Brand: "Das Unverständnis bleibt bestehen"

Von Florian Regelmann
Heiner Brand steht noch bis 2013 beim DHB unter Vertrag
© Getty
Cookie-Einstellungen

Teil 3: Weltmeister im eigenen Land - Der Höhepunkt

Olympia 2004 in Athen/Platz 2: Deutschland kommt als Europameister mit viel Rückenwind zu den Olympischen Spielen, aber in der Vorrunde läuft es allenfalls mittelmäßig. Es gibt Niederlagen gegen Frankreich und Ungarn. Was zur Folge hat, dass man im Viertelfinale wie schon vor vier Jahren auf Spanien trifft... Es ist die Chance zur Revanche. Und die Chance wird genutzt.

In einem der dramatischsten Handballspiele, die die Welt jemals gesehen hat, gewinnt Deutschland 32:30. Besser gesagt: Deutschland gewinnt 2:0 im Siebenmeterwerfen. Der große Held heißt Henning Fritz. Nach einem überragenden Halbfinal-Sieg, bei dem man die Russen bei 15 Toren hält (21:15), greift Deutschland nach Gold. Dass es nur Silber wird, liegt an den zu starken Kroaten, die das Finale mit 26:24 für sich entscheiden.

Heiner Brand: "Eine Silbermedaille zu gewinnen, ist sicherlich sehr gut. Wir hatten wieder Probleme mit Verletzungen und nach dem Ausfall von Pascal einfach nicht mehr die Qualität im Rückraum, um genügend Druck auf die Kroaten auszuüben. Wir hatten uns ja auch nur mit einer überragenden Abwehrleistung gegen die Russen ins Finale gekämpft. Ich weiß noch, dass Petersen verletzt war, aber dafür war Jan-Olaf Immel bärenstark."

WM 2005 in Tunesien/Platz 9: Die Nationalmannschaft befindet sich im Neuaufbau. Die Ergebnisse sind dementsprechend bescheiden. In der Vorrunde wird das kritische Spiel gegen Serbien und Montenegro knapp verloren (24:25), in der Hauptrunde folgen Pleiten gegen Spanien (28:32) und Kroatien (26:29).

So ist am Ende Rang neun nach einem 39:34 gegen Tschechien das höchste der Gefühle. Weltmeister wird Spanien, das sich im Endspiel überraschend klar gegen Kroatien durchsetzt (40:34). Gastgeber Tunesien verpasst angeführt von Top-Torjäger Wissem Hmam nur knapp eine Medaille (25:26 gegen Frankreich im Spiel um Platz 3).

Heiner Brand: "Das war sicherlich kein gutes Turnier, aber es war eben auch die Phase des Neuaufbaus. Ohne Schwarzer. Ohne Zerbe. Ohne Petersen. Ohne Kretzschmar. Uns sind viele Leistungsträger weggebrochen. Dazu war Oleg Velyky verletzt, Pascal auch - Daniel war wie immer bei einer WM nicht dabei. Dennoch haben wir gegen Spanien trotz limitierter Möglichkeiten ganz gut ausgesehen. Aus meiner Sicht war es trotz der schlechten Platzierung kein Turnier, das mich unzufrieden gemacht hat. Ich konnte realistisch einschätzen, was für uns möglich war."

EM 2006 in der Schweiz/Platz 5: Deutschland reist als Titelverteidiger in die Schweiz, hat aber eine brutale Gruppe erwischt. Ein Remis gegen Spanien (31:31) und eine Niederlage gegen Frankreich (25:27) bringen Brands Männer ins Hintertreffen.

Da Spanien und Frankreich sich keine Ausrutscher leisten, reichen Deutschland selbst drei Hauptrunden-Siege gegen die Ukraine, Slowenien und Polen nicht mehr zum Halbfinaleinzug. Im Spiel um Platz 5 gibt es mit einem 32:30-Sieg gegen Russland einen versöhnlichen Abschluss. Frankreich wird erstmals Europameister (31:23 im Finale gegen Spanien).

