Bolt lobhudelt: "Mull, der beste Arzt der Welt"

Liane Killmann
06. August 201216:39
Usain Bolt gewinnt wie 2008 in Peking erneut Gold im 100-Meter-Rennen Getty
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Am Super Sunday mit 23 Entscheidungen war Deutschland nicht Leichtathletik, nicht Springreiten, nicht Tennis und nicht Bahnrad. Immerhin waren wir mal wieder Fechten. Und Usain Bolt. Ganz Olympia ließ sich von dem schnellen Kasper aus Jamaika anstecken. Dieser überraschte nach seinem Triumphzug durchs Olympiastadion von London mit einer Ode an Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt. Rein orthopädisch versteht sich. Bei dem Olympischen Motto "der Rest der Welt vs. China" steht eine der beiden Parteien immer häufiger im Abseits. Und David Hasselhoff outet sich als Edelfan. Der arme Andy Murray!

SPOXGetty

Usain Bolt hat es gepackt. Ganz easy sprintete der Jamaikaner zum Olympischen Rekord und verteidigte sein Gold von Peking. Fast schien es, als würde er in die Show vor und nach dem Rennen ebenso viel Energie stecken, wie in die 41 Schritte zum Olympiasieg.

Bolt hatte die Massen im Griff und faszinierte die Zuschauer. Wir geben zu, uns auch. Vor allem, als er sich nach dem Triumph einfach mal bei seinem Doc Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, genannt "Mull", bedankte. "Er ist der beste Arzt der Welt." Einfach mal so gelobhudelt, von einem Olympic Hero. Ein Gruß nach München für all die Rückenbehandlungen im Frühjahr. Ehrenhaft finden wir das!

David Hasselhoff goes Olympia

Andy Murray hatte den Tag seines Lebens. Dreisatz-Sieg über Roger Federer. Die Nummer eins. Den siebenmaligen Wimbledon-Champion. In Wimbledon. Überragend.

Der Schotte verpasste nur wenig später an der Seite von Laura Robson die Chance, Doppel-Olympiasieger zu werden. Hat er deshalb verdient, dass David Hasselhoff sich als Edelfan des Schotten outet? Wir sagen: Nein! Für Serena Williams war Doppel-Gold ja mal so gar kein Problem. Die 30-Jährige ist nun VIERfache Olympiasiegerin. Respekt!

Ach ja, das ZDF schenkte Roger Federer zwei Plüsch-Bassetts. Trostpreis? Ist das jetzt nett (Zwillingspapa und so) oder einfach nicht zu fassen? Aris Donzelli als Final-Kommentator und später auch für das Mixed-Match von Lisicki/Kas einzusetzen war in jedem Fall die noch schlechtere Idee.

Blech, Kampfrichter-Wirrwarr und Blech

Apropos schlechte Ideen: Zwei Mal verwehrten Wertungsrichter deutschen Athleten am Sonntag eine bessere Platzierung. Im Sprung-Finale der Turnierinnen verstand Küken Janine Berger jedenfalls die Welt nicht mehr. Als nach zwei glänzenden Sprüngen der 16-Jährigen eine Russin vor ihr auf Platz 3 landete, die bei der Landung die Matte verließ, da war Berger nicht mehr zu trösten. Damit nicht genug, war Weltmeisterin Maroney auf dem Allerwertesten gelandet. Und bekam dennoch Silber.

Dass auch der Videobeweis nicht immer hilft (Vorsicht, liebe Fußballer!), musste das Florett-Team im Halbfinale gegen Japan erfahren. Zwei Mal traf Peter Joppich (Einzeltreffer!) in der Verlängerung. Zwei Mal wurde nach ausführlichem Videostudium und Diskussionen zweier Wertungsrichter der Punkt zum Finaleinzug nicht gegeben. Er sei nicht im Angriff gewesen. Danach traf dann der Japaner (Doppeltreffer! Zeitgleich mit Joppich). Und diesmal dauerte die Diskussion noch länger. Doch plötzlich stand Japan im Finale. Betrug? Willkür? Florettregeln? Jedenfalls nichts zu machen. Deutschland gewann immerhin Bronze.

