Ab zur Eheberatung!

Florian Regelmann
11. April 201120:04
Martin Kaymers Masters-Bilanz ist düster: Vier Starts, viermal den Cut verpasstGetty
Werbung
Werbung

Martin Kaymer würde gerne mit Augusta Schluss machen, darf aber nicht. Tiger Woods kann nicht putten, Wayne Rooney hilft auch niemandem weiter - und am Ende gewinnt Charl. Wir lernen: Das ist Golf. Das ist unfassbar. Das ist Augusta. Das SPOX-Par-10 zum US Masters.

10. Alles Gute, Seve! Severiano Ballesteros ist am vergangenen Samstag 54 Jahre alt geworden. Leider konnte Seve, der 2008 an einem Gehirntumor erkrankte und seit Jahren gesundheitlich stark angeschlagen ist, nicht in Augusta vor Ort sein. Dennoch war die spanische Legende irgendwie allgegenwärtig. Jeder Spieler, ob jung oder alt, dachte in diesen Tagen auch an Seve. Und niemand tat das mit mehr Klasse als Phil Mickelson. Zu Ehren von Ballesteros wurde beim traditionellen Champions Dinner spanische Küche aufgetischt.

"Als ich 17 Jahre alt war, wollte ich immer mit Seve spielen. Ich habe geliebt, wie er Golf gespielt hat. Ich war von seinem Charisma in den Bann gezogen. Als ich dann mit ihm spielen durfte, war es für mich das Größte. Seve ist der ultimative Gentleman, ich habe in meiner Karriere keinen netteren Menschen getroffen. Ich wollte ihn in dieser Woche ehren und ihn wissen lassen, dass wir alle an ihn denken", sagte Mickelson. Es waren Worte von Gentleman zu Gentleman. Und auch SPOX denkt an dich, Seve.

9. Stenson muss zum Geldautomat! Gestatten, mein Name ist Henrik Stenson. Ich habe in meiner Karriere schon zwölf Turniere gewonnen, 2009 habe ich die Players Championship, das inoffizielle fünfte Major, mit vier Schlägen Vorsprung für mich entschieden. Ich war die Nummer vier der Welt, ich habe für Europa im Ryder Cup gespielt - 2009 habe ich mich mal bei einem Turnier nackt gemacht. Und momentan bin ich nur noch schlecht. Blöd, oder? Der Fall Stenson zeigt, wie schnell man sein Golfspiel komplett verlieren und aus der Weltklasse verschwinden kann. Beim Masters verpasste der Schwede nicht nur den Cut, er wurde Letzter. 99. Platz. Selbst die alten Haudegen Ian Woosnam und Ben Crenshaw waren besser.

Stensons Auftaktrunde von 83 Schlägen? Brutal. Besonders das vierte Loch im Augusta National Golf Club liegt Stenson nicht so richtig. Nachdem er am Par 3 an Tag eins eine 8 zustande gebracht hatte, legte er in Runde zwei eine 5 nach. 13 Schläge für ein Par 3 an zwei Tagen - das hat was. Glaubt man Ian Poulter und Graeme McDowell, war Stensons "Leistung" abzusehen. Denn die beiden witzelten nach einer jüngsten Proberunde, die sie mit Stenson spielten, dass der ja zuletzt in der Nähe eines Geldautomats gesehen wurde... Ist aber auch gemein von Poulter und McDowell, sich so ein Opfer zu suchen.

8. Westwood macht nicht den Rooney: Der beste Golfer, der noch nie ein Major gewonnen hat. Es ist das Label, das sie alle hassen. Mickelson hat es gehasst, und Lee Westwood hasst es auch. Aber dann muss er eben verdammt noch mal eins gewinnen, damit er es los wird. Westy ist ohne Frage einer der sympathischsten Spieler, die auf der Tour rumlaufen. Man würde es ihm so gönnen, dass er es endlich mal packt.

Aber mit jeder Chance, die er vergibt, glaubt man weniger daran. In Augusta war es wie schon in der gesamten Saison der Putter, der nicht gehorchen wollte. Ein geteilter elfter Platz ist ja nicht schlecht, andere wären froh, aber es reicht eben nicht. Westwood war so frustriert mit sich und der Welt, dass er seine wahren Emotionen lieber für sich behielt. Seine Erklärung nach Runde drei: "Wenn ich wirklich rauslasse, was ich denke, verwandle ich mich in Wayne Rooney."