Heiner Brand: "Wieder das gleiche Spiel. Velykys Ausfall kurz vor Turnierstart hat uns hart getroffen. Dennoch haben wir ein gutes Turnier gespielt und nur ein Spiel verloren. Wir haben gesehen, dass wir mit den meisten Teams mithalten können. In gewisser Weise war diese EM der Ausgangspunkt für den WM-Titel ein Jahr später."

WM 2007 in Deutschland/Platz 1: Das für alle Zeiten unvergessliche Turnier. Die 25:27-Pleite gegen Polen in der Vorrunde erweist sich als ein Schuss vor den Bug zum richtigen Zeitpunkt. Brand muss zwischendurch eingreifen ("Wer hat Pizza aufs Zimmer bestellt?"), aber mit Beginn der Hauptrunde spielt sich Deutschland getragen von der Stimmung im eigenen Land immer mehr in einen Rausch.

Nach den Siegen gegen Tunesien, Slowenien und Island folgen der Viertelfinal-Erfolg gegen Spanien (27:25) und der legendäre Halbfinal-Erfolg gegen Frankreich. 32:31 nach zweimaliger Verlängerung. Es ist DAS Handballspiel der deutschen Geschichte. Nach einem 29:24 im Finale gegen Polen geht die Party los und hört so schnell nicht mehr auf. Deutschland ist Weltmeister!

Heiner Brand: "Es war sicherlich ein Turnier, bei dem wir auch das Glück gehabt haben, das uns vorher gefehlt hat. Aus der frühen Niederlage gegen Polen haben wir gelernt und dann ist auch einfach viel perfekt zusammengekommen. Nach dem Ausfall von Markus Baur kam Mimi Kraus, den niemand auf der Rechnung hatte, und hat überragende Leistungen gebracht. Lars Kaufmann war als Joker ganz wichtig, Henning Fritz war beim THW Kiel nur noch dritter Torwart und spielte dann so eine fantastische WM. Wenn es bei einem früheren Turnier mal so gepasst und wir so ein Glück gehabt hätten, hätten wir auch früher schon mal den Titel holen können. Aber dass es sich so gefügt hat, im eigenen Land Weltmeister zu werden, war natürlich wunderschön."

EM 2008 in Norwegen/4. Platz: Deutschland kommt als amtierender Weltmeister nach Norwegen und zeigt wechselhafte Vorstellungen. In der Vorrunde wird man in der 2. Hälfte von Spanien an die Wand gespielt (22:30), in der Hauptrunde ist Frankreich einen Tick zu stark (23:26). Dank eines Sieges im letzten Spiel gegen Schweden (31:29) und dank eines ziemlich kuriosen Turnierverlaufs zieht Deutschland aber dennoch ins Halbfinale ein.

Dort steht es gegen Dänemark kurz vor Schluss noch unentschieden, ehe Lars Christiansen Dänemark drei Sekunden vor dem Ende vom Siebenmeter-Punkt zum 26:25-Sieg wirft. Dänemark holt sich dann auch den Titel - 24:20 im Finale gegen Kroatien. Deutschland verabschiedet sich mit einer peinlichen Vorstellung aus dem Turnier. Beim 26:36 gegen Frankreich beträgt der Rückstand zwischenzeitlich 14 Tore!

Heiner Brand: "Ein Turnier, das in der Bewertung zu schlecht weggekommen ist. Aus der ersten Enttäuschung heraus auch bei mir. Man kann gegen Frankreich verlieren, aber die Art und Weise, wie wir uns nicht mal gewehrt haben, hat mich sehr enttäuscht. Insgesamt war es aber dennoch ein ordentliches Turnier. Vor allem, wenn man bedenkt, dass uns wieder Oleg Velyky ausgefallen ist, der in der Form seines Lebens war."

Teil 1: Die Anfänge

Teil 2: Endlich - Der erste Titel

Teil 4: Der Brand'sche Wutanfall und der WM-Ausblick

Artikel und Videos zum Thema