Die Leichtathletik-WM im südkoreanischen Daegu ist offiziell eröffnet und Deutschland macht sich Hoffnung auf reichlich Edelmetall. SPOX macht den Formcheck und schaut auf die Favoriten. Natürlich inklusive dem jamaikanischen Sprint-Superstar Usain Bolt, der als Favorit für das 100 m-Finale der Herren am Sonntag (11 Uhr im LIVE-TICKER) gilt.
Deutsche Goldhoffnungen
Betty Heidler (Hammerwurf): Wer Weltrekord wirft und damit die komplette Weltelite im Hammerwerfen schockt, der ist logischerweise Gold-Favoritin. Im Mai haute Heidler in Halle 79,42 Meter raus und verbesserte damit die alte Bestmarke um mehr als einen Meter. Kaum zu glauben: Es war der erste Weltrekord eines deutschen Leichtathleten in einer olympischen Disziplin seit fast 23 Jahren. Heiler hat die vier weitesten Würfe des Jahres auf ihrem Konto. Am dichtesten kamen die Russin Tatyana Lysenko (75,70 Meter) und die Chinesin Wenxiu Zhang (75,65 Meter) an sie heran.
Finale im Hammerwurf der Frauen: So., 4.9., 11.15 Uhr
Christina Obergföll (Speerwurf): In den letzten Jahren war sie immer eine Wundertüte, aber sie hat in dieser Saison an Gewicht abgenommen und an Konstanz zugelegt. Beleg dafür ist ihr Gesamtsieg in der Diamond League. Obergföll ist mit 68,86 Metern Zweite der Weltrangliste und sollte bei normalem Verlauf in Daegu eine von drei Werferinnen sein, die die Medaillen untereinander ausmachen. Die Tschechin Barbora Spotakova (69,45 Meter) und die Russin Maria Abakumova (67,98 Meter) sind die großen Konkurrentinnen.
Finale im Speerwurf der Frauen: Fr., 2.9., 12.10 Uhr
Robert Harting (Diskuswurf): Der Titelverteidiger von Berlin plagt sich zwar mit einer Knieverletzung herum und machte zuletzt mit heftiger Kritik am Verband von sich reden, aber er ist trotz aller Problemchen wild entschlossen, wieder Weltmeister zu werden. Zweiter sein ist Dreck, lautet die Devise des Berliner Originals. Zweiter ist er momentan in der Weltrangliste mit 68,99 Metern. Den vor ihm liegenden Zoltan Kövago aus Ungarn (69,50 Meter) bezeichnet Harting als Lucky Puncher. Größte Konkurrenten werden die üblichen Verdächtigen Piotr Malachowski, Virgilijus Alekna und Gerd Kanter sein. Aber auch der Amerikaner Jarred Rome ist mit seinen 68,76 Metern in dieser Saison nicht zu unterschätzen.
Finale im Diskuswurf der Männer: Di., 30.8., 12.55 Uhr
Nadine Müller (Diskuswurf): Als Nummer zwei der Weltjahresbestenliste muss man Müller in dieser Liste auftauchen, auch wenn sie noch nie eine Medaille bei einer großen internationalen Meisterschaft gewonnen hat und selbst schon mit einem Top-6-Resultat zufrieden wäre. Aber Müller hat das Potenzial für den ganz großen Wurf in Daegu. 66,05 Meter sind ihre offizielle Bestmarke, aber im Trainingslager in Kienbaum beeindruckte sie durch Konstanz und einen Bestwert von 66,99 Metern. Das ist genau 99 Zentimeter kürzer als die Bestleistung in diesem Jahr von der Chinesin Yanfeng Li. Mit der Kroatin Sandra Perkovic (69,99 Meter in diesem Jahr) wurde eine große Konkurrentin wegen Dopings aus dem Verkehr gezogen.
Finale im Diskuswurf der Frauen: So., 28.8., 12.15 Uhr
Deutsche Medaillenhoffnungen
Silke Spiegelburg und Martina Strutz (Stabhochsprung): Die deutsche Doppelspitze ist in Top-Form. Die fast schon abgeschriebene Strutz kam wie Phönix aus der Asche und stellte in diesem Jahr mit 4,78 Metern einen neuen deutschen Rekord auf. Spiegelburg blieb mit 4,75 Metern nur knapp hinter ihr zurück. Die große Frage in der Disziplin ist, wie gut Weltrekordlerin Jelena Issinbajewa nach ihrer langen Pause schon wieder in Form ist. Neben ihr ist die Polin Anna Rogowska eine große Favoritin. Weltjahresbeste ist aber die US-Amerikanerin Jennifer Suhr mit 4,91 Metern.