7. Golfer sind schon lange nicht mehr fett! Die Zukunft des Golfsports ist in guten Händen. Der Youngster-Flight mit Rory McIlroy, Rickie Fowler und Jason Day lieferte an den ersten beiden Tagen eine großartige Show ab. Und das Beste daran war, dass es so viele gute junge Spieler gibt, die auch noch gute Typen sind, dass es beim nächsten Mal locker drei andere Supertalente sein können, die die Massen begeistern. Hinzu kommt der Fakt, dass Golf schon lange nicht mehr von dicken alten Männern gespielt wird.

Die gibt es zwar auch noch, und manche von ihnen spielen erstaunlich gut, aber die ganzen Nachwuchsstars sind alles unglaubliche Athleten. Jungs, die genauso gut Basketballer hätten werden können, entscheiden sich mittlerweile für Golf. Es sind teilweise richtige Maschinen, die auf den Golfball draufdreschen. Man musste sich nur die Bomber-Gruppe der ersten beiden Tage anschauen. Jhonny Vegas, Gary Woodland und Alvaro Quiros - wie diese Jungs auf den Ball zimmern und wie weit sie ihn schlagen, ist die Zukunft des Golfsports. Und es ist eine extrem aufregende Zukunft.

6. Martin Kaymer lässt sich nicht scheiden: Es könne ja nicht mehr schlechter werden, sagte Martin Kaymer in seiner Pressekonferenz vor Turnierstart. Bei drei Chancen dreimal den Cut verpasst, was soll da noch schlechter werden? Na ja, man könnte zum vierten Mal den Cut verpassen, in Runde eins bei perfekten Scoring-Bedingungen eine 78 spielen und als Nummer eins der Welt am ersten Tag nur vier Leute hinter sich lassen. Selbst Sam Snead hätte eine bessere Runde spielen können. Und der ist tot. So stand es in den US-Medien geschrieben.

Auch in Deutschland war von einer Blamage die Rede. Das ist alles Nonsens. Kaymer hat ein miserables Turnier gespielt, aber man soll es nicht glauben, so was passiert. Sogar den Besten. Es ist auch ein Fakt, dass er jetzt in acht Masters-Runden nur einmal besser als Par gespielt hat - und das war eine 71. Es ist auch richtig, dass man das Gefühl bekommen konnte, Kaymer wird nie mehr in seinem Leben etwas beim Masters reißen, wenn man ihn völlig desillusioniert darüber philosophieren hörte, dass er eben keinen Plan hat, wie zur Hölle er diesen Golfplatz spielen soll.

Aber gemach, Kaymer wird wiederkommen und er wird auch in Augusta noch vorne dabei sein. Alles, was es braucht, ist eine gute Runde, bei der es klickt macht. Er hat auch keine andere Wahl. Es ist schon durchaus als unglücklich zu bezeichnen, wenn man ausgerechnet mit dem bedeutendsten Golfplatz auf der Erde auf Kriegsfuß steht. Wäre es irgendein anderer Platz, könnte Kaymer einfach per SMS Schluss machen. "Sorry, aber wir passen nicht zusammen."

Aber auch wenn es unüberbrückbare Differenzen zu geben scheint, mit dieser wunderschönen Frau namens Augusta kann man nicht Schluss machen und die Scheidung einreichen. Eine Eheberatung muss her. Vielleicht ist es einfach nur Liebe auf den fünften Blick.

Platz 5-1: Tiger, Rory und Super-Sharl

5. Tiger kann nicht putten: Er hat sich nach schlechten Schlägen selbst beschimpft, er brach nach Abschlägen in sarkastisches Gelächter aus, er lochte absolut nichts auf den Grüns. Und am Ende landete er auf Rang vier. Willkommen in der Welt von Tiger Woods. Im Prinzip lief der Masters-Auftritt von Woods genau so, wie man ihn erwarten konnte. Mit einem genialen Run in Runde zwei ließ er uns glauben, dass der alte Tiger wieder da ist und er jetzt sein fünftes Green Jacket abholt, nur um sich einen Tag später alles wieder selbst kaputt zu machen.

