Im Fadenkreuz der Jäger

Robin Küffner
15. Oktober 201512:31
Wer krönt sich 2015 in Chile zum U17-Weltmeister?getty
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Am Samstag beginnt mit dem Spiel England gegen Guinea die U17-WM in Chile. Das DFB-Team steigt am Sonntag (21 Uhr) gegen Australien ein. Wer macht am Ende das Rennen? Unter den 24 Teilnehmern tun sich vor allem der Europameister und die Mexikaner hervor. Doch Südamerika ist in Lauerstellung. Auch der DFB und der Titelverteidiger machen sich Hoffnung. SPOX macht den Favoritencheck.

Nigeria

Die Schlüsselspieler: Kelechi Nwakali (Mittelfeld/Manchester City), Victor Osimhen (Sturm), Samuel Chukwueze (Mittelfeld)

Gruppe: Chile, Kroatien, USA

WM 2013: Weltmeister

Nigeria reist zum vierten Mal als Titelverteidiger zu einer U17-WM. So oft wie die Afrikaner hat noch keine andere Nation die Trophäe geholt. Nur Brasilien hat ebenso oft wie Nigeria das Halbfinale erreicht (7). Erst einmal, 2003, schieden die Golden Eaglets in der Gruppenphase aus - und das denkbar unglücklich: Punkt- und torgleich mit Costa Rica hatte man damals beim Losentscheid das Nachsehen.

Doch 2015 setzte es für die Nigerianer schon einen herben Rückschlag: Bei der Afrikameisterschaft gingen sie als Topfavorit an den Start, den Turniersieg fuhren sie aber nicht ein. Zwar ging es ohne Probleme ins Halbfinale, was zur Teilnahme an der WM berechtigt, dort war aber gegen überraschend defensivstarke Südafrikaner Endstation. Trainer Emmanuel Amuneke nahm das Aus auf die leichte Schulter. Schließlich habe man mit dem WM-Ticket das wichtigste Ziel erreicht.

Dort will Amenuke aber wieder angreifen: "Wenn wir Weltmeister werden wollen, müssen wir uns sehr gut vorbereiten. Wir versuchen, einige der Fehler abzustellen, die wir in Niger erkannt haben." Und das scheint die WM-Vorbereitung zu beweisen: Zum Abschluss des Trainingslagers in Buenos Aires schlugen die Golden Eaglets das argentinische Team überzeugend mit 3:1, Top-Stürmer Victor Osimhen netzte gleich doppelt. Auf ihm und vor allem Kelechi Nwakali von Manchester City ruhen die Hoffnungen.

Ein Problem hat sich für Amuneke aber schon aufgetan: "Es ist in Chile kälter als bei uns. Wir sind froh, dass wir in Argentinien trainieren konnten, um uns darauf vorzubereiten." Seine Einschätzung: "Alle 24 Mannschaften haben eine Chance auf den Titel, aber wir fahren natürlich hin, um ihn zu verteidigen."

Prognose: So ambitioniert die Nigerianer auch sind, so schwankend waren in diesem Jahr die Leistungen. Bei der großen Konkurrenz aus Europa und Südamerika sollte die Gruppenphase zwar machbar sein, das Halbfinale wäre allerdings schon eine große Überraschung.

Deutschland

Die Schlüsselspieler: Constantin Frommann (Torwart/SC Freiburg), Niklas Dorsch (Mittelfeld/FC Bayern), Felix Passlack (Mittelfeld/Borussia Dortmund), Johannes Eggestein (Sturm/Werder Bremen)

Gruppe: Argentinien, Australien, Mexiko

WM 2013: Nicht qualifiziert

Den ganz großen Erfolg verbuchte eine DFB-U17 bei einer Weltmeisterschaft noch nie, nicht einmal die Goldene Generation um Götze & Co. Ein zweiter Platz 1985, ansonsten ging es selten über das Achtelfinale hinaus. Immerhin: Die letzten WM-Teilnahmen waren besser, dreimal in Folge verlor man gegen den späteren Weltmeister, zweimal davon reichte es zum dritten Platz (2007, 2011).