Malte Mohr (Stabhochsprung): Bei den Männern geht es so eng zu, dass eigentlich nur Mohr die Konstanz hat, um ganz vorne mitzuspringen. An einem besonders guten Tag ist ihm fast alles zuzutrauen, an einem schlechten aber auch leider sehr wenig. Mit 5,81 Metern liegt er in diesem Jahr auf Platz drei der Weltrangliste. Überragender Mann ist der Franzose Renaud Lavillenie (5,90 Meter), dem jederzeit sein nächster 6-Meter-Sprung zuzutrauen ist. Ebenfalls sehr stark einzuschätzen ist der US-Amerikaner Brad Walker.
Jennifer Oeser (Siebenkampf): Die WM-Zweite von Berlin hat auch in Daegu wieder die Chance, in diese Regionen vorzustoßen. Die hat in diesem Jahr in Ratingen mit exzellenten 6663 Punkten gewonnen und ist damit Drittbeste des Jahres hinter Superstar Jessica Ennis (6790 Punkte) und der Russin Tatjana Chernova (6773 Punkte).
Kathrin Klaas (Hammerwurf): Vergessen wir im Windschatten der übermächtigen Betty Heidler bloß Kathrin Klaas nicht! Sie liegt in der Weltrangliste auf Platz vier und hat in diesem Jahr schon stattliche 75,48 Meter auf dem Konto. Damit ist sie fast gleichauf mit Lysenko und Zhang. Warum soll es an einem guten Tag also keinen deutschen Doppelsieg geben?
Markus Esser (Hammerwurf): Bei den letzten beiden Großereignissen hat Esser seine eigenen Erwartungen nicht erfüllt. Nun sinnt er auf Wiedergutmachung. Platz sechs in der Weltrangliste mit 79,69 Metern macht Hoffnung, zumal mit dem Russen Aleksej Zagornyi der Weltjahresbeste in Daegu fehlt. Im Vorfeld klagte er über ein leichtes Zwicken im Knie, aber sein Hauptgegner werden wohl wie so oft seine Nerven sein.
Matthias de Zordo (Speerwurf): Ist der Überraschungs-Zweite der EM im vergangenen Jahr erneut bereit für einen Coup? De Zordo ist in der Weltrangliste mit 85,78 Metern Vierter, hatte aber auch ein paar schwächere Wettkämpfe dabei. Egal, wie gut er drauf ist, den überragenden Norweger Andreas Thorkildsen wird er wohl auf keinen Fall schlagen. Immerhin hat der in diesem Jahr schon 90,61 Meter geworfen. Dahinter ist aber einiges möglich.
Raul Spank (Hochsprung): 2009 war seine Bronzemedaille eine kleine Sensation. Zwei Jahre später wäre eine Wiederholung immer noch eine Überraschung, so ehrlich muss man sein. Mit seiner Bestleitung von 2,32 Metern in diesem Jahr rangiert er auf Platz neun der Weltrangliste. Geht man davon aus, dass bei Weltmeisterschaften selten Bestleistungen gesprungen werden, hätte er mit 2,32 Metern eine kleine Medaillenchance. Um Gold sollte sich der Weltjahresbeste Jesse Williams (2,37 Meter) mit dem russischen Trio streiten.
David Storl und Ralf Bartels (Kugelstoßen): Realistisch sind die Chancen der beiden angesichts der Leistungen in diesem Jahr eigentlich nicht, aber bei WM oder EM ist bisher meistens ein Deutscher über sich hinausgewachsen. Warum nicht auch diesmal, obwohl Storl nur auf Platz zehn und Bartels nur auf Rang 24 der Weltrangliste liegt? Ein Blick auf die Zahlen zeigt jedoch, dass objektiv gesehen mindestens ein Meter auf die Weltelite aus Kanada, Weißrussland und den USA fehlt.
Christian Reif und Sebastian Bayer (Weitsprung): Ebenfalls zwei Athleten, die Außenseiterchancen haben. Zwar waren beide deutsche Weitsprung-Helden der letzten Jahre in dieser Saison nicht schlecht, aber das Niveau bei den Männern ist enorm. Reif kam 2011 bisher auf 8,26 Meter, Bayer auf 8,17 Meter. Der Jahresbeste Mitchell Watt kam aber schon auf 8,54 Meter. Sechs Springer haben schon 8,30 Meter übertroffen.
