Brand: "Das Unverständnis bleibt bestehen"

Florian Regelmann
12. Januar 201116:33
Heiner Brand steht noch bis 2013 beim DHB unter VertragGetty
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Heiner Brand ist seit 1997 Bundestrainer. Bei SPOX blickt Deutschlands lebende Handball-Legende auf seine 16 Turniere als DHB-Cheftrainer zurück und erinnert sich: an die Anfänge, an seine Schiri-Wut - und an den Typen, der einfach nie dabei war. Ein Streifzug durch eine bemerkenswerte Bundestrainer-Karriere.

Seit 14 Jahren ist Heiner Brand Bundestrainer. Bei der WM in Schweden bestreitet der 58-Jährige sein 16. Turnier als DHB-Chefcoach.

"Es war eine sehr intensive Zeit. Der Handball ist enorm populär geworden, im Zuge dessen ist auch immer mehr PR-Arbeit für mich hinzugekommen. Die Möglichkeiten der Einflussnahme sind geringer geworden, dagegen ist die Einflussnahme der Liga-Geschäftsführung auf die Nationalmannschaft stärker geworden. Die Aufgabe ist über die Jahre insgesamt sicher schwieriger geworden", erklärt Brand im Gespräch mit SPOX.

Trotz aller Schwierigkeiten überwiegt aber der Spaß. Brand arbeitet inzwischen mit einer neuen Spielergeneration zusammen, aber viel geändert hat sich nicht.

"Die Einstellung der Spieler ist sehr ähnlich. Ich habe aktuell eine Generation an Spielern, die im Training super mitzieht und sehr aufgeschlossen ist gegenüber neuen Impulsen. Die Arbeit im Training ist sogar eher einfacher als mit der früheren Generation, weil sich bei der aktuellen Mannschaft noch nicht diese Persönlichkeiten herauskristallisiert haben, wie wir sie damals hatten. Es ist ein Wandel im Gange, bei dem jeder seine Rolle zu finden versucht", beschreibt Brand.

Sein laufender Bundestrainer-Vertrag geht noch bis 2013 - Stand heute soll danach Schluss sein. Nach 20 Turnieren als Bundestrainer. Bis dahin ist es aber noch ein langer Weg. Bei SPOX blickt Brand auf seine bisherigen Turniere zurück.

Teil 1: Die Anfänge

Januar 1997, Amtsübernahme: Am 31. Dezember 1996 geht die Zeit von Arno Ehret als Nationaltrainer nach dreieinhalb Jahren zu Ende. Es übernimmt Heiner Brand. Brand hatte schon früh in seiner Trainer-Karriere unzählige Erfolge gesammelt.

In der Bundesliga holte er sowohl mit dem VfL Gummersbach (1988&1991) als auch mit der SG Wallau-Massenheim (1993) die deutsche Meisterschaft - mit Wallau erreichte er sogar das Finale im Europapokal der Landesmeister (1994). Als Brand im Alter von 44 Jahren Chef der Nationalmannschaft wird, ist es das Resultat einer logischen Entwicklung.

Heiner Brand: "Das Bundestrainer-Amt zu übernehmen habe ich damals als große Ehre angesehen. Aber auch als große Herausforderung. Ich hatte zu dem Zeitpunkt schon meine Erfolge als Vereinstrainer gefeiert, es hat einfach gepasst. Es gab schon zu früheren Zeitpunkten immer mal Überlegungen, aber da wäre es definitiv zu früh für mich gekommen. Ich habe die Aufgabe dann sehr gerne angetreten."

EM 1998 in Italien/Platz 3: Brands Debüt-Turnier wird zu einem vollen Erfolg. Bei der EM in Südtirol gibt es zum Auftakt der Gruppenphase zwar eine knappe 20:21-Niederlage gegen die übermächtigen Schweden, aber danach marschiert das deutsche Team durchs Turnier.

Erst im Halbfinale ist gegen Spanien Endstation. Im Spiel um Platz 3 werden die Russen mit 30:28 nach Verlängerung niedergerungen. Europameister wird Schweden.

