"Fußballprofis furzen wie jeder andere"

David Schmitt
13. März 201515:48
Torsten Mattuschka will mit Energie Cottbus noch einmal in die 2. Liga aufsteigengetty
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Torsten Mattuschka ist zurück in seiner Heimatstadt Cottbus. Mit Energie soll in dieser Saison noch der Aufstieg in die 2. Liga gelingen. Bei Union Berlin prägte er die Vergangenheit und gilt als Vereinsikone. Im SPOX-Interview spricht "Tusche" über Entertainer-Qualitäten, seinen Weg zum Profi und ein mögliches Karriereende.

SPOX: Herr Mattuschka, Sie haben mal wieder richtige Entertainer-Fähigkeiten bewiesen: Mit Kollege Sven Michel sind Sie im Energie-Youtube-Channel als Moderator einer Homeshopping-Folge aufgetreten...

Torsten Mattuschka: Wir wurden gebeten, unsere Weihnachtsartikel ein bisschen zu bewerben. Dann habe ich zu Sven gesagt: "Komm wir machen das einfach frei Schnauze." Ohne Drehbuch und Probe. Wir haben einfach ein bisschen Blödsinn vor der Kamera gequatscht und die Artikel vorgestellt. Das kam gut an und war eine gelungene Sache. So ein Spaß gehört auf der Arbeit einfach dazu und ich bin dafür immer gerne zu haben.

SPOX: Ist denn die Rolle als Spaßmacher im Team bewusst gewählt oder entspricht das Ihrem Naturell?

Mattuschka: Ich bin einfach so, wie ich bin. Da ist nichts gestellt, das wäre viel zu anstrengend. Ich bin schon immer ein Typ gewesen, der Spaß am Leben haben und jeden Tag lachen will. Deshalb gehören auch Sprüche zur Arbeit dazu. In der Schule war ich auch schon so, bloß haben meine Noten immer ein wenig darunter gelitten. Ich bin ja nichts besseres, nur weil ich Fußballspieler bin. So trete ich jedem Menschen gegenüber. Dennoch muss man, wenn es drauf ankommt, die richtige Einstellung und Ernsthaftigkeit finden.

SPOX: Aber wie schwer ist der Spagat zwischen Spaßmacher und Autoritätsperson wirklich?

Mattuschka: Ich glaube die Jungs können das alle ganz gut einschätzen. Wenn ich mal was Wichtiges zu sagen habe, dann hören sie mir auch zu. Wenn es innerhalb der Mannschaft etwas anzusprechen gibt, dann mache ich das auch und nehme kein Blatt vor den Mund. Ich bin auch selbstkritisch genug, um zu wissen, wann ich scheiße spiele und wann gut. Wir sind Männer und können uns auch mal die Meinung sagen. Das heißt ja nicht, dass ich immer Recht habe. Ich bin nicht der Allwissende und im Gespräch bekommt man auch andere Standpunkte aufgezeigt. Mein Motto ist: Lieber gerade heraus als hintenherum. Damit bin ich immer gut gefahren und werde das auch beibehalten.

SPOX: Haben Sie sich denn mal einen Scherz erlaubt, der unerwartete oder üble Folgen hatte?

Mattuschka: Bei Union habe ich vor ein paar Jahren bei einem offiziellen Fototermin meine Hose runtergezogen. Da habe ich mir nichts weiter dabei gedacht und am nächsten Tag hat ganz Deutschland meinen Hintern gesehen. Ein ganz normaler Zeitungsfotograf hatte das Foto gemacht, den hatte ich noch nie gesehen. Für ihn war das natürlich ein super Foto und es ließ sich auch gut verkaufen. Das war einfach so eine typische Tusche-Aktion, über mögliche Konsequenzen habe ich in diesem Moment gar nicht nachgedacht.

SPOX: Kommen wir zum Sportlichen. Christoph Kramer hat mal in einem Interview über Sie gesagt, dass er es schätzt, dass Sie sich nicht dem harten Fußball in der 2. Liga angepasst haben, sondern einfach Ihr "Ding" durchziehen. Ist das in der 3. Liga auch noch möglich?

Mattuschka: Es ist schon ein anderer Fußball in der 3. Liga, vor allem ist es noch mehr Kampf. Aber ich versuche einfach meine Tugenden einzubringen. Ich bin keine Maschine, aber ich gebe immer alles auf dem Platz. Ich versuche zu rennen und zu kämpfen und ab und zu mal einen vernünftigen Ball zu spielen. Dennoch ist es schon eine kleine Umstellung.