Die fehlenden Medaillenhoffnungen
In dieser Rubrik ist vor allem Ariane Friedrich zu nennen. Für die Hochspringerin kommt die WM nach ihrem Achillessehnenriss einfach noch zu früh. Sie konzentriert sich auf Olympia 2012. Gleiches müssen Hürdensprinterin Carolin Nytra und 100m-Europameisterin Verena Sailer tun. Sailer hätte im Duell mit Jamaika und den USA aber ohnehin höchstens eine Endlaufchance gehabt.
Bei den Männern tut der Ausfall der beiden hoffnungsvollen Zehnkämpfer Michael Schrader und Norman Müller weh. In Top-Form wären beide Medaillenkandidaten. Ebenso wie Geher Andre Höhne, der kurzfristig wegen einer Oberschenkelverletzung passen musste.
Seite 2: Usain Bolt und die fehlenden Stars
Die internationalen Stars
Eigentlich könnte diese Rubrik auch "der Star" heißen: Usain Bolt überstrahlt auch in Südkorea alle anderen Top-Athleten. Der Jamaikaner ist nach eigenen Angaben zwar nicht in "Tip-Top-Form", bastelt aber fleißig daran, "eine Legende" zu werden. Auf dem Weg dahin will Bolt seine drei WM-Titel von Berlin 2009 erfolgreich verteidigen.
Eine sportliche Ausnahmestellung genießt auch David Rudisha, der sich über 800 Meter auf die Jagd nach der 100.000-Dollar-Weltrekordprämie macht. Der Kenianer hatte Bolt 2010 schon mal als Welt-Leichtathlet des Jahres abgelöst - an Bolts Glamourfaktor kommt er freilich nicht ran.
Dafür gibt es einige prominente Rückkehrer: Justin Gatlin beispielsweise. Der Doppel-Weltmeister von 2005, vor fünf Jahren positiv auf das männliche Sexualhormon Testosteron getestet und als Wiederholungstäter ursprünglich für acht Jahre gesperrt, wird in Südkorea über die 100 m und die Sprint-Staffel antreten und hält einen Platz auf dem Podium für möglich: "Bei Meisterschaften geht es um viel mehr, als nur ein Rennen zu laufen. Viele Menschen verstehen das nicht."
Die US-Anti-Doping-Agentur Usada hatte Gatlins achtjährige Sperre nachträglich halbiert. Diese Maßnahme war vom internationalen Sportgerichtshof CAS bestätigt worden. Oder auch Sprinterin Shelly-Ann Fraser (Jamaika). Die Weltmeisterin von Berlin 2009 kehrt am Samstag beim WM-Auftakt auf die Laufbahn zurück.
Ebenfalls dabei sind die Königinnen der Lüfte, Stabhochprung-Weltrekordlerin Jelena Issinbajewa und Hochsprung-Weltmeisterin Blanka Vlasic, sowie 800-m-Weltmeisterin Caster Semenya, doch das Damen-Trio schwächelte zuletzt. Bolt wird also noch mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen, als er es eh schon tun würde.
Fehlende Stars
Diese Liste ist um einiges länger, als jene der anwesenden Topathleten: Tyson Gay (USA) ist zwar in Daegu, allerdings nur seines Ausrüsters wegen. Der Sprinter qualifizierte sich wegen einer Hüftverletzung bei den US-Trails nicht für die WM und musste sich danach auch noch an der Hüfte operieren lassen. Damit ist die Saison endgültig gelaufen. Gay war über 100 Meter mit 9,79 Sekunden der zweitschnellste Mann des Jahres.
Schneller war nur Bolts Landsmann Asafa Powell (9,78), doch auch der wird über die 100 m nicht am Start stehen. Das bestätigte sein Manager Paul Doyle zwei Tage vor dem WM-Auftakt: "Asafa hat Leistenprobleme. Eventuell läuft er Staffel", sagte Doyle der britischen BBC.
Steve Mullings (Jamaika, Nummer drei der Weltjahresbestenliste über 100 m) und Mike Rodgers (USA, Nummer vier) manövrierten sich selbst ins Aus, die beiden wurden wegen Dopings gesperrt. Das gleiche Schicksal ereilte im Frühsommer Kroatiens Diskus-Europameisterin Sandra Perkovic.
Powell-Manager Doyle hatte am Sonntag bereits ein Statement von seinem Schützling Bryan Clay, seines Zeichens Zehnkampf-Olympiasieger, verbreitet. Darin teilte der 31-jährige US-Boy seinen Startverzicht mit: "Ich spüre, dass ich nicht mein Bestes geben könnte. Ich möchte immer um Medaillen kämpfen, aber nach den vergangenen sechs Wochen weiß ich, dass mein Knie dafür im Moment nicht stabil genug ist." Clay war im Zehnkampf der US Trials im Juni über 110 m Hürden gestürzt und hatte dabei die Verletzung am rechten Knie erlitten. Sein Ziel sind nun die Olympischen Spiele 2012 in London, wo er als erster Zehnkämpfer der Geschichte seine dritte Olympia-Medaille nach Silber 2004 in Athen und Gold 2008 in Peking gewinnen will.