Heiner Brand: "Der dritte Platz war ein großer Erfolg, weil es seit 1978 wieder die erste Medaille für den deutschen Handball war. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich gleich bei meinem ersten Turnier sofort mit der immensen Erwartungshaltung konfrontiert worden bin. Wir verloren gegen die damalige Übermannschaft Schweden mit einem Tor und dennoch war eine große Enttäuschung zu spüren. Daran musste ich mich erst einmal gewöhnen. Diese hohe Erwartungshaltung ist bis heute geblieben und wird sich wohl auch nicht mehr ändern." (lacht)

WM 1999 in Ägypten/Platz 5: Das DHB-Team spaziert in Kairo durch die Vorrunde, unter anderem gibt es einen 23:18-Sieg gegen den Gastgeber. Im Achtelfinale putzt Deutschland Algerien mit 28:17 von der Platte. Es läuft alles wie geschmiert, doch dann kommt das Viertelfinale gegen Jugoslawien. Trotz Halbzeitführung (12:10) reicht es am Ende nicht. 21:22. Aus. In der Folge gewinnt Deutschland das Spiel um Platz 5 gegen Frankreich 26:21. Den Titel holen sich - völlig überraschend - mal wieder die Schweden...

Heiner Brand: "Wir hatten Riesenpech, als sich Daniel Stephan im letzten Vorbereitungsspiel an der Hand verletzte und ausfiel. Er war damals auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn und der zentrale Punkt in unserem Team. Als ich den Job übernommen habe, dachte ich mir, dass ich um Daniel eine Mannschaft aufbaue. Und dann fiel der aus. Von diesem Zeitpunkt an hatten wir eigentlich bei jedem Turnier mit Ausfällen zu kämpfen. Wenn Daniel dabei gewesen wäre, hätten wir um eine Medaille spielen können, ohne ihn haben wir im Viertelfinale einfach kein gutes Spiel gezeigt. Aber mit der erfolgreichen Olympia-Qualifikation war das Abschneiden am Ende noch okay."

EM 2000 in Kroatien/Platz 9: Mit einem enttäuschenden 24:24 gegen die Ukraine geht die EM schon schlecht los - und sie wird auch nicht mehr besser. Ein weiteres Remis, diesmal gegen Norwegen, ist alles, was Deutschland noch an Punkten einfährt. Es setzt Pleiten gegen Frankreich, Spanien und Kroatien.

Nach einem 19:17 gegen Dänemark steht der neunte Rang als Abschlussergebnis fest. Quizfrage: Wer wurde wohl Europameister? Richtige Antwort: Selbstverständlich wieder die Schweden.

Heiner Brand: "Der neunte Platz lässt sich leicht erklären. Die Mannschaft, mit der wir in Kroatien an den Start gehen mussten, hatte mit der richtigen Nationalmannschaft wenig zu tun. Daniel war angeschlagen, Markus Baur ebenfalls, Blacky Schwarzer war nicht dabei, ich musste sogar den Flensburger Matthias Hahn reaktivieren. Dennoch ist ein neunter Platz natürlich immer eine Enttäuschung für den deutschen Handball."

Olympia 2000 in Sydney/Platz 5: Brand führt seine Mannen zum ersten Mal zu einem olympischen Turnier und es wird sofort ein unfassbar dramatisches. In der Vorrunde feiert man tolle Siege gegen Russland und Jugoslawien, aber dann macht man sich Platz eins in der Gruppe durch eine ärgerliche Niederlage gegen Ägypten zunichte.

Es kommt zum Viertelfinale gegen Spanien, an das sich besonders ein Mann sein Leben lang erinnern wird: Stefan Kretzschmar. Letzte Minute, Deutschland in Ballbesitz und in Überzahl. Kretzsche kommt frei zum Wurf - Latte! In Unterzahl finden die Iberer danach irgendwie noch Guijosa, der völlig frei am Kreis steht und vier Sekunden vor Schluss das 27:26 für Spanien besorgt. Bitter ist gar kein Ausdruck. Olympiasieger werden übrigens nicht die Schweden. Sie werden im Finale von Tutschkins Russen bezwungen.

Heiner Brand: "Wir haben in diesem Turnier teilweise sehr guten Handball gespielt. Uns wurde auch von anderer Seite bestätigt, dass wir vielleicht die beste Mannschaft waren. Aber das nützte uns alles nichts, weil wir in entscheidenden Situationen entscheidende Fehler gemacht haben. Es fing damit an, dass wir in der Vorrunde, als wir schon qualifiziert waren, gegen Ägypten verloren und dadurch im Viertelfinale gegen Spanien kamen. Dort haben wir in der Schlussphase dann auch ein paar individuelle Fehler gemacht, die das Spiel zugunsten der Spanier entschieden haben. Es war schade, weil wir spielerisch auf dem Höhepunkt waren. Bogdan Wenta, Volker Zerbe, Frank von Behren kam gerade auf, dazu Klaus-Dieter Petersen und Mike Bezdicek - da passte bei uns schon viel zusammen."