In diesem Jahr soll die titellose Zeit der U17 beendet werden. Den Grundstein dafür legte das DFB-Team bei der Europameisterschaft Anfang des Jahres, als Christian Wücks Team ohne Gegentor bis ins Finale marschierte. Erst dort erwies sich die Equipe Tricolore zu stark, Frankreich gewann deutlich mit 4:1.

Verteidiger David Nesseler von Bayer Leverkusen hakte das Endspiel aber schnell ab: "Wir werden dieses Turnier in guter Erinnerung behalten. Es war nicht das bestmögliche Ende, trotzdem geht der Blick nach vorne. Wir haben hier viel gelernt, was uns in der Zukunft weiterbringen wird."

Auch wenn das DFB-Team nach der Pleite gegen Frankreich sicher nicht als Topfavorit ins Turnier geht, zeigt sich vor allem Kapitän Felix Passlack gegenüber SPOX zuversichtlich: "Wir wollen wieder das Bestmögliche erreichen. Jeder hat sich in den letzten Monaten weiterentwickelt. Viele haben auch in ihren Vereinen wichtige Erfahrungen gemacht und vielleicht schon mal mit den Profis trainiert. Ich sehe uns auf einem besseren Stand als bei der EM. Das Finale ist auch in Chile unser Ziel. Wenn es diesmal der Titel wird, umso schöner."

Prognose: Wück ist sich auch um die Erwartungen an eine deutsche Nachwuchsmannschaft bewusst: "Wir sind ziemlich gut besetzt. Es soll nach Möglichkeit bis ins Finale gehen." Eine ambitionierte Einschätzung, zumal in der Gruppenphase schon zwei hochkarätige Gegner warten. Kann man Argentinien und/oder Mexiko hinter sich lassen, ist aber alles drin.

Seite 1: Die Ambitionierten

Seite 2: Südamerika in Lauerstellung

Seite 3: Die Topfavoriten

Argentinien

Die Schlüsselspieler: Franco Petroli (Tor/River Plate), Facundo Pardo (Abwehr/Newell's Old Boys), Julian Chicco (Mittelfeld/Boca Juniors), German Berterame (Sturm/San Lorenzo)

Gruppe: Australien, Deutschland, Mexiko

WM 2013: Vierter

Argentiniens U17 hat erst dreimal in der Geschichte die WM verpasst. Bei zwölf Endrundenteilnahmen kam die Albiceleste zehnmal unter die letzten 16 und achtmal ins Viertelfinale. Das einzige Manko: eine Finalteilnahme oder gar Titel gab es für Argentinien noch nie. Am besten schnitt man 1991, 1995 und 2003 jeweils mit dem dritten Platz ab.

Ähnlich wie bei den Brasilianern ging es bei der Südamerikameisterschaft in diesem Jahr für die Albiceleste auf und ab. Nach zwei Niederlagen in der Vorrunde schaffte man so eben die Qualifikation für die abschließende Sechserrunde, in der man sogar Brasilien schlug. Auf Titelkurs liegend setzte es aber eine Niederlage gegen Uruguay und zwei Unentschieden gegen Ecuador und Kolumbien, weshalb es in der Endabrechnung Rang zwei wurde.

Dieser kann den Argentiniern trotzdem Mut machen. Chefcoach Miguel Angel Lemme schien sein Team nämlich erst nach den beiden Pleiten zum Auftakt gefunden zu haben. Die vier Gegentore aus diesen Spielen wurden in den restlichen sieben Partien nur knapp überboten (5). Auch sein variabler Angriff brachte ihm im Vorfeld der WM einen Schub, weil Tomas Conechny und German Berterame gleichermaßen Torgefährlichkeit ausstrahlen.

Prognose: Die Schwierigkeit besteht für Argentinien bei der WM im Nachbarland in der Gruppenphase. Die Auslosung bescherte die Todesgruppe C, in der sich die Mitfavoriten Deutschland und Mexiko mit der Albiceleste um ein Weiterkommen streiten werden. Schafft man es als Gruppenerster oder Gruppenzweiter, wäre der Weg ins Finale absolut machbar. Der Knackpunkt: Die Albiceleste hat sich gefunden und eingespielt, der Erfolg hängt aber nach wie vor von der Tagesform der Gegner Brasilien, Mexiko und Frankreich ab, die generell einen etwas stärker einzuschätzenden Kader haben.