Am Finaltag das gleiche Spiel. Tiger lief auf den ersten Neun heiß, holte sieben Schläge Rückstand in Windeseile auf, aber dann ließ er wieder zu viele Schläge auf den Grüns liegen. Woods bekommt nach wie vor überhaupt keine Konstanz in sein Spiel. Und vor allem hält seine Schwäche auf den Grüns, und auch um die Grüns herum, weiter an. Sein langes Spiel war definitiv gut genug, um das Turnier zu gewinnen. Es ist sein kurzes Spiel, das im Vergleich zu früheren Zeiten in einem miserablen Zustand ist.

Im Vergleich zu Charl Schwartzel (107 Putts) verlor Woods (120, 6 Drei-Putts) auf den Grüns unglaubliche 13 Schläge. Auch wenn Schwartzels Sieg absolut verdient war und die ganzen Jungen Dampf machen, ist es für den Golfsport eminent wichtig, dass Tiger wieder gewinnt. Er ist jetzt 17 Monate ohne Turniersieg, die letzten elf Majors haben andere abgeräumt. Tiger wird auch wieder gewinnen. Aber wann das sein wird? Keine Ahnung.

4. Kopf hoch, Rory! Was für ein Kollaps. Es war der größte Masters-Zusammenbruch eines Führenden seit Ken Venturi 1956! Das letzte Mal hatte Jean Van de Velde beim berühmten Desaster von Carnoustie einen solchen Vorsprung verspielt. Man kennt das ja jetzt schon, wie die Führenden an Finaltagen von Majors die Nerven verlieren, aber bei Rory McIlroy hätte man es nicht erwartet. Schon gar nicht so. Innerhalb von nicht mal einer Stunde schoss sich der 21-Jährige zu Beginn der letzten neun Löcher aus dem Turnier. Der Junge war mit den Nerven komplett am Ende. Der Junge verschob einen kurzen Putt nach dem anderen. Der Junge war durch. Es war schlimm, bei diesem Drama zuzuschauen. Er konnte einem wirklich Leid tun.

Wer verstehen will, was für ein lässiger Typ dieser Rory McIlroy ist, muss sich nur folgende Geschichte zu Gemüte führen. Am Abend vor dem ersten Tag in Augusta hat McIlroy seine ganz eigene Art der Vorbereitung gewählt. Er schnappt sich seinen Football, den er sich gekauft hat, und geht mit ein paar Freunden auf die Straße, um das Ei ein bisschen durch die Gegend zu werfen. So wie Jungs das eben machen.

Und so, wie es bei Jungs dann ist, wird es dabei etwas lauter. Zu laut für die Nachbarn. Eine alte Dame beschwert sich. Was macht McIlroy? Er sagt nicht, 'Hey, wissen Sie eigentlich, wer ich bin?', sondern entschuldigt sich artig und geht wieder rein. Zwölf Stunden später stand er am ersten Tee und spielte in der Folge 63 Löcher lang überragendes Golf. Und beerdigte sich dann selbst.

Wie er sich aber nach der Runde hinstellte und seine Niederlage ertrug, hatte große Klasse. "Na ja, das war nicht der Plan! Es war hart für mich heute, aber man muss verlieren, bevor man gewinnen kann. Dieser Tag wird mich stärker machen", schrieb McIlroy auf seinem Twitter-Account. Er wird einige Zeit lang Albträume haben, aber er wird zurückkommen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er sein erstes Major gewinnt. Er wird sogar deutlich mehr als eins gewinnen. Wetten, dass?

3. The Glory of Augusta: Alle vier Major-Turniere haben ihren besonderen Glanz, aber das Masters ist und bleibt die Nummer eins. Nicht nur wegen der Geschichte und des paradiesähnlichen Platzes, auch deshalb, weil es in keinem anderen Major eine so irre Action gibt. Nirgends ist so viel Bewegung auf dem Leaderboard. Du kannst haufenweise Eagles und Birdies spielen, wenn du gut spielst. Spielst du aber nicht gut, setzt es sofort Bogeys, Doppel-Bogeys und schlimmere Geschichten.

