Das Kandidatenturnier für die Schach-WM 2018 in London steigt vom 10 bis zum 28. März 2018 in Berlin-Kreuzberg. In dem Turnier duellieren sich die besten Schachgroßmeister des Planeten über mindestens 14 Runden, um den Platz des Herausforderers bei der WM im November einzunehmen: Der Sieger bekommt die Chance, den amtierenden Weltmeister Magnus Carlsen vom Thron zu stoßen. SPOX stellt euch die acht Kandidaten genauer vor.
Die Teilnehmer im Überblick
Sergey Karjakin (28)
Das russische Wunderkind verließ bereits nach der zweiten Klasse die Schule und erhielt zu Hause Privatunterricht, denn für Ablenkung war keine Zeit: Karjakin sollte sein enormes Potenzial vollends in den Schachsport investieren. Dies zahlte sich aus: Mit 12 Jahren krönte sich Karjakin zum bis heute jüngsten Großmeister aller Zeiten.
Die große Stärke des gebürtigen Ukrainers liegt in seinem sachlichen, objektiven Spielstil. Selten sieht man ihn überhastete Züge ausführen, die in Fehlern resultieren. Einzig sein limitiertes Eröffnungsrepertoire wird ihm gelegentlich zum Verhängnis. Nach dem hauchdünn verlorenen WM-Finale 2016 war Karjakin automatisch wieder für das Kandidatenturnier gesetzt und gehört ohne Frage zum Kreis der ganz großen Favoriten.
Levon Aronian (35)
Der Sohn eines Physikers bezeichnete sich selbst mal als "Spezialisten für Explosionen" - was sich auch in seinem Spielstil wiederfindet. Die Nummer sechs der Welt liebt die chaotischen, verzwickten Stellungen, aus denen er sich nur mittels seiner Genialität herauswinden kann.
Der Sieg im Weltpokal 2017 sicherte ihm die Teilnahme am Kandidatenturnier, viele Experten räumen ihm durchaus Chancen ein. Nachdem der humorvolle Armenier erst mit 23 Jahren sein volles Potenzial auf großer Bühne zeigte, entwickelte sich sein Spiel stetig weiter. Durch sein stark verbessertes Eröffnungsspiel wird er im Kampf um den WM-Titel als Carlsens größter Konkurrent angesehen. "Carlsen hat unseren Kampfgeist entfacht", sagte er einmal im SPOX-Interview.
Nach drei Goldmedaillen bei Schacholympiaden (2006, 2008 und 2012), hat der 35-Jährige in seiner Heimat Armenien bereits jetzt Legendenstatus erreicht. Mit der Krönung zum Weltmeister würde sich Aronian wohl für immer unsterblich machen.
Ding Liren (25)
Der Chinese ist ein wahrerer Frühstarter. Mit gerade einmal vier Jahren erlernte er das Schachspielen und triumphierte im Jahr darauf bei der chinesischen U6-Meisterschaft. Danach ging Ding Lirens (Liren ist übrigens der Vorname, Ding der Nachname) Karriere steil nach oben, auch wenn er international noch nicht die ganz großen Einzelerfolge ausweisen kann. "Nur" drei Chinesische Meisterschaften stehen ihm zu Buche.
Aufsehen erweckte der 25 Jahre alte Jura-Student aber mit dem zweiten Platz im Weltpokal 2017, der ihm schließlich auch die Qualifikation für das Kandidatenturnier sicherte. Als erster Chinese überhaupt in einem Kandidatenturnier, möchte der bescheidene Weltranglistenelfte, der großer Fan von Bayern München ist, die Überraschung schaffen und zur Weltmeisterschaft fahren. Ihm ist jedoch bloß eine Underdog-Rolle zuzuschreiben.
Shakhriyar Mamedyarov (32)
Mamedyarov wuchs in einer richtigen Schachfamilie auf, seine beiden Schwester Zeinham und Turkan sind ebenfalls erfolgreiche Großmeisterinnen. Der Aserbaidschaner war schon in früher Jugend erfolgreich und ist der einzige Spieler, der zwei Mal die Junioren-Weltmeisterschaft gewinnen konnte. Wenn er mal nicht Schach spielt, findet man ihn übrigens auf der Bowling Alley.