Der Tag zum Nachlesen im Ticker

Sabine Lisicki nicht. Und auch die Berlinerin weinte bittere Tränen. Doch sie ärgerte sich immerhin "nur" über verpasste Chancen und eigene Fehler. Lisicki und Christopher Kas unterlagen dem starken Mixed Raymond/Bryan Bronze. Lisicki spielte stark auf, in entscheidenden Momenten fehlte es jedoch an taktischen Kniffen, während Kas ein paar einfache Schläge versemmelte. Dennoch ein gutes Turnier für das neue Pärchen. Und dank des Hawk Eyes muss beim Tennis auch niemand mehr sauer auf Schiris sein. Gut so!

Am Montag (9 Uhr im LIVE-TICKER) greifen Silke Spiegelburg und Martina Strutz im Stabhochsprung nach Medaillen. Julius Brink und Jonas Reckermann kämpfen im Beachvolleyball um den Halbfinaleinzug. Die Hockeydamen stehen gegen Neuseeland mit dem Rücken zur Wand, nur ein hoher Sieg hilft weiter. Das DVV-Team kann das Viertelfinale klar machen. Für unsere hoch gewetteten Kanuten fällt der Startschuss.

Die Entscheidungen des Tages (Vorschau auf Tag 10 ):

WettbewerbEntscheidung
Badminton, Männer, EinzelKrimi! Lin Dan verteidigt Gold
Badminton, Männer, Doppel
Auch 5. Gold an China
Fechten, Männer, Florett-MannschaftGold an Italien, Deutschland 3.
Gewichtheben, Frauen, 75 kg Zhou mit Weltrekord zum Sieg
Leichtathletik, Frauen, MarathonÄthiopierin Gelana triumphiert
Leichtathletik, Frauen, DreisprungKasachin holt den Titel
Leichtathletik, Männer, HammerwerfenUngar Pars triumphiert
Leichtathletik, Frauen, 400 mSanya Richards-Ross gewinnt
Leichtathletik, Männer, 3.000 m HindernisKemboi sichert Kenias Serie
Leichtathletik, Männer, 100 mBolt bleibt König der Sprinter
Bahnrad, Männer, OmniumPremierengold an Hansen
Ringen, Männer, 55 kgIraner holt den Olympiasieg
Ringen, Männer, 74 kgGold geht an Wlasow
Schießen, Männer, PistoleJing Jongoh verteidigt Titel
Segeln, Männer, StarbootOlympiasieg für Schweden
Segeln, Männer, Finn-DinghyAinslie zum vierten Olympiasieg
Tennis, MännerMurray fegt Federer weg
Tennis, Frauen, Doppel
Williams/Williams zum Dritten
Tennis, MixedGold für Azarenka/Mirnyi
Turnen, Männer, BodenZhou schlägt Uchimura
Turnen, Männer, SeitpferdWeltmeister Berki knapp vorn
Turnen, Frauen, Sprung
Izbasa gewinnt - Berger 4.
Wasserspringen, Frauen, 3-m-BrettWu Minxia springt zu Gold

Was sonst noch wichtig war:

Beachvolleyball: Alle gegen China? Gilt nicht im Sand an der Horse Guards Parade. Sara Goller und Laura Ludwig bekamen es im Viertelfinale kurz vor Mitternacht mit Juliana Silva und Larissa Franca zu tun. Und leider gilt: Brasilien ist das China des Beachens. Nach dem 5:5 im 1. Satz unterliefen den Deutschen ein paar Leichtsinnsfehler. Vor allem Sara Goller wackelte. Und die Gegnerinnen zogen davon. Der erste von 10 Satzbällen saß. Im 2. Satz konnten Goller/Ludwig sich auf 18:18 rankämpfen, ließen dann eine gute Chance liegen und unterlagen den Favoritinnen schließlich klar mit 10:21, 19:21.

Hockey: Vorzeitigen Halbfinaleinzug verpasst, aber noch alles drin. Die deutschen Herren unterlagen den Niederlanden im Klassiker mit 1:3. Nun muss im letzten Vorrundenspiel am Dienstag ein Punkt gegen Neuseeland her, um in die Semis einzuziehen. Machbar!

