Real Madrid: Ein elektrisierendes Team

Andreas Lehner
23. Juni 201011:18
Real Madrid will ins Champions-League-Finale vor eigenem Publikum im Bernabeu-Stadion Getty
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Real Madrid sorgt in Spanien für große Begeisterung und wird von den Gegnern bewundert. Jetzt muss der Klub seine Stärke auch in Europa beweisen. Lyon ist der Gradmesser für Spieler, Trainer und Präsident.

Am Dienstag war er schon mal da. Der erste sichere Teilnehmer des Champions-League-Finals in diesem Jahr: der offizielle Endspielball. Sein ganz unprätentiöser Name: Finale Madrid.

Die UEFA stellte im Beisein der ehemaligen Real-Legenden Emilio Butragueno und Fernando Hierro das Spielgerät vor. Der Ball konnte sich schon mal an den Rasen und das Ambiente im Estadio Santiago Bernabeu in Madrid gewöhnen.

Am Mittwoch (20.30 Uhr im LIVE-TICKER, auf SAT.1 und SKY) will Real Madrid im heimischen Stadion eine aussagekräftige Bewerbung als zweiter Finalteilnehmer abgeben. Die Aufgabe: ein Sieg gegen Olympique Lyon mit zwei Toren Unterschied. Das Hinspiel in Frankreich ging 0:1 verloren.

Ramos: "Eine magische Nacht im Bernabeu"

Real lieferte im Stade Gerland ein schwaches Spiel ab und konnte sich glücklich schätzten, nicht höher verloren zu haben. Das Selbstvertrauen vor dem Rückspiel ist dennoch massiv. "Wir werden 3:0 gewinnen und die Leute werden wieder kommen, um die Mannschaft nach vorne zu peitschen wie gegen Sevilla", sagte Sergio Ramos und versprach "eine weitere magische Nacht im Bernabeu".

Das 3:2 am Samstag gegen Sevilla war der entscheidende Impuls, den die Mannschaft brauchte, um mit diesem überbordenden Real-Selbstvertrauen ins Rückspiel zu gehen, das den Klub seit jeher auszeichnet.

Auch wenn dasselbe Ergebnis am Mittwoch nicht reichen würde, war der Spielverlauf die optimale Einstimmung auf das K.o.-Spiel gegen Lyon. Real erzwang den Sieg nach einem 0:2-Rückstand mit einer Mixtur aus unbändigem Willen, enormer Hartnäckigkeit und spielerischer Ekstase. Eigenschaften, die auch gegen Lyon gefragt sein werden.

Das beste Real aller Zeiten

"Das ist das beste Real, das ich je gesehen habe. Und ich habe eine Menge gesehen", sagte ein beeindruckter Sevilla-Trainer Manolo Jimenez nach der Partie. "Sie haben diesen elektrisierenden Fußball gespielt, für den sie bekannt sind. Sie haben große, kraftvolle und schnelle Spieler. Einfach unglaublich.

"Real scheint eine gewisse Balance gefunden zu haben, zwischen offensivem Spektakel und defensiver Stabilität. Das Torverhältnis von 67:20 nach 25 Spieltagen ist das beste seit Jahren. Xabi Alonso (gegen Lyon gesperrt) und Lassana Diarra stabilisieren die Defensive, Cristiano Ronaldo und Gonzalo Higuain sind wuchtige Angreifer. Jetzt müssen sie den Beweis ihrer Stärke auch in großen Spielen auf internationaler Bühne bringen. Und dazu könnte auch das Spiel gegen Sevilla seinen Teil beigetragen haben.

Mentale Blockade gelöst

Dieser Moment löste eine mentale Blockade. Zum ersten Mal in dieser Saison setzte sich Real in einem Duell mit einem Gegner auf Augenhöhe durch. Zuvor wurden die Prüfsteine Milan, Lyon, Barca und Sevilla zu Stolpersteinen. "Wir befinden uns in einem sehr guten Moment, fußballerisch wie auch psychisch", befand Trainer Manuel Pellegrini.