Berüchtigt ist der 32-Jährige für seinen aggressiven Spielstil und seine Risikobereitschaft, der in den letzten Monaten kaum ein Gegner gewachsen war. Bezeichnend dafür ist der erste Platz im FIDE Grand Prix 2017, den er drei starken Auftritten in Schardscha, Moskau und Genua verdankt. Gleichbedeutend mit diesem Triumph war die Qualifikation für das Kandidatenturnier.
Mamedyarov spielt derzeit ohne Frage das beste Schach seiner Karriere. Eine akteulle Elo-Zahl von 2809 setzen ihn auf Platz zwei der Weltrangliste, womit er sich im Kreis der Favoriten auf die WM-Teilnahme wiederfindet.
Der Zeitplan des Turniers
Datum | Uhrzeit | Runde |
Fr., 9. März | 19 Uhr | Eröffnungsgala |
Sa., 10. März | 15 Uhr | Runde 1 |
So., 11. März | 15 Uhr | Runde 2 |
Mo., 12. März | 15 Uhr | Runde 3 |
Mi., 14. März | 15 Uhr | Runde 4 |
Do., 15. März | 15 Uhr | Runde 5 |
Fr., 16. März | 15 Uhr | Runde 6 |
So., 18. März | 15 Uhr | Runde 7 |
Mo., 19. März | 15 Uhr | Runde 8 |
Do., 20. März | 15 Uhr | Runde 9 |
Do., 22. März | 15 Uhr | Runde 10 |
Fr., 23. März | 15 Uhr | Runde 11 |
Sa., 24. März | 15 Uhr | Runde 12 |
Mo., 26. März | 15 Uhr | Runde 13 |
Di., 27. März | 15 Uhr | Runde 14 / Siegerehrung |
Mi., 28. März | tba | Stichkämpfe / Siegerehrung |
Alexander Grischuk (34)
Der Russe zählt zu den spannendsten Spielern im Schach-Orbit. Sein Spezialgebiet ist zweifellos das Blitzschach. Drei Weltmeistertitel (2006, 2012 und 2015) gewann er, er toppt sämtliche Online-Ranglisten und übertraf kurzzeitig die aberwitzige Elo-Zahl von 2900.
Aber auch im klassischen Schach ist der 34-Jährige keinesfalls zu unterschätzen. Schon vor seinem 10. Lebensjahr fand er sich in den Top 10 der Welt wieder. Abstecher ins professionelle Pokern ließen ihn zeitweilig von der Bildfläche etwas verschwinden. In den letzten Jahren ist der Weltranglisten-13. wieder erstarkt und zeigte sich zuletzt in ansprechender Form.
Auffallend ist bei Grischuk, dass er bei der klassischen Variante regelmäßig in Zeitnot kommt, dennoch eine Gelassenheit wie kaum ein Anderer ausstrahlt. Platz zwei beim FIDE Grand Prix sicherte ihm den Startplatz beim Kandidatenturnier. Jetzt ist der Blitz-Schach-Experte heiß auf mehr, obwohl er von großen Ansagen nichts hält: "Das zieht vielleicht die Sponsoren an, aber ich finde es dumm."
Wesley So (25)
Der Philippine ist der jüngste Vertreter dieses Turniers. Bereits im Alter von sieben Jahren erlernte er von seinem Vater das Schachspielen und ließ diesem kurz darauf keine Chance mehr. Doch sein Vater sollte nicht der einzige bleiben, der sich an den Fähigkeiten des jungen So die Zähne ausbiss. Mit gerade einmal 12 Jahren qualifizierte er sich für das Olympia-Team, mit 14 erhielt er bereits den Titel als Großmeister.
Über die folgenden Jahre konnte der heutige Weltranglistenfünfte seine Leistungen jedoch nicht halten. Erst mit 19 Jahren tauchte er wieder auf der Schachbühne auf, Mitte 2016 startete er schließlich eine Siegesserie über 67 Spiele, die in der Schachwelt für gehörig Aufsehen sorgte. Nebenprodukt dieser Ausnahmeleistung war praktischerweise die Qualifikation für das Kandidatenturnier.