Teil 2: Endlich - Der erste Titel

Teil 3: Weltmeister im eigenen Land - Der Höhepunkt

Teil 4: Der Brand'sche Wutanfall und der WM-Ausblick

Teil 2: Endlich - Der erste Titel

WM 2001 in Frankreich/Platz 8: Deutschland lässt in der Vorrunde in Besancon den Handball-Großmächten aus den USA (40:12) und Grönland (39:8) keine Chance. Gegen Spanien setzte es eine ziemliche Klatsche (22:31). Im Achtelfinale wartet Tunesien, das sich als harter Brocken erweist. 26:24 für Deutschland heißt es am Ende.

In der Runde der letzten Acht kommt es zum Duell gegen Gastgeber Frankreich. Ein dramatisches Spiel geht nach Verlängerung 23:26 verloren. In den Platzierungsspielen gegen Russland und die Ukraine ist die Luft raus. Wieder wird es nichts mit dem nächsten Titel für Schweden. Frankreich gewinnt das Finale gegen die Tre Kronor 28:25 nach Verlängerung.

Heiner Brand: "Gegen Frankreich haben wir Sekunden vor Schluss sensationell geführt, bis wir einen Moment unachtsam waren und Jackson Richardson den Ausgleich geworfen hat. Wir hatten den späteren Weltmeister in deren Land am Rande einer Niederlage. Und das mit einer Mannschaft, die wieder mal nicht komplett war. Ich musste Thomas Knorr nachnominieren, es war eine ziemlich zusammen gewürfelte Truppe. Dass wir am Ende nur Achter wurden, ist für mich nicht so wichtig. Es ging im Platzierungsspiel morgens um 10 Uhr gegen die Ukraine und ich hatte keine Spieler mehr, weil alle verletzt waren."

EM 2002 in Schweden/Platz 2: Ein Turnier, das wegen zwei Spielen besonders im Gedächtnis bleiben sollte. Zum einen wegen der Abwehrschlacht von Jönköping. Im ersten Gruppenspiel "bekriegen" sich Deutschland und Frankreich zu einem 15:15. Und zum anderen wegen des Endspiels.

Nach einem Halbfinal-Erfolg gegen Dänemark spielt Deutschland im Finale gegen den Gastgeber. Und nicht nur gegen ihn. Es geht gegen über 14.000 Fans im rockenden Stockholmer Globen. Die Verlängerung muss entscheiden. Das Ende vom Lied: Schweden: 33. Deutschland: 31. Bundestrainer Brand ist ganz nahe an seinem ersten Titel.

Heiner Brand: "Wir haben das Finale eigentlich nicht verloren. Wir hatten einen korrekten Siegtreffer erzielt, der uns nicht gegeben wurde. Es war nichtsdestotrotz ein starkes Spiel und eine starke EM von uns. Es war auch der Beginn der Karriere von Pascal Hens, der sich im Lauf des Turniers immer mehr gesteigert hat und zum Schluss zum Stamm gehörte. Das 15:15 gegen Frankreich würde heutzutage sicher nicht vorkommen. Ich weiß gar nicht mehr genau, wie es zustande kam, aber die beiden Abwehrreihen müssen wohl recht gut gewesen sein." (lacht)

WM 2003 in Portugal/Platz 2: Deutschland spielt ein nahezu perfektes Turnier. Nach sechs Siegen und einem Unentschieden gegen Jugoslawien heißt der Gegner im Halbfinale mal wieder Frankreich.

Und diesmal haben die Deutschen beim 23:22-Erfolg das nötige Quäntchen Glück. Wieder steht Brand dicht vor seinem ersten Triumph, aber wieder reicht es nicht ganz. Das Finale gegen Kroatien geht 31:34 verloren.

Heiner Brand: "Wieder ein Turnier, das bei uns von Ausfällen geprägt war. Zerbe und Kretzschmar waren nicht dabei, in anderer Aufstellung hätte es komplett anders aussehen können. Die Qualität reichte nicht ganz, auch wenn wir selbst mit den Ausfällen die Chance hatten, das Finale noch zu biegen."