Leichtathletik: 400-m-Hürden-Vorläufe der Damen? Ohne deutsche Beteiligung. Hochsprung-Quali der Männer? Nach den Verletzungen von Raul Spank und Eike Onnen leider ebenfalls Fehlanzeige. Dazu Carsten Schlangen im Halbfinale über 1500 m durchgereicht. Irina Mikitenko in ihrer Lieblings-Marathonstadt? Platz 14. Mund abputzen, weiter machen. Auf geht's Silke und Martina. Ihr schafft das. Danke schonmal.

Reiten/Springen: Christian Ahlmann erlebte schon am Samstag einen Tag zum Vergessen. Dass sich am Sonntag die gesamte Equipe anstecken ließ, führte zum peinlichsten Ergebnis deutscher Springreiter ever. Nach Gold 1996 und 2000 sowie Bronze 2004. Als Weltmeister 2010 und Europameister 2011. Einfach bitter. Verletzungssorgen schwächen ein Team, keine Frage, und es war auch Pech dabei. Aber 12 Fehlerpunkte sind zuviel. Die anderen Nationen haben das offenbar auch schon mal gemacht. Saudi-Arabien zum Beispiel. Die führen nach nur einem Zeitfehler und NULL Abwürfen.

Radsport/Bahn: Rang vier bei der Olympischen Omnium-Premiere. Das kann sich für Straßenradprofi Roger Kluge sehen lassen. In der vorletzten Disziplin des Sechskampfes, dem Scratch-Rennen, kam der Deutsche nah an die Medaillenränge heran, seine Zeit im abschließenden 1-km-Zeitfahrsprint aber besiegelte Rang vier. Blech. Schade.

Während für Robert Förstemann - ja, der mit den dicksten Oberschenkeln der Spiele, liebe ARD - im Einzelsprint ausgeschieden ist, hat Teamsprint-Olympiasiegerin Kristina Vogel im Einzel noch Chancen auf eine Medaille. Sie steht im Viertelfinale.

Tischtennis: Ist das bitter! Da findet Timo Boll zu seiner Form zurück, sichert sich im Team mit Dima Ovtcharov und Bastian Steger den Halbfinaleinzug (3:0-Sieg gegen Österreich) - UND DANN WARTET CHINA!!!

Jetzt schreiben viele schon vom Spiel um Bronze gegen Südkorea oder Hongkong (!). Wir nicht. Holt Euch das Finale, Jungs!

Wasserspringen: Es gab Zeiten, da waren deutsche Springer Medaillengaranten. Heute heißt es für die Besten der Welt nur: Alle vs. China. Das Musketier-Prinzip funktioniert nur noch nicht so gut. Auch vom 3-m-Brett der Frauen ging Gold Ihr wisst schon wohin. Das gilt auch für Silber. Wu Minxia vor He Zi übrigens. Deshalb feiern wir Laura Sanchez Soto aus Mexiko. Sie gewann Bronze, das Gold für den Rest der Welt. Durchhalten, Musketiere. Irgendwann...

Wieder nur Silber und ein Blumenstrauß für LeeScreenshot

Mann des Tages: Lee Chong Wei

China hat alle 5 Goldmedaillen im Badminton gewonnen. Das ist Premiere. Um ein Haar hätte der Weltranglistenerste Lee aus Malaysia die weiße Weste beschmutzt. Die Neuauflage des Olympischen Finales von 2008 war im 3. Satz an Dramatik nicht zu überbieten. Lee unterlag Titelverteidiger Dan Lin erst mit 21:15, 10:21 und 19:21. Die Ballwechsel dauerten bis zu 49 Sekunden, bis zu 46 Mal flog dabei der Federball übers Netz. Die Wembley Arena tobte. Die SPOX-Redaktion auch.

Bronze ging an - na gut, das müssen wir ja jetzt hier nicht auch noch betonen...

