WWE: Money in the Bank 2018 - die Analyse: Unerwartet erwartbar

Maurice Kneisel
18. Juni 201820:49
The Greatest Royal Rumble-Sieger Braun Strowman (m.) dominierte bei Money in the Bank erneut. getty
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In der Allstate Arena im Chicagoer Vorort Rosemont wurden nicht nur zwei neue Kofferträger gekrönt, sondern es kam auch gleich zum Cash-in. AJ Styles setzte seine WWE Championship gegen Shinsuke Nakamura in einem Last Man Standing-Match aufs Spiel, das wrestlerisch erwartungsgemäß zu überzeugen wusste und SmackDown Women's Champion Carmella erhielt gegen Asuka Unterstützung.

SmackDown Tag Team Champions The Bludgeon Brothers vs. Luke Gallows & Karl Anderson (Kickoff Match)

Sieger & weiterhin SmackDown Tag Team Champions: The Bludgeon Brothers per The Bludgeoning. Das erwartungsgemäße Ergebnis eines Filler-Matches. Gallows & Anderson behalten ihren Status als belangloses Midcard-Team bei, an dem auch die erneute Paarung mit AJ Styles nichts ändern konnte. Gleichzeitig fehlt es der SmackDown Tag Team-Division trotz hochklassiger Besetzung derzeit völlig an Perspektive. Harper&Rowan wurden gepusht, gleichzeitig scheinen die Verantwortlichen aber keinerlei Plan zu haben, wie es weitergehen soll. Mit u.a. The Usos, Sheamus&Cesaro, SAnitY und The New Day hat man das Gros der talentiertesten WWE-Teams in der Hinterhand. Die Champs brauchen, um nicht wieder in der Versenkung zu verschwinden, zeitnah endlich starke Fehden gegen diese.

WWE: Daniel Bryan vs. Big Cass

Sieger: Daniel Bryan per Heel Hook. Die Fehde sollte damit enden, denn keiner der beiden Beteiligten kann hier noch irgendetwas gewinnen. Mit seinen politischen Aussagen und seinem Alleingang gegen einen Kleinwüchsigen zu Beginn der Storyline hat Cass es sich backstage scheinbar kräftig verdorben und seine Chancen auf einen Push, den seine Leistungen im Ring ohnehin nicht rechtfertigen, versaut. Gleichzeitig ist dieses Programm des Talents eines Bryan auch nicht würdig, auf den im blauen Brand diverse Traum-Matches warten. Gerüchten zufolge soll sein Vertrag am 1. September 2018 enden und die bisherige Nicht-Verlängerung der Grund für diese Mittelmaß-Fehde sein. Entsprechend bleibt WWE-Fans nur zu hoffen, dass der ehemalige World-Champ zeitnah seine Unterschrift unter einen neuen Vertrag setzt, damit die langersehnte Fehde vs. The Miz, ebenso wie Traum-Programme mit Styles, Nakamura oder Samoa Joe, endlich auf den Weg gebracht werden.

MITB: Bobby Lashley vs. Sami Zayn

Sieger: Bobby Lashley per Vertical Suplex. Zayn wurde in einem kurzen Match, das in seiner Darstellung zu einer katastrophal schlecht geschriebenen Storyline passt, erwartungsgemäß schwach dargestellt. Leider ändert weder dieses Ergebnis noch die fragwürdige Wahl von Lashleys neuem Finisher etwas daran, dass sein WWE-Comeback bislang ein komplettes Debakel ist, das beiden Männern merklich geschadet hat. Der Ex-TNAler benötigt bereits nach wenigen Monaten dringend ein Programm, das sein Momentum wiederherstellt (falls möglich), während auch Zayn geschwächt aus dieser Fehde hervorgeht und nun bereits seit einiger Zeit ohne klare Perspektive dahindümpelt. Man kann nur hoffen, dass diese Geschichte bei MitB beendet wurde, da beide Männer hier keinerlei Chance haben, irgendetwas zu gewinnen.