EM 2004 in Slowenien/Platz 1: Das Turnier startet gar nicht gut. Gleich der Auftakt gegen Serbien und Montenegro wird in den Sand gesetzt (26:28). Aber danach fightet sich Deutschland mit einem Sieg gegen Polen (41:32) und einem Remis gegen Frankreich (29:29) ins Turnier rein und qualifiziert sich dank einer makellosen Hauptrunde noch fürs Halbfinale.

Dort setzt man sich in einem Krimi gegen Dänemark durch (22:20). Man steht beim dritten Turnier in Folge wieder im Endspiel. Und diesmal klappt es endlich mit dem ersehnten Titel. Gastgeber Slowenien wird im Finale sehr überzeugend mit 30:25 geschlagen. Deutschland ist Europameister!

Heiner Brand: "Nach der Auftaktniederlage haben wir Frankreich eigentlich dominiert, aber dann doch nur Unentschieden gespielt. Mit dem klaren Sieg gegen Polen ging es dann immer stetig aufwärts. Im Endeffekt haben wir das Turnier sehr souverän gewonnen. Der Titel hat auch gezeigt, dass man sich Erfolge erarbeiten kann und muss. Irgendwann wird man dann auch belohnt. Es war schön, einen Titel zu gewinnen und für die Anstrengungen der ganzen Jahre belohnt zu werden."

Teil 1: Die Anfänge

Teil 3: Weltmeister im eigenen Land - Der Höhepunkt

Teil 4: Der Brand'sche Wutanfall und der WM-Ausblick

Teil 3: Weltmeister im eigenen Land - Der Höhepunkt

Olympia 2004 in Athen/Platz 2: Deutschland kommt als Europameister mit viel Rückenwind zu den Olympischen Spielen, aber in der Vorrunde läuft es allenfalls mittelmäßig. Es gibt Niederlagen gegen Frankreich und Ungarn. Was zur Folge hat, dass man im Viertelfinale wie schon vor vier Jahren auf Spanien trifft... Es ist die Chance zur Revanche. Und die Chance wird genutzt.

In einem der dramatischsten Handballspiele, die die Welt jemals gesehen hat, gewinnt Deutschland 32:30. Besser gesagt: Deutschland gewinnt 2:0 im Siebenmeterwerfen. Der große Held heißt Henning Fritz. Nach einem überragenden Halbfinal-Sieg, bei dem man die Russen bei 15 Toren hält (21:15), greift Deutschland nach Gold. Dass es nur Silber wird, liegt an den zu starken Kroaten, die das Finale mit 26:24 für sich entscheiden.

Heiner Brand: "Eine Silbermedaille zu gewinnen, ist sicherlich sehr gut. Wir hatten wieder Probleme mit Verletzungen und nach dem Ausfall von Pascal einfach nicht mehr die Qualität im Rückraum, um genügend Druck auf die Kroaten auszuüben. Wir hatten uns ja auch nur mit einer überragenden Abwehrleistung gegen die Russen ins Finale gekämpft. Ich weiß noch, dass Petersen verletzt war, aber dafür war Jan-Olaf Immel bärenstark."

WM 2005 in Tunesien/Platz 9: Die Nationalmannschaft befindet sich im Neuaufbau. Die Ergebnisse sind dementsprechend bescheiden. In der Vorrunde wird das kritische Spiel gegen Serbien und Montenegro knapp verloren (24:25), in der Hauptrunde folgen Pleiten gegen Spanien (28:32) und Kroatien (26:29).

So ist am Ende Rang neun nach einem 39:34 gegen Tschechien das höchste der Gefühle. Weltmeister wird Spanien, das sich im Endspiel überraschend klar gegen Kroatien durchsetzt (40:34). Gastgeber Tunesien verpasst angeführt von Top-Torjäger Wissem Hmam nur knapp eine Medaille (25:26 gegen Frankreich im Spiel um Platz 3).