Die Boxerin: Elena SavelyevaGetty

Frau des Tages: Elena Savelyeva

History in the making! Dass ausgerechnet die Russin Savelyeva den Box-Wettbewerb der Frauen in London eröffnete, dafür konnte sie nichts. Dass 2012 die ersten Olympischen Spiele sind, bei denen Boxerinnen teilnehmen dürfen? Eher ein Verdienst von Boxverbänden und dem IOC. Aber dass sie als erste Siegerin in die Geschichtsbücher eingeht, ist allein Elenas Verdienst. Sieg über Kim Hye Song aus Nordkorea. Mit 12:9. Glückwunsch!

Sprüche des Tages:

"Ich kann immer noch nicht ausreichend ausdrücken, wie stolz ich bin, Andy Murray als Olympiasieger zu sehen. Er hat nie aufgegeben. Das dürft Ihr auch nicht tun. Ich werde es niemals tun."(David Hasselhoff via Twitter. Warum auch immer...)

"Bald wird man ihn SIR Andy Murray nennen..." (Boris Becker via Twitter. Noch ein Andy- und Twitterfan. Er darf das.)

"Da muss man doch weinen, wenn man von den Kampfrichterinnen so mies behandelt wird."(Turnerin Janine Berger schluchzt Bronze hinterher)

"Ganz, ganz mieses Ding, das da abgelaufen ist."(Benjamin Kleibrink schimpfte noch nach dem Gewinn der Bronzemedaille über das Kampfgericht, dass Japan nach drei Videobeweisen ins Goldgefecht winkte)

"Ich habe eine falsche Entscheidung gemacht." (Meredith Michaels-Beerbaum über fehlende Galoppsprünge vor den zwei Abwürfen durch Bella Donna)

"Murray war einfach so stark heute. Er war der beste Spieler des Turniers. Und deshalb ist Silber im Einzel wirklich großartig für mich." (Roger Federer darüber, warum er nicht - wie wohl der Rest der Welt annimmt - enttäuscht ist über die Finalniederlage)

"Marc Rosset hat 1992 in Barcelona Gold für die Schweiz im Tennis geholt. Damals hat mein Traum begonnen." (Der großartige Roger Federer)

Zahlen des Tages:

0 Medaillen hat die Türkei nach 10 Olympischen Tagen auf dem Konto.

8 Mal in Folge hat Kenia Gold über 3000 m Hindernis gewonnen.

9,63 Sekunden - Neuer Olympischer Rekord von Usain Bolt. Nach mäßigem Start.

11,99 Sekunden. Die Zeit von Asafa Powell im 100-m-Finale. Stoppte seinen Sprint etwa 20 Meter vor der Ziellinie aufgrund einer Muskelzerrung. Bremste völlig ab. Stolperte ins Ziel. Und verhinderte, dass es das erste Olympische Finale wurde, in dem alle acht Starter eine 9 vor dem Komma auf die Bahn zimmern.

41 Schritte benötigte Usain Bolt, bis seine Titelverteidigung fest stand.

46 Schläge dauerten die beiden längsten Ballwechsel im Badminton-Finale der Herren. Dafür brauchten Lin und Lee 49 Sekunden. Schnellste Rückschlagsportart der Welt eben.

333 Kilogramm stemmte die Gewichtheberin Zhou Lulu in der Königsklasse über 75 kg. Damit gilt die Chinesin als stärkste Frau der Welt. Woher sollte diese auch sonst kommen. Ach ja, fast vergessen: Zhou Lulu verbesserte dabei ihren eigenen Weltrekord um 5 Kilogramm.

Name des Tages: Kelsi Fairbrother

Nein, keine Chinesin. Linkshänderin im englischen Handball-Team. Rechtsaußen. Verlor an diesem 9. Olympia-Tag mit 14:37 gegen Kroatien. War dabei Topscorerin mit 3 (!) Toren. Aber das ist nicht der Punkt. Kelsi hat einen überragenden Nachnamen. Olympische Werte und so. Und sie ist am Sonntag süße 23 Jahre alt geworden. Wir summen "Happy Birthday"!

Olympia 2012: Alle Wettkämpfe im Zeitplan