13 nationale Meisterschaften gewonnen, 13 Pokalsiege gefeiert, in der Champions League triumphiert, zwei Mal bester Torschütze der Königsklasse, der Spieler mit den meisten erzielten Treffern während eines Turniers bei WM (92) und EM (61): Kiril Lazarov ist einer der ganz Großen des Handballs.
Vor der EM in Kroatien spricht Mazedoniens Legende im Interview mit SPOX über unbezahlte Rechnungen im Restaurant, seinen Status, Gruppengegner Deutschland und Dominik Klein. Zudem verrät der rechte Rückraumspieler, warum er nie in der HBL gespielt hat.
SPOX: Herr Lazarov, in Ihrer Heimat werden Sie seit vielen Jahren als Volksheld verehrt. Können Sie in Mazedonien überhaupt noch auf die Straße gehen, ohne permanent angesprochen zu werden?
Kiril Lazarov: Also so schlimm ist es nun auch wieder nicht. (lacht) Zunächst einmal möchte ich sagen, dass ich mein Land sehr liebe. Deshalb ist es schade für mich, so wenig Zeit in meiner Heimat verbringen zu können. Schließlich spiele ich seit einer halben Ewigkeit im Ausland. Seit ich vor 17 Jahren nach Zagreb gewechselt bin, bin ich nicht mehr für einen mazedonischen Klub aufgelaufen. Komme ich mal nach Hause, ist es umso schöner. Ich genieße es richtig, in Mazedonien zu sein. Hier kann ich meine Batterien aufladen, hier tanke ich Kraft. Und dann kann ich auch manchmal die Zuneigung der Menschen spüren.
SPOX: Bei welchen Gelegenheiten?
Lazarov: Es kommt schon häufiger vor, dass ich im Restaurant keine Rechnung bekomme. Der Kellner oder der Besitzer kommt dann an meinen Tisch und sagt: "Herr Lazarov, es war uns eine Ehre. Sie sind eingeladen." Diese Einladungen nehme ich allerdings nie an. Es kommt für mich als durch den Sport privilegierte Person überhaupt nicht in Frage, meine Rechnung nicht zu bezahlen.
SPOX: Sie haben es bereits angedeutet: Seit Sie 2000 Bitola verlassen haben, spielten Sie für Zagreb, Veszprem, Ciudad Real und Atletico Madrid sowie den FC Barcelona. Wie kam es im vergangenen Sommer zu Ihrem Wechsel von Barcelona nach Nantes?
Lazarov: Nach insgesamt sieben Jahren in Spanien hatte ich einfach das Gefühl, eine neue Herausforderung zu benötigen. Auf der einen Seite kann es eine gute Sache sein, sehr lange beim gleichen Verein oder zumindest im gleichen Land zu spielen. Andererseits besteht meiner Meinung nach die Gefahr, in eine Routine hineinzukommen, die leistungshemmend ist. Manchmal gibt dir ein Vereinswechsel einfach einen neuen Motivationsschub.
SPOX: In der Champions League ist Nantes voll auf Kurs, in der französischen Liga hinkt der Klub der Tabellenspitze aber etwas hinterher. Haben Sie trotzdem das Gefühl, mit dem Wechsel alles richtig gemacht zu haben?
Lazarov: Am Anfang hatte ich ein bisschen Probleme, mich einzugewöhnen. Vor allem die Sprache spielte dabei natürlich eine Rolle. Aber das ist schon viel besser geworden, unter dem Strich bin ich mit meiner Entscheidung bislang wirklich sehr zufrieden. Wie Sie schon sagten, sind wir in der Champions League gut dabei, müssen uns in der Liga aber noch steigern. Das wird uns gelingen, weil wir eine richtig gute Truppe haben. Dieser Klub wird in Zukunft enorm wachsen.
SPOX: Einer Ihrer Teamkollegen in Nantes ist der frühere deutsche Nationalspieler Dominik Klein. Was halten Sie von ihm?