Träfen sich die Ausfälle aller Nationen zum sportlichen Vergleich, es würde sich ein Feld ergeben, das jenem der WM ebenbürtig wäre. Besonders hart hat es die USA erwischt: Vor Clay und Gay mussten schon der zweimalige 400-m-Weltmeister Jeremy Wariner und 400-m-Hallenweltmeisterin Debbie Dunn verletzt passen.
Doch nicht nur die Leichtathletik-Nation Nummer eins hat herbe Verluste zu verkraften. Im Vorfeld der WM trudelten beinahe stündlich Absagen aus aller Herren Länder ein: Die Titelverteidiger Mbulaeni Mulaudzi (Südafrika/800 m) und Jaroslaw Rybakow (Russland/Hochsprung) sind ebenso verletzt wie der Weltranglistenerste Alexej Sagorny (Russland/Hammer), Hallen-Weltrekordler Teddy Tamgho (Frankreich/Dreisprung) und Vizeweltmeister Andrew Howe (Italien/Weitsprung). Der britischen Marathon-Weltrekordlerin Paula Radcliffe passt die asiatische Hitzeschlacht nach langer Pause nicht in ihr auf London 2012 ausgerichtetes Wettkampfprogramm.
Andere wiederum sind fit, scheiterten aber sportlich: Der russsische Hochspringer Andrej Silnow, mit 2,36 m Nummer zwei der Welt, patzte bei den nationalen Ausscheidungen. Auch Sprint-Legende Merlene Ottey kann sich mit 51 Jahren den strapaziösen Trip nach Korea sparen. Die Staffel ihrer Wahlheimat Slowenien ist schlicht zu langsam. Das tragischste WM-Aus traf Kenia: Marathon-Olympiasieger Samuel Wanjiru stürzte im Mai vom Balkon seiner Wohnung in den Tod. Er wurde nur 24 Jahre alt.
Die besten Sprüche vor der WM
Usain Bolt (Sprinter): "Ich will zur Legende werden. Daegu ist dafür nur der erste Schritt, der zweite wird London sein." Dort strebt der Jamaikaner 2012 wie schon vor drei Jahren in Peking drei olympische Goldmedaillen an: "Das nach vier Jahren zu wiederholen, haben nur wenige geschafft. Ich bin noch keine Legende, aber ich arbeite dran."
Robert Harting (Diskuswurf) über...
...die Siegprämie: "Ein polnischer Olympiasieger kriegt nach Karriereende 2000 Euro monatlich bis ans Lebensende. Da braucht man in Polen gar nicht mehr arbeiten zu gehen. Wir kriegen als Olympiasieger eine Kiste Bier - ein Jahr lang. Wie behämmert ist das?"
...und weiter: "Das muss man sich einmal reinziehen: Der DOSB lässt sich das Sponsoring teuer bezahlen, und wir kriegen dann eine Kiste Bier. Super. Bier. So etwas Profanes. Oder fünf Prozent auf Reiseangebote. Fünf Prozent. Das sind fünf Euro von 100. Das ist total lächerlich. Da müsste man sich lieber etwas einfallen lassen, wie man Olympiasieger besser absichern kann."
...seine Konsequenz: "Jetzt mache ich einfach, was ich will. Ich kann nicht mein ganzes Leben nach dem Werfen umstellen. Mal einen Donnerstagabend mit Freunden rumhängen, in eine Bar gehen, sich danebenbenehmen, die Bedienung bequatschen, das Lokal zerlegen und dann wieder gehen. Ich fühle mich wieder viel dynamischer. Ich glaube, dass ich so noch mehr Leistung bei der WM herausholen kann"
Betty Heidler (Hammerwurf): "Der Kraftraum ist als solches für uns nicht nutzbar, da wir die Hantelstangen fallen lassen müssen und dies nicht möglich war. Also musste alles auf den Parkplatz getragen werden, damit wir einen festen Untergrund hatten. Doof wurde es nur, als es anfing zu regnen ..."
Justin Gatlin (Sprinter): "Bei Meisterschaften geht es um viel mehr, als nur ein Rennen zu laufen. Viele Menschen verstehen das nicht."
Meistgelesene Artikel
Das könnte Dich auch interessieren

.jpg?quality=60&auto=webp&format=pjpg&width=317)