Heiner Brand: "Das war sicherlich kein gutes Turnier, aber es war eben auch die Phase des Neuaufbaus. Ohne Schwarzer. Ohne Zerbe. Ohne Petersen. Ohne Kretzschmar. Uns sind viele Leistungsträger weggebrochen. Dazu war Oleg Velyky verletzt, Pascal auch - Daniel war wie immer bei einer WM nicht dabei. Dennoch haben wir gegen Spanien trotz limitierter Möglichkeiten ganz gut ausgesehen. Aus meiner Sicht war es trotz der schlechten Platzierung kein Turnier, das mich unzufrieden gemacht hat. Ich konnte realistisch einschätzen, was für uns möglich war."

EM 2006 in der Schweiz/Platz 5: Deutschland reist als Titelverteidiger in die Schweiz, hat aber eine brutale Gruppe erwischt. Ein Remis gegen Spanien (31:31) und eine Niederlage gegen Frankreich (25:27) bringen Brands Männer ins Hintertreffen.

Da Spanien und Frankreich sich keine Ausrutscher leisten, reichen Deutschland selbst drei Hauptrunden-Siege gegen die Ukraine, Slowenien und Polen nicht mehr zum Halbfinaleinzug. Im Spiel um Platz 5 gibt es mit einem 32:30-Sieg gegen Russland einen versöhnlichen Abschluss. Frankreich wird erstmals Europameister (31:23 im Finale gegen Spanien).

Heiner Brand: "Wieder das gleiche Spiel. Velykys Ausfall kurz vor Turnierstart hat uns hart getroffen. Dennoch haben wir ein gutes Turnier gespielt und nur ein Spiel verloren. Wir haben gesehen, dass wir mit den meisten Teams mithalten können. In gewisser Weise war diese EM der Ausgangspunkt für den WM-Titel ein Jahr später."

WM 2007 in Deutschland/Platz 1: Das für alle Zeiten unvergessliche Turnier. Die 25:27-Pleite gegen Polen in der Vorrunde erweist sich als ein Schuss vor den Bug zum richtigen Zeitpunkt. Brand muss zwischendurch eingreifen ("Wer hat Pizza aufs Zimmer bestellt?"), aber mit Beginn der Hauptrunde spielt sich Deutschland getragen von der Stimmung im eigenen Land immer mehr in einen Rausch.

Nach den Siegen gegen Tunesien, Slowenien und Island folgen der Viertelfinal-Erfolg gegen Spanien (27:25) und der legendäre Halbfinal-Erfolg gegen Frankreich. 32:31 nach zweimaliger Verlängerung. Es ist DAS Handballspiel der deutschen Geschichte. Nach einem 29:24 im Finale gegen Polen geht die Party los und hört so schnell nicht mehr auf. Deutschland ist Weltmeister!

Heiner Brand: "Es war sicherlich ein Turnier, bei dem wir auch das Glück gehabt haben, das uns vorher gefehlt hat. Aus der frühen Niederlage gegen Polen haben wir gelernt und dann ist auch einfach viel perfekt zusammengekommen. Nach dem Ausfall von Markus Baur kam Mimi Kraus, den niemand auf der Rechnung hatte, und hat überragende Leistungen gebracht. Lars Kaufmann war als Joker ganz wichtig, Henning Fritz war beim THW Kiel nur noch dritter Torwart und spielte dann so eine fantastische WM. Wenn es bei einem früheren Turnier mal so gepasst und wir so ein Glück gehabt hätten, hätten wir auch früher schon mal den Titel holen können. Aber dass es sich so gefügt hat, im eigenen Land Weltmeister zu werden, war natürlich wunderschön."

EM 2008 in Norwegen/4. Platz: Deutschland kommt als amtierender Weltmeister nach Norwegen und zeigt wechselhafte Vorstellungen. In der Vorrunde wird man in der 2. Hälfte von Spanien an die Wand gespielt (22:30), in der Hauptrunde ist Frankreich einen Tick zu stark (23:26). Dank eines Sieges im letzten Spiel gegen Schweden (31:29) und dank eines ziemlich kuriosen Turnierverlaufs zieht Deutschland aber dennoch ins Halbfinale ein.

Dort steht es gegen Dänemark kurz vor Schluss noch unentschieden, ehe Lars Christiansen Dänemark drei Sekunden vor dem Ende vom Siebenmeter-Punkt zum 26:25-Sieg wirft. Dänemark holt sich dann auch den Titel - 24:20 im Finale gegen Kroatien. Deutschland verabschiedet sich mit einer peinlichen Vorstellung aus dem Turnier. Beim 26:36 gegen Frankreich beträgt der Rückstand zwischenzeitlich 14 Tore!