Lazarov: Ich kannte Dominik zuvor ja nur als Gegner und dabei als hervorragenden Spieler. Aber wissen Sie, was mich wirklich überrascht hat?
SPOX: Erzählen Sie es uns.
Lazarov: Eines vorneweg: Ich erzähle das nicht, weil ich in einem deutschen Medium nette Dinge über Dominik erzählen möchte. Ich meine das wirklich genauso, wie ich es jetzt sage: Dominik ist ein großartiger Typ! Er ist ein unglaublicher Teamplayer, der immer alles für die Mannschaft gibt. Damit hat er mich beeindruckt. Jeder Klub kann sich nur wünschen, einen Typen wie ihn in seiner Mannschaft zu haben. Außerdem durfte ich seine Familie schon kennenlernen - auch die ist großartig.
SPOX: So wie Sie von Klein schwärmen, hätte es Ihnen in Deutschland womöglich gut gefallen. Es gab im Laufe Ihrer Karriere immer wieder Gerüchte, dass Sie ein Angebot aus der Bundesliga, beispielsweise aus Magdeburg, vorliegen hätten. Warum haben Sie nie in der HBL gespielt?
Lazarov: Es ist tatsächlich so, dass ich in den vergangenen 15 Jahren immer wieder Angebote aus Deutschland bekommen habe. Ich möchte an dieser Stelle aber keinen der Klubs nennen. Offen gestanden bedauere ich, es nie versucht zu haben. Allerdings lehnt man auch Angebote von Klubs wie Veszprem, Ciudad oder Barcelona nicht so einfach ab. Es ist halt leider nicht möglich, für zwei Vereine gleichzeitig zu spielen. (lacht)
SPOX: Dabei galt die Bundesliga lange Zeit als die beste Liga der Welt. Wahrscheinlich ist sie es immer noch, auch wenn die internationale Konkurrenz in den vergangenen Jahren viel größer geworden ist. Wie bewerten Sie den deutschen Handball?
Lazarov: Ich habe großen Respekt vor dem deutschen Handball und der Bundesliga. Ihr Deutschen liebt den Handball, was für unsere Sportart insgesamt sehr wichtig ist. Die Hallen sind voll, die Atmosphäre deshalb immer hervorragend. Im Europapokal bei einer deutschen Mannschaft anzutreten, ist immer ein großes Vergnügen und gleichzeitig eine große Herausforderung. Ich stimme Ihnen zwar zu, dass die anderen Ligen wie zum Beispiel Frankreich aufgeholt haben, trotzdem ist die Qualität in der HBL immer noch extrem hoch. Das ist meiner Meinung nach auch ein wichtiger Grund für die starke Nationalmannschaft.
SPOX: Bei der EM können Sie sich davon ein Bild machen. Mazedonien und das DHB-Team treffen in der Vorrunde aufeinander, dazu kommen noch Montenegro und Slowenien. Welche Chancen rechnen Sie sich mit Mazedonien aus?
Lazarov: Diese Gruppe ist für uns sehr hart und kompliziert, nichtsdestotrotz ist es unser Ziel, ein Ausrufezeichen zu setzen. Wir sind sehr gut vorbereitet und werden in jeder Partie unsere Chance suchen. Sie werden verstehen, dass ich Ihnen nicht mehr verraten kann, schließlich sind Sie auch Deutscher. (lacht)
SPOX: Das DHB-Team erwartet in Zagreb drei Auswärtsspiele in hitziger Atmosphäre. Welche Rolle kann dieser "Heimvorteil" für Mazedonien, Slowenien und Montenegro spielen?
Lazarov: Ach wissen Sie, davon lasse ich mich nicht blenden. Klar ist es ein Plus, dass wir viele Fans vor Ort haben werden. Und natürlich gibt es einen Extraschub an Motivation, wenn man quasi in der Nachbarschaft eine Europameisterschaft spielen darf. Aber Deutschland wird auch in Zagreb immer noch Deutschland sein.
SPOX: Gibt es in der deutschen Mannschaft den einen oder anderen Spieler, vor dem Sie besonders großen Respekt haben?