Der 24-Jährige, der das Internet nur für Mails und Analysen benutzt und komplett auf Social Media verzichtet, ist bekannt für seine Stabilität und Cleverness und lässt nur selten Schwäche erkennen. Nach seinem Sieg bei der US-Championship 2017 galt er als formstärkster Spieler der Welt. Im Kampf um den WM-Platz ist mit dem Jungspund definitiv zu rechnen.
Die FIDE-Weltrangliste (Stand: März 2018)
Rang | Name | Land | Elo-Zahl | Gebusrtsjahr |
1 | Carlsen, Magnus | NOR | 2843 | 1990 |
2 | Mamedyarov, Shakhriyar | AZE | 2809 | 1985 |
3 | Kramnik, Vladimir | RUS | 2800 | 1975 |
4 | So, Wesley | USA | 2799 | 1993 |
5 | Aronian, Levon | ARM | 2794 | 1982 |
6 | Vachier-Lagrave, Maxime | FRA | 2789 | 1990 |
7 | Nakamura, Hikaru | USA | 2787 | 1987 |
8 | Caruana, Fabiano | USA | 2784 | 1992 |
9 | Giri, Anish | NED | 2777 | 1994 |
10 | Anand, Viswanathan | IND | 2776 | 1969 |
11 | Ding, Liren | CHN | 2769 | 1992 |
12 | Grischuk, Alexander | RUS | 2767 | 1983 |
13 | Karjakin, Sergey | RUS | 2763 | 1990 |
Fabiano Caruana (25)
Der gebürtige US-Amerikaner wuchs in New York auf und spielte viele Turniere im berühmten Marshall Chess Club. Mit 12 Jahren zog es den Halbitaliener nach Europa, um dort eine Profikarriere anzustreben. Zu diesem Zeitpunkt begann er auch unter italienischer Flagge zu spielen. Erst 2015 ging es zurück in die USA
Der ruhige und introvertierte Typ spielte sich klammheimlich in die Weltspitze hoch und galt als die Entdeckung des Jahres 2012. Zweite Plätze in Wijk aan Zee, beim Tal-Memorial, in Bilbao, sowie ein erster Platz in Dortmund sprechen für sich. Die Nummer neun der Welt verlor im Kandidatenturnier 2016 denkbar knapp im Tie-Break gegen Karjakin und nahm sich so selbst die Chance, um den WM Sieg gegen Carlsen zu spielen.
Seitdem sind seine Leistungen eher durchwachsen, für die Qualifikation zum Kandidatenturnier reichte es dennoch knapp. Die größten Stärken des 25-Jährigen sind seine brillante Rechenfähigkeit und seine schiere Arbeitswut. Nicht umsonst prophezeien einige Experten, dass er auf lange Sicht eine ernsthafte Konkurrenz für Carlsen darstellen kann. Mit Blick auf die WM darf man Caruana keinesfalls unterschätzen.
Vladimir Kramnik (42)
Die Wildcard des Veranstalters ging dieses Jahr an eine der Koryphäen den Schachs. Vladimir Kramnik ist mit 42 Jahren der älteste und erfahrenste Spieler des Teilnehmerfelds. Am meisten in Erinnerung ist der Ex-Weltmeister zweifelsohne durch seinen historischen Sieg bei der WM 2000, als er dem legendären Kasparov den Titel abnahm und ihn kein einziges Spiel gewinnen ließ. Bis 2007 konnte der Russe seinen Weltmeistertitel verteidigen.
In jungen Jahren war Kramnik ein klassischer Angriffsspieler, lernte aber mit den Jahren immer mehr dazu und verbesserte sein Spiel. In seiner absoluten Hochzeit galt er durch sein tiefes Eröffnungsspiel und sein findiges Positionsspiel als am schwersten zu schlagender Spieler der Welt.
Nach einigen ruhigeren Jahren und dem verpassten Kandidatenturnier 2016, ist der Veteran wieder zurück an die Weltspitze gekehrt. Platz 3 der Weltrangliste sprechen für die starke Form, mit der der Russe in das Turnier gehen wird. Seit Jahren spricht Kramnik vom Rücktritt - es könnte sein letztes Hurra werden.
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