Heiner Brand: "Ein Turnier, das in der Bewertung zu schlecht weggekommen ist. Aus der ersten Enttäuschung heraus auch bei mir. Man kann gegen Frankreich verlieren, aber die Art und Weise, wie wir uns nicht mal gewehrt haben, hat mich sehr enttäuscht. Insgesamt war es aber dennoch ein ordentliches Turnier. Vor allem, wenn man bedenkt, dass uns wieder Oleg Velyky ausgefallen ist, der in der Form seines Lebens war."

Teil 1: Die Anfänge

Teil 2: Endlich - Der erste Titel

Teil 4: Der Brand'sche Wutanfall und der WM-Ausblick

Teil 4: Der Brand'sche Wutanfall und der WM-Ausblick

Olympia 2008 in Peking/Aus in der Vorrunde: Das Turnier nimmt einen extrem bitteren Verlauf. Mit Südkorea, Dänemark, Island, Russland und Deutschland gibt es in der Vorrunden-Gruppe B fünf Mannschaften, die alle fast gleichauf liegen. Deutschland lässt gegen Island (29:33) und Russland (24:24) Punkte liegen, sodass es zu einem Do-or-Die-Spiel gegen Dänemark kommt. Friss oder stirb?

Und in Peking erlebt Deutschland den ganz frühen sportlichen Tod. Nach einem sehr enttäuschenden 21:27 gegen Dänemark ist Olympia ganz früh vorbei. Die Franzosen feiern nach einem 28:23 im Finale gegen die sensationellen Isländer ihre Goldmedaille.

Heiner Brand: "Mein dänischer Kollege hat mir später mal gesagt: 'Heiner, mit der Mannschaft konntet ihr gegen uns nicht gewinnen.' Und er hatte wohl Recht. Das war ein Turnier, bei dem es sich mit den Ausfällen extrem gehäuft hat. Uns hat schlicht und ergreifend die Qualität gefehlt. Selbst wenn wir weitergekommen wären, eine Medaille hätten wir nie schaffen können. So realistisch muss man sein."

WM 2009 in Kroatien/Platz 5: Gleich zum Auftakt lässt Deutschland gegen Russland (26:26) einen Punkt liegen, aber danach spielt die Brand-Truppe eine blitzsaubere Vorrunde. Das Halbfinale scheint machbar. Ein wildes 35:35 gegen Serbien zum Hauptrunden-Auftakt ist ein erstes schlechtes Zeichen, danach folgt eine 24:25-Pleite gegen Norwegen, die für einen TV-Moment des Jahrzehnts sorgt.

Das skandalöse slowenische Referee-Duo Krstic/Ljubic pfeift Christian Schöne bei einem Einwurf mehrere Male zurück - solange bis die Zeit abgelaufen ist. Unfassbar. Unfassbar auch, wie Brand dann mit erhobener Faust auf die Refs zustürmt. Für kurze Zeit hätte man denken können, dass er ihnen jetzt tatsächlich eine verpasst...

Zu allem Überfluss verletzt sich auch noch Mimi Kraus im Spiel schwer. Im letzten Hauptrunden-Spiel verliert man gegen Dänemark (25:27) und verpasst das Halbfinale. Frankreich holt sich durch ein 24:19 gegen Kroatien den Titel.

Heiner Brand: "Zu der Sache mit den Schiedsrichtern kann ich nur sagen, dass mein Unverständnis bis heute bestehen bleibt. Und das bezieht sich nicht nur auf das Norwegen-Spiel, sondern auch auf die Partie gegen Dänemark. Ich will damit aber meine Aktion nicht rechtfertigen, die fand ich damals nicht gut und finde sie auch heute nicht gut. Nur meine Einschätzung der Situationen hat sich kein bisschen geändert. Es war schade, weil wir eine optimale Vorrunde gespielt hatten und nur noch zwei Punkte brauchten, um das Halbfinale klarzumachen. Und dann verlieren wir auf diese Weise gegen Norwegen und Dänemark und Polen wirft gegen Norwegen den Siegtreffer ins leere Tor. Erst damit waren wir ja raus. Bei diesem Turnier ist einiges gegen uns gelaufen."

