfsburg

Es war die wohl legendärste One-Man-Show, die es in der Bundesliga je zu sehen gab. Eine One-Man-Show, die nicht nur Fußballfans auf der ganzen Welt die Köpfe schütteln ließ, sondern auch den Weg ins Guiness-Buch der Rekorde fand.

Robert Lewandowski wurde an diesem 22. September eingewechselt. Der Gegner: Wolfsburg. Der Spielstand: 0:1 lagen die uninspirierten Münchner gegen den VfL zurück. Doch das sollte sich kurz nach der Pause, kurz nach dem Moment, in dem Lewy den Platz betrat, schnellstens ändern.

Acht Minuten und 59 Sekunden brauchte der Pole, um die Partie zu drehen. Aber nicht zu einem 2:1, sondern zu einem 5:1. Der Angreifer selbst sprach nach seinem Füferpack (!) leicht untertrieben von einem "historischen Abend". Drei Treffer in 3:22 Minuten, vier in 5:42 und fünf in 8:59 waren noch nie einem Spieler geglückt, schon gar nicht einem Einwechselspieler. Mehrere Einträge ins Guiness-Buch und ein Bundesligaspiel für die Geschichtsbücher waren die Folge des polnischen Torrauschs.

Spiel: Bayerns 5:1 gegen den BVB

Wenn bereits nach acht Spielen von der Entscheidung in der Meisterschaft gesprochen wird, wenn Fußballdeutschland im Affekt schon Anfang Oktober die Hoffnung auf einen spannenden Kampf um die Schale aufgibt, dann muss etwas Großes passiert sein. Und das war es an diesem achten Spieltag in der Allianz Arena.

Das Gigantenduell zwischen Bayern und Dortmund, das Duell der sich dem Perfektionismus annähernden Münchner und des nach dem Neustart unter Thomas Tuchel sensationell gestarteten BVB - es wurde zum Schaulaufen für den Rekordmeister. 5:1 stand am Ende auf den Anzeigetafeln. Sieben Punkte standen nach Abpfiff als Abstand zwischen Spitzenreiter Bayern und dem ärgsten und einzig potenten Verfolger.

Vor allem aber stand eine Frage im Raum: Was soll man gegen diese Münchner ausrichten? Mit seinen weiten Bällen aus der Verteidigung sezierte Jerome Boateng die BVB-Abwehr ein ums andere Mal, Thomas Müller stakste unnachahmlich schon in der ersten Halbzeit zum Doppelpack, Robert Lewandowski und Mario Götze erlegten den ehemaligen Arbeitgeber in Hälfte zwei formvollendet.