Intercontinental Champion Seth Rollins vs. Elias

Sieger & weiterhin Intercontinental Champion: Seth Rollins per Rollup mit Griff an die Hosen. Ein Titelgewinn für Elias wäre ohne Frage eine sinnvolle Entscheidung gewesen, um den ehemaligen Drifter nach vorne zu bringen. Zwar ist Elias ungemein over, aber gleichzeitig ein weiteres Beispiel für einen Mann, mit dessen Talent und Momentum die WWE-Verantwortlichen offenkundig überfordert sind. Ein Midcard-Titel wäre exakt das, was er auf dem Weg Richtung zukünftigem World-Title-Run nun gebraucht hätte. Doch gleichzeitig ist der IC-Titel derzeit auch das höchste der Gefühle für einen Rollins, der eigentlich viel zu groß für diese Division ist. Doch da die Perspektive Universal Title derzeit komplett fehlt, bleibt Seth eben nur dieser Titel, dem er ohne Frage auch Prestige zurückgibt. Diese Fehde sollte aufgrund des dreckigen Finishes weitergehen und ein Titelgewinn für Elias ist weiterhin denkbar. Gleichzeitig stünde aber zu befürchten, dass er daraufhin einen uninspirierten Run spendiert bekäme, während Rollins aufgrund der Lesnar/Reigns-Situation in der Luft hinge.

Women's Money in the Bank Ladder Match

Siegerin: Alexa Bliss, nachdem sie Becky Lynch kurz vor dem Koffergewinn stoppte und mit dem Gesicht voran in eine andere Leiter in der Ecke schickte. Es überrascht nicht, dass Lynch nach ihrer äußerst schwachen Darstellung seit dem Titelverlust hier die finale Gegnerin von Bliss war. Becky ist sympathisch, populär und ein Koffergewinn hätte ihrer im Sturzflug befindlichen WWE-Karriere einen neuen Schub verpassen können. Alexa derweil benötigt den Koffer auf dem Papier nicht, da sie bereits mehrfach Champion war, zuletzt bei WrestleMania 34, wo sie den Titel an Nia Jax verlor. Doch angesichts der extrem stark besetzten Raw-Division-Spitze mit Nia und natürlich Ronda Rousey machte diese Entscheidung durchaus Sinn, um einen starken Heel in der Hinterhand zu haben, der jederzeit auf hinterlistige Weise in das Titelrennen eingreifen könnte.

Money in the Bank 2018: Roman Reigns vs. Jinder Mahal

Sieger: Roman Reigns per Spear. Was gibt es hierzu noch zu sagen? Es war das typische Reigns-Match, die einzige Überraschung war, wie lange es trotz des wrestlerisch stark limitierten Gegners ausfiel. Natürlich griff Sunil Singh zigfach ein, natürlich bezog er neben Jinder auch mehrfach kräftig Dresche und natürlich gewann am Ende Roman clean per Spear. Nichts war sicherer, nichts dürfte etwas daran ändern, dass beim SummerSlam Lesnar vs. Reigns um die Universal Championship einmal mehr steigen wird. Diese Fehde ist schlicht eine Aufbau-Fehde für Reigns gegen einen ehemalige World Champion, die ihr eigentliches Ziel, ihn bei den Smarks endlich over zu bringen, erwartungsgemäß wieder völlig verfehlt hat. Roman wurde in der Allstate Arena gewohnt lautstark ausgebuht und daran wird sich auch so schnell nichts ändern. Sicherlich auch nicht diese Fehde, die durchaus - wenn auch ohne Anlass nach dem Ergebnis - noch einen Monat fortgesetzt werden könnte, bevor der Big Dog sich wieder Lesnar widmet.

SmackDown Women's Champion Carmella vs. Asuka

Siegerin & weiterhin SmackDown Women's Champion: Carmella per Superkick, nachdem James Ellsworth Asuka abgelenkt hatte. Gerade einmal knapp zwei Monate ist es her, seit Asukas Undefeated Streak bei WrestleMania gegen Charlotte Flair endete. Rückblickend wurde dies nur gemacht, um Carmella zwei Tage später gegen Charlotte erfolgreich eincashen zu lassen, während die Empress of Tomorrow eine längere Auszeit spendiert bekam. Nun ist sie wieder da, um sich ebenfalls für Carmella hinzulegen. Dies ist nur bedingt als Kritik zu verstehen, da die Princess of Staten Island einen guten Job als Champion macht, sich stetig weiterentwickelt und es versteht, das Publikum mit ihrer Art und ihren Promos rasend zu machen. Das bereits im Vorfeld praktisch als sicher geltende Comeback von Ellsworth ist perfekt, um ihr ihren alten Handlanger wieder zur Seite zu stellen, der Mella seinerzeit bereits den Koffergewinn sicherte. So konnte sie sich zunächst solo beweisen, um nun in einer Division, die unter anderem Charlotte und Asuka bietet, einen Trumpf im nicht vorhanden Ärmel zu haben. Doch während dieser dreckige Sieg aus Carmellas Sicht absolut Sinn macht, muss man sich bereits große Sorgen um Asukas Zukunft machen. Zwei Niederlagen in kurzer Zeit und ein somit bislang ziemlich schwach laufender Main Roster-Run (trotz des Royal Rumble-Sieges) lassen befürchten, dass ihre dominante Zeit endgültig vorbei ist. Asukas praktisch nicht vorhandene Englisch-Skills dürften daran einen nicht unwesentlichen Anteil haben. Die Fehde könnte aufgrund von Ellsworths Eingreifen weitergehen, doch ein Sieg für die Japanerin erscheint auch in einem Re-Match alles andere als wahrscheinlich.