Brasilien

Die Schlüsselspieler: Leandro (Sturm/Palmeiras), Evander (Sturm/Vasco da Gama), Andrey (Mittelfeld/Vasco da Gama), Caique (Außenverteidiger/FC Sao Paulo)

Gruppe: England, Guinea, Südkorea

WM 2013: Viertelfinale

Brasilien und Fußball - das passt, egal in welchem Alter. Gemeinsam mit den USA haben sie an den meisten U17-Weltmeisterschaften teilgenommen: Zählt man 2015 mit dazu war Brasilien bei 15 aus 16 Turnieren mit dabei. Vergleichbar sind die beiden dennoch kaum: Während die USA es erst einmal ins Halbfinale schaffte (1999), gewann die Nachwuchs-Selecao das Turnier bereits dreimal (1997, 1999 und 2003) und wurden zweimal Zweiter (1995 und 2005).

Doch 2015 ist noch nicht alles Gold, was glänzt: Die Südamerikameisterschaft zeigte eines der großen Probleme der U17-Canarinha: Konstanz. In der Vorrunde setzte es eine Niederlage gegen Venezuela und ein Remis gegen Paraguay, Siege gegen Peru und Kolumbien retteten sie aber in die Endrunde. Dort gab es erneut Niederlagen gegen Argentinien und Kolumbien und trotzdem schaffte es Brasilien, den Titel nach Hause zu holen. Ein Auf und Ab der Gefühle.

Ein weiteres Problem kommt aus der Klischee-Kiste: Hinter einem starken brasilianischen Angriff steht eine wankende Abwehr. Mit 18 Treffern glänzte die Offensive um Leandro bei der Sudamericano, hinten klingelte es aber gleich 14 Mal. Aber: Der Titelgewinn gibt ihnen Recht. Das sieht auch Trainer Caio Zanardi so: "Ich habe mich über den Titelgewinn gefreut, weil die Spieler viel Einsatz gezeigt haben und weil wir mit einer offensiven Ausrichtung gewonnen haben. Deshalb haben wir mehr Gegentreffer kassiert, aber ich bin sehr glücklich."

Über die Defensive sorgen sollte sich Zanardi trotzdem. Denn klar ist: Mit wenigen Offensivspielern, die nach hinten arbeiten und der generell anfälligeren Verteidigung werden die Brasilianer gegen die Topteams nicht bestehen. Und die könnten schon im Achtelfinale lauern, denn wenn die Selecao ihre Gruppe wie erwartet gewinnt, könnte das Los den drittplatzierten der Gruppe C treffen - die Gruppe um Deutschland, Mexiko und Argentinien.

Prognose: In der Gruppe ist die Selecao Top-Favorit. Dank der gefährlichen Offensive um Leandro und Evander braucht sich der brasilianische Nachwuchs auch nicht in der K.o.-Phase verstecken - im Gegenteil. Dennoch ist die Konstellation in den anderen Gruppen mitentscheidend. Trifft man früh im Turnier auf einen der anderen Favoriten, könnte es durchaus knifflig werden - außer Zanardi bekommt seine defensive Unordnung in den Griff.

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SPOX

Frankreich

Die Schlüsselspieler: Odsonne Edouard (Sturm/PSG), Luca Zidane (Tor/Real Madrid), Timothe Cognat (Mittelfeld/Olympique Lyon), Nanitamo Ikone (Linksaußen/PSG), Bilal Boutobba (Mittelfeld/Olympique Marseille)

Gruppe: Neuseeland, Paraguay, Syrien

WM 2013: Nicht qualifiziert

Frankreich geht als amtierender Europameister in die Weltmeisterschaft. Im Mai gelang den Franzosen mit nur einem Gegentor der Durchmarsch ins Finale gegen Deutschland, das durch einen Hattrick von Odsonne Edouard mit 4:1 gewonnen wurde.