EM 2010 in Österreich/10. Platz: Nach einer Niederlage gegen Polen (25:27) und einem Remis gegen Slowenien (34:34) steht Deutschland schon in der Vorrunde vor dem Aus, rettet sich dann aber mit einem 30:29 gegen Schweden noch in die Hauptrunde. Das war es dann aber auch, was es positiv zu berichten gibt. 22:24 gegen Frankreich, 20:25 gegen Spanien, ein bezeichnendes 26:26 zum Abschluss gegen Tschechien, Rang 10 in der Endabrechnung.

So schlecht war Deutschland noch nie. Es ist das Ergebnis aus Verletzungsproblemen, unglaublicher Formtiefs einiger Schlüsselspieler und einer insgesamt zu blutleeren Vorstellung. Der amtierende Olympiasieger und Weltmeister Frankreich krönt sich durch einen 25:21-Finalsieg gegen Kroatien in Wien auch zum Europameister.

Heiner Brand: "Ich bin niemand, der sich an Platzierungen aufhängt. Mir geht es um die Leistung und die war in Österreich nicht ausreichend. Natürlich gab es einige Punkte, die als Erklärung dienen können. Pascal war nicht dabei, Mimi war nicht fit, Holger war nicht in Form, aber wir haben auch nicht so Handball gespielt, wie ich mir das vorstelle. Vor allem hatten wir viel zu wenig Disziplin im Spielaufbau. Es war die Leistung, die mich nicht zufrieden gestellt hat."

WM 2011 in Schweden/?: Eines ist klar: Deutschland fährt sicher nach als einer der großen Favoriten nach Schweden. Die Vorrunde wird schwer genug. Mit Frankreich, Spanien, Tunesien, Ägypten und Bahrain hat man eine Art Todesgruppe erwischt. Bis auf Bahrain ist kein Sieg hundertprozentig sicher. Gegen Tunesien hat man sich in der Vergangenheit immer schwer getan und praktisch nie hoch gewonnen, auch Ägypten ist mit seinem deutschen Trainer Jörn-Uwe Lommel ein unangenehmer Gegner.

Klar ist aber auch, dass das Spiele sind, die im Endeffekt gewonnen werden müssen. Gelingt das, ist der Hauptrunden-Einzug schon mal sicher. Spanien und selbst Frankreich sind für Deutschland aber auch immer zu schlagen, wenn alles passt. Mit mehr als zwei Minuspunkten darf man aus der Vorrunde auf jeden Fall nicht herauskommen, wenn das Halbfinale angepeilt werden soll.

Das Mindeste, was angepeilt werden muss, ist Rang sieben. Nur der Weltmeister qualifiziert sich direkt für Olympia 2012, weitere sechs Teams dürfen ein Quali-Turnier bestreiten. Dass die Verletzungssorgen so gering sind wie lange nicht, darf positiv stimmen. Wenn es sehr gut läuft, kann es bis ins Halbfinale gehen. Wenn es sehr schlecht läuft, kann es aber auch ein kurzes Turnier werden. Es ist völlig unmöglich vorauszusagen.

Heiner Brand: "Was mir Mut macht ist, dass wir komplett antreten können, ich endlich mal auf allen Positionen Alternativen habe und die Formkurve bei einigen Spielern auch nach oben zeigt. Wir müssen aus dem letzten Turnier lernen und eine größere Disziplin im Angriff an den Tag legen. Wenn wir das beherzigen und einige Fehler weniger machen, können wir einiges erreichen. Selbst die letzte EM hat gezeigt, dass wir nicht weit weg sind. Trotz schlechten Spiels haben wir immer noch aufgeholt und hätten sogar Frankreich noch fast geschlagen."

... über das Ziel?: "Nach Einschätzung der Fachleute gehören wir sicher nicht zu den Favoriten, aber die Anspruchshaltung in Deutschland geht schon in die Richtung. Wir haben die stärkste Liga der Welt, Handball ist in Deutschland 'in', daraus wird eben gerne abgeleitet, dass die Nationalmannschaft auch dementsprechend stark sein muss. Dabei vergisst man gerne, dass es in der Liga Entwicklungen gibt, die eher kontraproduktiv sind. Aber wir gehen optimistisch ins Turnier und glauben, dass wir weit kommen können. Das Ziel ist das Halbfinale."

Teil 1: Die Anfänge

Teil 2: Endlich - Der erste Titel

Teil 3: Weltmeister im eigenen Land - Der Höhepunkt

Der Spielplan der Handball-WM 2011