SPOX: Der Abschied von Union Berlin im letzten Sommer fiel Ihnen nicht leicht. Wie viel Emotion ist heute noch dabei, wenn Sie an Union zurückdenken? SPOX

Mattuschka: Wenn man so lange für einen Verein gespielt und von der Regionalliga bis zur 2. Liga alles mitgemacht hat, dann ist da natürlich enorm viel Emotion dabei. Aber ich war an einem Punkt, an dem ich möglichst sachlich entscheiden musste, ob ich meine Karriere beenden möchte. Nach der Saison wäre es bei Union für mich wohl vorbei gewesen. Alle haben immer gesagt, ich sei zu langsam, zu dick und zu behäbig. Ich bin nun mal nicht der normale Fußballer und keine Elfe auf dem Platz. Ich habe immer alles für den Verein gegeben und auch Leistung gebracht. Der Abschied ging dann sehr schnell. Trotzdem habe ich nicht aus der Emotionalität heraus entschieden, sondern nachgedacht, was für mich in meiner Situation das Beste ist. Und einen Dreijahres-Vertrag bekommt man in meinem Alter nicht überall. Ich habe mir in Berlin in den Jahren zuvor viel aufgebaut und das macht mich auch stolz.

SPOX: Da gibt es ja auch dieses Lied...

Mattuschka: Das Lied, das mir die Fans gewidmet haben, ist einmalig. Das werde ich mit Sicherheit meinen Enkeln noch erzählen und bei Youtube zeigen können. Das zeigt mir einfach, dass die Fans erkennen, dass ich ehrliche Arbeit abliefere und ein Typ bin, der auf jeden zugeht. Die Fans von Union sind einfach weltklasse. Ich bin erhobenen Hauptes gegangen. Manch einer hat es verstanden, der andere nicht - das gibt es aber immer.

SPOX: Fühlten Sie sich am Ende ungerecht behandelt?

Mattuschka: Im Fußball kommt es vor, dass man nicht zu den Ideen des Trainers passt. Mir ging es um die Art und Weise, wie alles abgelaufen ist. Ich glaube nicht, dass ich innerhalb von sechs oder acht Wochen so sehr abgebaut habe, dass ich vom Topscorer der 2. Liga zum Einwechselspieler für fünf bis zehn Minuten wurde. Dennoch: Es war eine geile Zeit, die ich nie missen werde. Und ich bin sehr froh, dass Cottbus mir die Chance gegeben hat.

SPOX: Wäre denn eine Rückkehr zu Union denkbar, wenn sich die Perspektive eines Tages wieder ändern sollte?

Mattuschka: Das weiß ich nicht. Man sollte niemals nie sagen. Ich habe auch nicht gedacht, dass ich noch einmal weggehe von Union. Aber jetzt bin ich wirklich happy in Cottbus und verschwende keinen Gedanken an etwas anderes.

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Torsten Mattuschka im Steckbrief

SPOX: Bei Union-Fans waren Sie Publikumsliebling. Über den Verein hinaus aber auch ein Symbol für Fußballnostalgiker, eine Art Steven Gerrard von Union. Haben Sie das wahrgenommen?

Mattuschka: Klar bekommt man das ein bisschen mit, wenn man zum Beispiel durch Deutschland reist und überall erkannt wird. Das macht einen stolz. So ein kleiner Bubi, der noch bis 21 irgendwo auf dem Dorf gespielt hat, dann deutschlandweit bekannt und verdienter Zweitligaspieler ist. Wenn das so wahrgenommen wurde, dann freut mich das natürlich, dass meine Art und Weise da draußen ankommt. Es ist schön, dass die Verbindung Union-Mattuschka so in den Köpfen verankert ist.

SPOX: Hegen Sie selbst Bewunderung für Spieler wie Gerrard, die ihr Leben einem einzigen Klub widmen?

Mattuschka: Ja natürlich, ich finde so etwas geil, weil ich selber ein bodenständiger Typ und ziemlich verwurzelt bin. Das ist heutzutage im Fußball eher selten. Manche hauen sofort ab, wenn es mal schwierig wird, das passt aber nicht zu mir. Man muss einfach manchmal die "Jetzt-erst-recht"-Einstellung haben. Bei Steven Gerrard denke ich, dass es für ihn persönlich jetzt auch nicht einfach ist, nochmal woanders hinzugehen. Er ist da einfach die Liverpool-Ikone schlechthin. Jeder Fußballer will in einem Verein das Gefühl haben, gebraucht zu werden. Das ist auch in der Kreisliga so. Wenn dort einer unter der Woche gar nicht zum Training kommt und dann am Wochenende trotzdem an deiner Stelle spielt, dann sagt man sich vielleicht auch mal: "Leck mich doch am Arsch, ich geh woanders hin." Weil man Fußball spielen will. Etwas schöneres gibt es nicht.