WWE Champion AJ Styles vs. Shinsuke Nakamura (Last Man Standing Match)

Sieger & weiterhin WWE Champion: AJ Styles per 10-Count nach einem Phenomenal Forearm aus dem Ring, der Nakamura durch ein Kommentatorenpult beförderte. Die "Holy Shit"-Chants am Ende waren absolut gerechtfertigt, doch nicht nur das Finish, sondern das gesamte Match zeigte einmal mehr, wie gut diese beiden Männer harmonieren und dass sie wrestlerisch zum Besten zählen, was die WWE zu bieten hat. Gleichzeitig scheiterte Shinsuke einmal mehr an dem Versuch, Styles den Titel abzunehmen und hat nach diesem cleanen Finish nun keine Argumente für einen weiteren Title Shot mehr auf seiner Seite. So schade es aus wrestlerischer Sicht auch ist, aber Styles sollte sich nun allmählich einem anderen Gegner zuwenden, während man hoffen muss, dass die WWE Nakamuras starke Heel-Persönlichkeit nicht komplett verschwendet. Der Japaner ist in der Rolle noch einmal aufgeblüht und braucht nun dringend mindestens ein Programm gegen einen höherklassigen Face, das er letztlich auch gewinnen darf, um nicht in der Midcard zu verschwinden. Es wäre angesichts seines Talents und ungemeinen Unterhaltungswertes eine absolute Schande, wenn dies passieren würde.

Raw Women's Champion Nia Jax vs. Ronda Rousey

Siegerin per DQ & weiterhin Raw Women's Champion: Nia Jax, nachdem Alexa Bliss ihr den MitB-Koffer überzog, während Jax in Rouseys Armbar kurz vor der Aufgabe stand.

Nach dem Match schlug Alexa mit dem Koffer wiederholt auf beide Frauen ein, bevor sie offiziell eincashte.

MITB 2018: Raw Women's Champion Nia Jax vs. Alexa Bliss

Siegerin & neuer Raw Women's Champion: Alexa Bliss per Twisted Bliss. Es war gleichzeitig die sinnvollste und fragwürdigste Entscheidung des Abends. Einerseits durfte Rousey den Titel noch nicht gewinnen, da es viel zu früh gewesen wäre und das Risiko, einen Teil der Fans damit gegen sie aufzubringen, hoch gewesen wäre. Gleichzeitig wurde sie dadurch, dass Stephanie McMahon nicht aktiv eingriff (auch wenn sie garantiert als Drahtzieherin hinter Bliss' Cash-in enthüllt werden wird), dann von Alexa ausgeschaltet wurde und sich am Ende alles um den neuen Champ und Jax drehte, letztlich zur Nebenfigur, auch wenn sie im Match zuvor als Quasi-Siegerin dargestellt wurde. Gleichzeitig muss man sich fragen, wieso Jax den Titel überhaupt gewonnen hat und man nicht Bliss als Champion aus WrestleMania hat gehen lassen... vermutlich tatsächlich, um die kommenden zwei Monate exakt so zu booken, wie es nun geschehen ist. Stellt man sich weiterhin geschickt an und bookt Ronda vs. Stephanie als neues Austin vs. McMahon, hat man hier fast alles richtig gemacht, kann die Malerin noch eine ganze Weile vom Titel fernhalten und Bliss vs. Jax weiter aufbauen. Nur die Tatsache, dass man zwischenzeitlich Nia wider Willen kurzzeitig Heel geturnt hat, war so mit Sicherheit vorab nicht geplant.

