Gebannt schaute Cindy Roleder hoch zur Anzeigentafel. Die Sekunden wurden unerträglich lang, Roleder immer ungeduldiger. Doch dann die Erlösung. SILBER. 12,59 Sekunden. Roleder konnte es nicht fassen, sie schlug die Hände vor ihr Gesicht, schüttelte immer wieder mit dem Kopf. Der Rest war grenzenloser Jubel
Ich kann es gar nicht fassen. Das war das Rennen meines Lebens", sagte Roleder nach ihrem sensationellen Hürden-Coup bei der Leichtathletik-WM in Peking im ZDF: "Ich hätte niemals gedacht, dass ich eine Medaille gewinne. Das ist ein Traum."
Die Leipzigerin pulverisierte ihre Bestleistung im alles entscheidenden Moment förmlich und musste sich am Ende nur der neuen Weltmeisterin Danielle Williams aus Jamaika (12,57) geschlagen geben. Bronze holte die Weißrussin Alina Talaj (12,66). Erst sieben Deutsche sind jemals schneller durch den Hürdenwald gerannt als Roleder.
Letzte Hürden-Medaille 1987
Die Leipzigerin gewann damit die sechste Medaille für das deutsche Team in Peking - und das völlig unerwartet. Schließlich war Roleder noch gar nicht geboren, als die DDR-Sprinterinnen Gloria Uibel (Silber) und Cornelia Oschkenat (Bronze) 1987 in Rom die bisher letzten deutschen Hürden-Medaillen bei einer WM gewonnen hatten.
Mit der Deutschland-Fahne um die Schultern gewickelt ließ sich Roleder von den Fans im "Vogelnest" gebührend feiern. Dass eine Medaille zum Greifen nahe ist, hatte die Polizeimeisterin bereits im Halbfinale gezeigt. Schon da lief die Blondine in 12,79 Sekunden Bestleistung - und die Mitfavoritinnen verabschiedeten sich. Peking-Olympiasiegerin Dawn Harper-Nelson aus den USA stürzte, ihre Landsfrau Kendra Harrison, viertschnellste in diesem Jahr, verpasste nach einem Fehlstart ebenfalls das Finale. Und so nutzte Roleder die Chance ihres Lebens.
"Das ist einfach ein Traum"
"Ich wusste, dass ich weit vorne war und dann kann man einfach nur hoffen", sagte Roleder über das bange Warten, bis endlich ihre Platzierung auf der riesigen Leinwand erschien: "Als Platz zwei da stand, ist mir kurz das Herz stehengeblieben. Ich bin 1A gelaufen und hätte nie gedacht, dass das hier möglich ist. Das ist einfach ein Traum."
Dabei hatte Roleder Anfang 2014 ihre Hürden-Spikes schon an den Nagel gehängt. Nach einigen Dämpfern wollte sie sich ganz auf den Siebenkampf konzentrieren, doch von ihrer alten Liebe konnte sie dann doch nicht lassen. Bei der EM in Zürich war sie dann auch über die Hürden am Start und holte Bronze, jetzt folgte der sensationelle Hürden-Coup.
"Ich mache genau so weiter", sagte Roleder mit Blick auf Olympia in Rio: "Ich werde weiter Siebenkampf trainieren. Dann schaue ich mir weiter die Hürden an." Nach dem größten Erfolg ihrer Karriere strahlte Roleder einfach nur noch. Das bange Warten hatte sich gelohnt.