Belgiens Kugelstoßerin Jolien Boumkwo legte bei der Team-EM einen der langsamsten Hürdensprints der Geschichte hin - und war dennoch eine große Gewinnerin.
Rekorde sind nichts Neues für Jolien Boumkwo. In Belgien hält sie diese im Kugelstoßen, draußen wie drinnen, seit vielen Jahren. Am Samstag kam ganz unverhofft ein weiterer hinzu: Noch nie hat jemand ein Rennen über 100 m Hürden so ausgiebig genossen wie Boumkwo - genau 32,81 Sekunden lang.
"Anders als beim Kugelstoßen hatte ich diesmal wirklich das Gefühl, dass mir jeder zuschaut", sagte die 29-Jährige grinsend, nachdem sie mit ihrem spontanen Ausflug vom Ring zum Hindernissprint bei der Team-EM im polnischen Chorzow für den unverhofften Stimmungs-Höhepunkt im gähnend leeren Riesenrund des Slaski-Stadions gesorgt hatte.
Eigentlich hatte Boumkwo ihren Job bei den Titelkämpfen bereits erledigt: Am Freitag war sie im Kugel-Wettbewerb Siebte unter 16 Starterinnen geworden. Danach wollte Boumkwo dem belgischen Team moralisch im Kampf gegen den Abstieg aus der Topliga beistehen. Und daraus wurde der bemerkenswerteste Tag in Boumkwos Karriere.
Weil die für den Start über 100 m Hürden vorgesehene Anne Zagre verletzt ausfiel, drohte Belgien in dieser Disziplin eine Nullpunktrunde. Weil adäquater Ersatz nicht zur Verfügung stand, der letzte Platz aber immerhin noch einen Zähler einbringen würde, hieß es von Trainerseite plötzlich: "Wie wäre es denn mit Dir, Jolien?"
Und Jolien sagte sofort zu: "Mir hat die Idee gefallen. Ich versuche ohnehin, mich als Sportlerin nicht zu ernst zu nehmen", sagte sie. Und weil Boumkwo zur Verbesserung ihrer Beweglichkeit regelmäßig Hürdenläufe ins Training einbaut und in der Frühphase ihrer Karriere gar Wettkämpfe im Sprint bestritt, "bestand für mich kein Risiko, wenn ich es gelassen angehen würde".
Und so ging sie es an, trabte entspannt los und hinter den halb so großen Konkurrentinnen her, stieg behutsam über jede der zehn Hürden, kam 20 Sekunden nach Siegerin Tereas Errandonea aus Spanien ins Ziel. Der eine Punkt war Belgien sicher. Und weil die Schweizer EM-Dritte Ditaji Kabunji disqualifiziert wurde, kam noch ein zweiter hinzu. "Das war es wert", sagte Boumkwo.