Lazarov: Der Punkt ist doch, dass Deutschland eben nicht diese zwei oder drei Spieler hat, um die sich alles dreht. Deutschland hat meiner Meinung nach um die 20 Spieler, die allesamt auf einem ähnlichen, sehr hohen Niveau spielen können. Das ist ein riesiger Vorteil. Außerdem weiß die Mannschaft von der EM 2016 in Polen, wie man einen großen Titel gewinnt. Dieser Mix aus Erfahrung und der hohen Qualität in der Breite macht es aus, deshalb sind die Deutschen so gefährlich. Für uns wird es ein Vergnügen sein, gegen Deutschland zu spielen. Denn nach Partien gegen solche Gegner weißt du, wo du im internationalen Vergleich stehst.
SPOX: Also trauen Sie dem DHB-Team die Titelverteidigung zu?
Lazarov: Ganz eindeutig, ja. Deutschland gehört für mich zu den großen Favoriten auf den Titelgewinn.
SPOX: Sie haben die Ausgeglichenheit im deutschen Kader angesprochen. Genau das war in der Vergangenheit häufig das Problem Mazedoniens. Ist es nicht problematisch, dass die Mannschaft so sehr von Ihnen als Superstar abhängig ist?
Lazarov: In diesem Jahr sehe ich dieses Problem nicht, wir haben uns verbessert. Einige Spieler stehen bei großen europäischen Vereinen unter Vertrag. Aber es stimmt: In der Vergangenheit war es teilweise anders und das war für mich sehr schwierig. Ich hatte häufig das Gefühl, dass jeder nur darauf wartet, dass ich Verantwortung übernehme und etwas Besonderes mache. Das war auch für mein eigenes Spiel nicht gut, weil die Gefahr besteht, zu überdrehen.
SPOX: Im März erlitt Mazedonien einen herben Rückschlag. Trainerlegende Lino Cervar gab seinen Posten als Nationalcoach auf, wechselte zurück in seine Heimat und führt nun Kroatien zur Heim-EM. Haben Sie für seine Entscheidung Verständnis?
Lazarov: Lino ist ein exzellenter Coach, zu dem ich eine besondere Beziehung habe. Unter seiner Leitung startete ich damals in Zagreb meine internationale Karriere. Ich habe ihm viel zu verdanken. Wir waren stolz darauf, ihn als Nationaltrainer zu haben. Die Entscheidung, sein Heimatland zur EM im eigenen Land führen zu wollen, müssen wir akzeptieren. Ich wünsche ihm dafür von Herzen alles Gute. Er hat dem mazedonischen Handball viel gegeben. Nicht nur der Nationalmannschaft, sondern auch auf Vereinsebene als Coach von Metalurg Skopje.
SPOX: Lassen Sie uns zum Abschluss noch einmal über Sie sprechen. Sie sind mittlerweile 37 Jahre alt und spielen immer noch auf allerhöchstem Niveau. Wie machen Sie das?
Lazarov: Je älter du wirst, desto härter musst du arbeiten, um auf einem hohen Level zu bleiben. Ich bin über die Jahre immer professioneller geworden, habe immer mehr auf Dinge wie Ernährung und so weiter geachtet. Dies ist aber nur die eine Seite. Mindestens genauso wichtig ist die Liebe zum Handball. Wenn diese Motivation, dieser Fokus, dieses Feuer für den Sport nicht mehr voll da ist, musst du aufhören. Meine Liebe zum Handball ist ungebrochen.
SPOX: Gibt es einen Plan, wie lange Sie noch spielen werden?
Lazarov: Ich habe einen groben Plan im Kopf, es geht aber auch darum, was ich nach meiner Zeit als Handballer machen möchte. Diese Gedanken möchte ich aber nicht mit der Öffentlichkeit teilen. Nur so viel: Aktuell ist das Karriereende kein Thema. Wissen Sie, ich konnte mir während meiner Karriere viele Träume im Handball erfüllen. Aber es gibt immer noch Träume, die ich mir noch erfüllen möchte.