SPOX: Sie sollen einst in Cottbus von der Sportschule geflogen sein. Wie kam es dazu?

Mattuschka: Ich habe die Klassenstufe nicht geschafft, war in der Schule so wie ich noch immer bin - nur noch ein wenig schlimmer. Ich hätte lernen müssen, um gut zu sein. Ich hatte allerdings nur Fußball im Kopf. Zu dem Zeitpunkt war ich in der B-Jugend und ich musste dadurch auch den Verein wechseln. In meinem letzten Spiel haben wir 15:0 gewonnen und ich habe zwölf Tore gemacht. Dann bin ich wieder aufs Dorf zu meinen Kumpels gegangen.

SPOX: Bereuen Sie das heute?

Mattuschka: Das habe ich mich selbst schon oft gefragt. Vielleicht hätte meine Karriere noch besser laufen können, aber ich kann das jetzt nicht mehr ändern. Fakt ist, dass ich in den wichtigen Jahren in der Jugend auf dem Dorf war und mir dadurch vermutlich Athletik und Schnelligkeit gefehlt haben. Aber das ist Spekulation. Trotzdem bin ich froh, dass ich als Quereinsteiger doch noch Profi wurde.

SPOX: Ab der Saison 1997 sollen Sie für den SV Dissenchen in 100 Spielen 100 Tore erzielt haben. Ist da was dran?

Mattuschka: Ich denke schon. Aber damals war es ja einfach nur Arsch rausstrecken, drehen und schießen. Dennoch: Durch solche Geschichten ist man bekannt geworden. Und mein Opa hat es dann immer wieder probiert, er wollte dass ich es zum Profi schaffe. Er hat die Amateur-Trainer von Energie immer wieder bequatscht und dann haben sie irgendwann gesagt, dass ich mal zum Spiel kommen soll.

SPOX: Also stimmt es wirklich, dass Ihr Opa dafür verantwortlich ist, dass Sie überhaupt Profi geworden sind? SPOX

Mattuschka: Ganz genau. Irgendwann wurde dann auch mal der Kontakt hergestellt, dass ich auch mal bei den Profis in einem Trainingsmatch mitspielen konnte. Trotz meiner damals 100 Kilo habe ich dann ein Tor gemacht und - ich glaube - zwei vorbereitet. Dann kam Ede Geyer zu mir und hat gesagt: "Du musst abnehmen!" Ich habe meine Lehre als Maler noch fertig gemacht und bin dann zum FC Energie gewechselt. Man sollte einfach immer an sich glauben, nie aufgeben und kämpfen für das, was man wirklich in seinem Leben erreichen will.

SPOX: Ist denn ein Karriereende überhaupt schon in Sicht?

Mattuschka: Ich denke schon, ja. Sollte es aber nach den noch zweieinhalb übrigen Jahren immer noch Spaß machen, wenn ich immer noch geradeaus laufen und der Mannschaft helfen kann, dann spiele ich womöglich weiter. Das kann ich aber nicht beeinflussen und vorhersagen. Fakt ist aber auch: Wenn ich merke, dass ich es nicht mehr hinbekomme, dann bin ich der Letzte, der auf Teufel komm' raus sagt: "Komm, ich mach noch'n Jahr."

SPOX: Ist nach dem Schlussstrich schon etwas geplant?

Mattuschka: Noch nichts Konkretes. Einen Co-Trainer-Posten könnte ich mir vorstellen. Heute sind die jungen Spieler reifer, aber man muss ihnen trotzdem mal Tipps geben und sagen können: "Bis hierhin und nicht weiter." Ich geh zwar auch gerne mal feiern, aber es kommt drauf an, wann man es macht. Ich war auch mal auf einer Party bis früh um 4 Uhr und dann um 6 Uhr auf dem Bau. Von daher weiß ich, wie ich das jetzt einzuschätzen habe. Was ich erleben darf und was für ein Leben ich führen kann. Ich bin nichts besseres, weil ich in der Öffentlichkeit stehe und ab und zu mal im Fernsehen zu sehen bin. Auch Fußballprofis furzen, genau wie jeder andere (lacht).

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Torsten Mattuschka im Steckbrief