Men's Money in the Bank Ladder Match

Sieger: Braun Strowman, nachdem er Samoa Joe, Finn Bálor und zuletzt Kofi Kingston auf dem Weg zum Koffer abfertigte. Zuvor hatte er bereits Kevin Owens mit einem absolut brutalen Wurf von einer Leiter in den Bereich neben der Rampe aus dem Match genommen. Braun ging gleichzeitig als offensichtlicher Siegeskandidat und als absoluter Underdog in das Match, wodurch sein Sieg tatsächlich als Überraschung gewertet werden darf. Einerseits war er der vorab mit Abstand stärkst gebookte Teilnehmer, gleichzeitig aber auch derjenige, der den Sieg am wenigsten benötigte - theoretisch. Diese Entscheidung schürt in erster Linie Hoffnung: Die Hoffnung, dass dadurch im Universal Title Picture ENDLICH wieder etwas passieren wird. Lesnar hält den Titel bereits viel zu lange, ohne gute Matches abzuliefern... oder überhaupt irgendetwas, da er dauerabwesend ist. Zuletzt schien bestätigt, dass beim SummerSlam einmal mehr Brock vs. Roman steigen wird, ein Match, das wohl kaum ein WWE-Fan wieder sehen wollen wird. Der Titel muss endlich weg von Lesnar, idealerweise auch zumindest temporär weg von Reigns und zu jemandem, der frischen Wind rein bringt. Genau diese Person ist Strowman, der zudem mittlerweile auch deutlich mehr over ist als die beiden zuvor genannten. Da Braun nicht gerade als geduldiger Zeitgenosse gebookt wird, ist zudem fraglich, ob er tatsächlich bis zum Slam mit seinem Cash-in warten wird, falls Brock denn vorher überhaupt für Shows gebookt werden sollte. Weiterhin ist zu erwähnen, dass beim New Day eben nicht der logische Kandidat Big E, sondern der bereits erwähnte Kingston am Match teilnahm. Somit hält sich die WWE alle Optionen hinsichtlich eines Splits offen, man kann nun entweder wie gewohnt mit dem New Day fortfahren, oder Big E seine beiden Brüder aufgrund der Nichtteilnahme bei SmackDown zerstören lassen, um in ihm den neuen Powerhouse-Top-Heel beim Blue Brand aufzubauen, den man in Big Cass nicht bekommen wird und in Joe angesichts seiner bisherigen Darstellung seit dem Shakeup scheinbar nicht haben will. Bálor, Joe, Rusev, Bobby Roode, Owens - die Liste der Teilnehmer an diesem Match, deren Perspektive derzeit völlig unklar erscheint, ist lang. Nur bei Miz kann man nun vorsichtig optimistisch sein, dass der heißerwarteten SummerSlam-Fehde vs. Daniel Bryan nichts mehr im Weg steht.

Money in the Bank 2018: Das Fazit

Irgendwie fiel Money in the Bank gleichzeitig sehr und überhaupt nicht überraschend aus. Strowman und Bliss sind auf dem Papier zwei völlig logische Koffer-Sieger, die in ihrem jeweiligen Match, neutral betrachtet, mindestens Mitfavoriten waren. Die WWE streute vorab jedoch einmal mehr geschickt Gerüchte, beispielsweise über einen Miz-Sieg aufgrund seines aktuellen Filmes, so dass die Ergebnisse dennoch zu überraschen wussten.

Zudem setzte es prompt einen erfolgreichen Cash-in, der neue Bewegung in die Raw Women's Division brachte und booking-technisch absolut Sinn machte. Die beiden Ladder-Matches waren zudem sehr unterhaltsam mit gewohnt brutalen Spots, so dass das PPV-Konzept seinem Ruf als eines der Highlights des Jahres einmal mehr gerecht werden konnte. Gleichzeitig wusste die übrige Card aber leider kaum zu überraschen und man hätte sich etwas mehr Mut von den Verantwortlichen wünschen können. Insbesondere die Niederlagen für Asuka und Nakamura, wenngleich zugunsten starker Champs (insbesondere natürlich Styles), lassen befürchten, dass es für die beiden Japaner ab sofort nur noch bergab gehen wird.

Wrestlerisch wusste Styles vs. Nakamura aber, ebenso wie Rollins vs. Elias, das hoffentlich fortgeführt und beide Männer weiter nach vorne bringen wird, ohne Frage zu überzeugen. Der Rest der Card war pures Füllmaterial, das die Meisten im Zweifel schon am nächsten Tag wieder vergessen haben werden. Es war ein grundsolider PPV mit teilweise starkem Wrestling und überwiegend sinnvollem Booking, der aber nicht an die großen MitB-Ausgaben, wie insbesondere die von 2011, heranreichte.