Auch für den Chilenen wird die Partie zum Schlüsselspiel der Saison. Schon mehrfach forderten die spanische Presse und die Real-Fans den Kopf des Trainers. Nach dem peinlichen Aus in der Copa del Rey gegen den Drittligisten Alcorcon wäre das erneute Scheitern im Achtelfinale der Königsklasse - es wäre das sechste in Folge - das endgültige Entlassungsurteil für Pellegrini. Spätestens am Ende der Saison. Real hat in der Vergangenheit oft genug bewiesen, dass selbst ein Meistertitel nicht vor einer Entlassung schützt.

Die einfache Rechnung des Präsidenten

Zumal der neue alte Präsident Florentino Perez vor der Saison über 300 Millionen Euro in neue Spieler investierte und die zweite Ära der Galaktischen lautstark einläutete. Das Fußballverständnis des Baulöwen Perez ist ein einfaches: Beste Spieler gleich beste Mannschaft. Also verpflichtete er im Sommer Cristiano Ronaldo und Kaka. Zuletzt schien die Rechnung zumindest in der Liga aufzugehen, Real erzielte in den vergangenen sechs Spielen immer mindestens drei Treffer und entriss dem FC Barcelona die Tabellenführung.

Aber für Perez ist Fußball mehr als das Streben nach Siegen und Pokalen, er betrachtet das Spiel und sein Umfeld aus der Unternehmersicht. In seiner ersten Amtszeit machte er den Klub zur stärksten Marke im Weltfußball und löste Manchester United als reichsten Klub des Planeten ab.

Das System Perez

Auch die Weltstars seien nicht teuer, wenn man sie als Marke begreife und von ihrem Markenwert profitiere. Durch gesteigerte Sponsorengelder, Merchandising und die Partizipation an den Bildrechten der Stars steigen die Einnahmen des Unternehmens Real Madrid stetig an.

Auch jetzt läuft die Geldruckmaschine schon wieder auf Hochtouren. Im vergangenen Geschäftsjahr durchbrach Real als erster Klub die magische Schallmauer von 400 Millionen Euro Umsatz. So funktioniert der Fußball im Kopf von Florentino Perez.

Den Höhepunkt erreichte diese Idee im Sommer 2003 mit der perfekt inszenierten und für die Öffentlichkeit aufbereiteten Verpflichtung von David Beckham, die gleichzeitig den sportlichen Abstieg einer gealterten Mannschaft einläutete. Vier Jahre lang konnte Real keinen einzigen Titel feiern, weder national noch international.

50 Jahre und vier Tage später...

Perez hatte zwar ein prosperierendes Unternehmen aufgebaut, aber die Kernkompetenz des Vereins vernachlässigt. Diesen Spagat muss er in dieser Amtszeit schaffen muss. Und es scheint als hätte Perez aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. Der Präsident betonte gern, kein Verein weit und breit habe mehr "Weltfußballer des Jahres" unter Vertrag gehabt als Real Madrid. Doch kaum einer dieser Titel wurde im Real-Trikot errungen. Fast alle Großen kamen, als ihr Stern schon wieder am Sinken war. Auch bei Kaka besteht diese Gefahr, mit Ronaldo und Karim Benzema hat Perez aber dieses Mal auch in die Zukunft investiert.

Wirtschaftliche und sportliche Rendite werden aber sofort eingefordert, das Jahr 2010 soll ein Highlight in der ruhmreichen Geschichte des Klubs werden.

Vor 50 Jahren, am 18. Mai 1960, holte Real den ersten Europapokal der Landesmeister in einem epischen Finale gegen Eintracht Frankfurt in Glasgow.

Perez will den acht noch lebenden Legenden ein großes Fest bereiten: 50 Jahre und vier Tage später soll "La Decima", der zehnte Titel, eingefahren werden. Und das im eigenen Stadion. Der Ball jedenfalls wird wieder da sein. Bei Real kann man sich noch nicht so sicher sein.

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