"Streich ist wie ein Papa für uns"

SPOX
18. April 201615:08
Vincenzo Grifo (r.) an der Seite von Trainer Christian Streichimago
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Der SC Freiburg rast fast unaufhaltsam in Richtung Bundesliga. Bei einem Spieler zeigt das Leistungsbarometer derzeit nahezu 100% an: Vincenzo Grifo. Im Interview spricht der Zauberfuß über "Papa" Christian Streich, seine spät gezündete Karriere und die Hoffnungen auf die Squadra Azzurra.

SPOX: Herr Grifo, der SC hat eine beachtliche Serie von acht Siegen in Folge aufgestellt. Am Wochenende unterlagen nun auch noch Leipzig und Nürnberg. Wer kann Freiburg auf dem Weg in die Bundesliga überhaupt noch aufhalten?

Vincenzo Grifo: (lacht) Nur wir selbst. Man spricht ja immer viel über die anderen, aber wir haben uns vom 1. Spieltag an geschworen, dass wir nur auf uns schauen und in jedem Spiel Gas geben. Wir wollen von jetzt an jedes Spiel gewinnen und versuchen, konstant zu bleiben. Wenn man sich auf die anderen konzentriert, ist man selbst nur bei 95 Prozent. Und genau die restlichen fünf Prozent können am Ende dann entscheidend sein.

SPOX: Beim SC sind spielerisches Potenzial und hohe Qualität vorhanden. Kann Freiburg mit dieser Mannschaft in der ersten Liga die Klasse halten?

Grifo: Da schauen Sie ein bisschen zu weit voraus. Natürlich haben wir für die 2. Liga sehr viel Qualität, vor allen Dingen in der Offensive. In dieser Saison konnten wir uns aber nicht oft mit Erstligisten messen. Wir konzentrieren uns deshalb erstmal auf die letzten fünf Spiele. Die sind entscheidend.

SPOX: Apropos starke Offensive: Sie selbst haben 13 Tore geschossen und elf weitere vorbereitet. Und das, obwohl sie zwischenzeitlich auch verletzt ausfielen. Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Leistung?

Grifo: Generell bin ich ein Spieler, der Zufriedenheit immer am Erfolg der Mannschaft misst. Die aktuelle Situation ist daher für mich eine ganze neue Situation, da ich bei meinen ehemaligen Vereinen eher gegen den Abstieg gespielt habe. Es ist also etwas ganz Neues für mich, oben mitzumischen.

SPOX: Beim SC spielen sie hauptsächlich auf Linksaußen. Beim FSV Frankfurt hatten sie mindestens genauso oft die Rolle als Spielmacher. Auf welcher Position sehen Sie sich?

Grifo: Auf beiden Positionen. Ich bin gelernter Zehner, aber auch auf Außen fühle ich mich wohl, da man oft Eins gegen Eins gehen kann. In unserem Spiel variieren wir gerade in der Offensive sehr viel. Wir sind alle nicht immer nur auf einer Position - mal in der Mitte, mal rechts. Das macht uns vielleicht auch ein Stück weit aus.

SPOX: Sie posten gerne Mal Bilder auf Facebook oder Instagram mit ihren Mannschaftskollegen. Es scheint, als hätten Sie Spaß bei der Arbeit.

Grifo: Auf jeden Fall. Ich fühle mich sehr wohl. Die Jungs hier sind alle super lieb. Wir unternehmen immer mal wieder was zusammen. Man geht mal ins Kino oder was Essen. Dieses Zusammengehörigkeitsgefühl spiegelt sich dann auch auf dem Platz wieder. Das zeigen wir in dieser Saison.

SPOX: Trainer Christian Streich ist in seiner Art etwas speziell. Wie kommen Sie mit ihm klar?

Grifo: Sehr gut! Ich habe in einem dreiviertel Jahr unter ihm einfach enorm viel gelernt. Vor allen Dingen im Bereich Taktik hat er mich extrem weiter gebracht. Er weiß genau, wie er mich nehmen muss. Er ist ein sehr emotionaler Trainer. Andererseits ist er auch für uns ein bisschen wie ein Papa. Er redet mit uns auch Mal ein Wörtchen über das Privatleben. Da kann man sich eigentlich nur wohlfühlen.

SPOX: Wie "nimmt" er die Spieler denn?