Die WM-Vergangenheit der U17-Equipe ist weniger glorreich. Erst zum fünften Mal bei der insgesamt 16. Auflage ist man bei der U17-WM dabei, für die letzte WM in den Vereinigten Arabischen Emiraten 2013 konnte man sich ebenso wie 2009, 2005 und 2003 qualifizieren. Das soll aber nichts heißen: Bei den bisherigen Teilnahmen 2011, 2007 und 1987 kam man bis ins Viertelfinale des Turniers, 2001 holte man sogar den Titel.

"Diese Mannschaft wollte hier ein tolles Ergebnis erzielen. Aber das allein ist nicht das Wichtigste. Vielmehr kommt es dabei darauf an, einen guten Fußball zu spielen", erklärte Trainer Jean-Claude Giuntini nach dem Gewinn der EM in Bulgarien Anfang dieses Jahres.

Die Franzosen glänzten zuletzt mit hohem Ehrgeiz und Zielstrebigkeit in allen Aktionen, hinzu kommen die starken Individualisten wie Edouard und Cognat sowie der sichere Rückhalt Luca Zidane im Tor. Zudem haben sie mit dem technisch überragenden Bilal Boutobba einen Spieler im Team, der jederzeit den Unterschied machen kann.

Prognose: Die eindrucksvolle EM steckt bei vielen Gegnern noch in den Köpfen, was den Franzosen schon vorneweg einen kleinen Vorteil bringt. Gelingt es, das Potenzial auch in Chile wieder abzurufen, gehört die französische U17 zu den Topfavoriten auf den Turniersieg. Ohne Wenn und Aber.

Mexiko

Die Schlüsselspieler: Eduardo Aguirre (Sturm/Santos Laguna), Ulises Torres (Abwehr/CF America), Claudio Zamudio (Sturm/Monarcas Morelia)

Gruppe: Argentinien, Australien, Deutschland

WM 2013: Zweiter

Fast schon traditionell wird Mexiko heiß gehandelt. Bei den Weltmeisterschaften 2005 und 2011 im eigenen Land holten die Mexikaner den Titel, seit 1999 kamen sie - mit Ausnahme von 2001 und 2007, als sie sich nicht qualifizierten - immer mindestens ins Achtelfinale.

Raul Gutierrez gelang mit dem Triumph 2011 und der dem Finale 2013 der Beweis für die starke Jugendarbeit der Mexikaner. Bei der letzten WM mussten sie sich nur den überragenden Nigerianern geschlagen geben: in der Vorrunde deutlich mit 1:6, im Finale mit 0:3.

"El Patro" dankte daraufhin ab, ein Problem war das für den mexikanischen Nachwuchs aber nicht. Mario Arteaga übernahm und führte die U17 in diesem Jahr prompt mit einem 3:0 gegen Honduras zum sechsten Sieg bei der CONCACAF U17 Championship und buchte so das WM-Ticket.

Arteaga steht trotzdem unter Druck. Nach zwei Titeln in drei Finals in den vergangenen zehn Jahren sind die Erwartungen an den neuen Coach natürlich hoch. Angesichts dessen bleibt er aber gelassen: "Es herrscht kein Druck, denn sie haben ihren Beitrag schon geleistet. Sie haben uns gezeigt, dass der Weg offen steht und dass man die Dinge erreichen kann. Diese Mannschaft hat einen großen Erfolgshunger und spürt die Verpflichtung, etwas Bedeutendes zu erreichen." Mexiko ist gewillt, den Beweis anzutreten, immer noch zu den besten Nachwuchs-Schmieden der Welt zu gehören.

Prognose: Mit El Tri ist auch in diesem Jahr zu rechnen. Der WM-Titel führt wohl nur über Mexiko und Frankreich, die von der Stärke etwa gleichauf liegen. Durch die Kontinuität der Arbeit und die hohe Talent-Dichte haben die Mexikaner in den letzten Jahren - und auch 2015 - gezeigt, wie gut sie sind. Definitiv einer der beiden Top-Favoriten.

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