Grifo: Er weiß, wie er den Spielern Vertrauen schenken kann. Aber er weiß auch genau, wann er uns Mal hart rannehmen, anschreien oder anmotzen muss. Und er hat auch das Gespür dafür, wann er mit uns liebevoll umgehen kann. Dadurch fühlt man sich sehr wohl und hat großen Respekt vor dem Trainer. Es entsteht dadurch so etwas wie eine Vater-Sohn-Bindung. Ich gehe mit ihm sehr offen um. Wenn ich ihm etwas zu sagen habe, dann reden wir darüber.

SPOX: Allgemein gelten Sie als Spätzünder, wechselten erst in der A-Jugend von Pforzheim in die U19 vom KSC. Dann der Schritt nach Hoffenheim, wo sich nach starken Regionalligaspielen plötzlich im Bundesliga-Kader standen. Ging das alles zu schnell?

Grifo: Nein, gar nicht. Ich nehme alles mit, was ich kann. Ich habe es damals schon bewiesen, dass ich das nötige Können besitze. Auch da hat mir Trainer Markus Babbel schon sehr viel Vertrauen geschenkt. Das brauchst du als junger Spieler unbedingt, um befreit aufzuspielen zu können. Im Endeffekt bin ich zufrieden, wie das Ganze gelaufen ist.

SPOX: Würden Sie heute sagen "Nein, Herr Babbel. Ich möchte mich in Ruhe in der zweiten Mannschaft entwickeln?"

Grifo: Absolut nicht. Wenn man in der zweiten Mannschaft gute Leistungen zeigt, in wenigen Spielen viele Tore macht, dann wird man dafür belohnt. Das ist nicht immer der Fall, aber bei mir war es glücklicherweise so.

SPOX: Tore schießen Sie auch heute noch viele. Vor allen Dingen auffällig: Treffer durch direkte Freistöße (fünf bislang in dieser Saison). Woher kommt diese unfassbare Qualität?

Grifo: Ich weiß es nicht (lacht). Spaß beiseite. Da steckt natürlich sehr viel Arbeit dahinter. Als kleiner Junge habe ich schon viel aufs Tor geschossen. Ich habe mein Können tatsächlich der Zeit auf dem Bolzplatz zu verdanken. Da hat man jeden Tag geübt und sich auch die nötige Zeit genommen, Freistoß-Dummys aufzustellen.

SPOX: Ihr älterer Bruder Francesco (28) spielt auch aktiv Fußball in der Landesliga. Liegt der Torriecher in den Genen der Familie Grifo?

Grifo: Das tut er, definitiv! Gerade meinem großen Bruder habe ich sehr viel zu verdanken. Er hat mich früher immer mitgenommen. Dadurch habe ich immer gegen ältere Jungs gespielt. Das war für mich ein größerer Anreiz als gegen Gleichaltrige. Er selbst ist auch ein sehr guter Fußballer, ein klassischer Linksfuß, der auch viel Feingefühl besitzt. Aber auch mein kleiner Bruder spielt natürlich Fußball. Wir sind eine Fußballer-Familie.

SPOX: Bleiben wir bei der Familie. Silvester 2014 feierten Sie mit 200 anderen Italienern in einer großen Halle. Wie viel "Italia" steckt in Ihnen?

Grifo: Eigentlich wurde ich ja in Deutschland geboren. Dennoch sind wir eine komplett italienische Familie. Bei uns zu Hause wird daher auch italienisch gesprochen. Außerdem habe ich dort viele Verwandte. Daher fühle ich mich eigentlich auch mehr zu Italien hingezogen. Trotzdem bin ich sehr vorsichtig damit, da ich mich in Deutschland unglaublich wohlfühle. Auch die gute Ausbildung in der Schule ist da zu erwähnen. Dafür bin ich sehr dankbar.

SPOX: Kommt durch Ihre italienische Staatsbürgerschaft zukünftig auch die Squadra Azzurra in Frage?

Grifo: Das ist natürlich mein Traum. Ich arbeite darauf hin. Doch das ist noch ein sehr weiter Weg. Vielleicht klappt es ja in einigen Jahren, eventuell klappt es auch schneller.

SPOX: Sie kommen aus Pforzheim, kennen auch das Großstadtleben in Frankfurt. Wie gefällt Ihnen denn der Breisgau?

Grifo: Hier in Freiburg kann man außerhalb des Platzes gut abschalten. Das habe ich in meiner relativen kurzen Zeit in der Stadt schon gemerkt. In Freiburg hat man die ausgewogene Mischung. Damit macht man auf jeden Fall nichts falsch.

Vincenzo Grifo im Steckbrief