Das Auf und Ab war auch in diesem Jahr wieder bemerkenswert. Sergio Garcia und Rickie Fowler? Waren die gerade nicht noch ganz vorne? Ja, waren sie, bis sie sich innerhalb kürzester Zeit rausgeschossen hatten. Dafür erschien plötzlich der alte Mann mit dem kaputten Rücken (Fred Couples), der selbst sagt, dass er das Masters auch als Krüppel spielen würde, ganz vorne. Und aus dem völligen Nichts tauchte Angel Cabrera an der Spitze auf.

Drei Tage, eigentlich sogar viel länger, hatte man vom Masters-Champion von 2009 nichts gehört, dann hatte er sich plötzlich in die letzte Gruppe mit McIlroy gewatschelt. Und zum Finaltag muss man gar nichts groß sagen. Die Atmosphäre, die Jubelstürme, die von überall herkamen - es war phänomenal. Jeder muss sich nur die DVD besorgen und wird danach folgender Erkenntnis zustimmen: Das ist Golf. Das ist unfassbar. Das ist Augusta.

2. U-S-A? Warum der Sieg von Charl Schwartzel auch so besonders war? Wir haben dadurch zum ersten Mal seit 1994 eine ganz außergewöhnliche Konstellation. Die letzten vier Major-Sieger heißen Charl Schwartzel, Martin Kaymer, Louis Oosthuizen und Graeme McDowell. Südafrikaner, Deutscher, Südafrikaner, Nordire. Wir stellen eine beängstigende südafrikanische Dominanz im Welt-Golf fest, Ernie Els brauchen die gar nicht mehr. Wir stellen aber vor allem fest, dass ein US-Amerikaner irgendwie fehlt.

Zum ersten Mal seit 17 Jahren hat die USA keinen amtierenden Major-Champion aufzubieten. Und wenn Tiger Woods und Phil Mickelson nichts reißen, kommt da auch nicht mehr viel. Die letzten beiden amerikanischen Major-Sieger, die nicht Woods oder Mickelson hießen, waren Lucas Glover (2009 US Open) und Stewart Cink (British Open 2009). Seitdem werden beide vermisst. Sachdienliche Hinweise darüber, wo sich Glover und Cink aufhalten könnten, bitte an die SOKO "Golf".

Was man in diesem Zusammenhang aber auch sagen muss: Die letzten drei Major-Sieger vor Augusta, Kaymer, Oosthuizen, McDowell, haben allesamt das Wochenende nicht erlebt. Und am ersten Tag gab es drei Leute, die im gesamten Feld die meisten Putts benötigten. Kaymer, Oosthuizen, McDowell. Das mit der Unfassbarkeit hatten wir schon, oder?

1. Dann gewinnt es eben der Schwartzel: Die diesjährige Masters-Edition war wieder einmal der Beweis für die wahnsinnige Dichte im Golfsport. Es kommen bei jedem Major so viele Spieler für den Sieg in Frage. Am Finaltag hätte man zwischendurch meinen können, dass es zu einem 8-Mann-Stechen kommt, so eng ging es zu. Adam Scott hätte das Ding zum Beispiel holen können. Seitdem der Aussie, der im Übrigen von Tennis-Beauty Ana Ivanovic verlassen worden sein soll, Bernhard Langer kopiert und mit dem langen Putter bei der Sache ist, locht er plötzlich einen Putt nach dem anderen. Auch Scotts Landsmann Jason Day hätte das Ding holen können.

Wer in Runde zwei eine 64 feuert und am Finaltag mit zwei Birdies abschließt, hat normalerweise gute Chancen. Dass Australien weiter auf seinen ersten Masters-Champion warten muss, lag dann an diesem Charl (ausgesprochen: Sharl) Adriaan James Lindsay Schwartzel. Ein 26-jähriger Südafrikaner, der sich in der Finalrunde gedacht hat: "Komm, an der 1 loch ich mal einen unmöglichen Chip-and-Run ein, an der 3 loch ich einfach mal vom Fairway ein, und weil es so leicht ist, höre ich zum Schluss mit vier Birdies in Folge auf." Zum ersten Mal in der 75-jährigen Geschichte schaffte es ein Champion, das Masters mit vier Birdies zu beenden. Seine 66 war außerdem die beste Finalrunde eines Champions in den letzten 22 Jahren.

Man kann nur den Hut ziehen vor Schwartzel. Und es soll bitte keiner sagen, dass Schwartzels Sieg eine Sensation wäre. Schwartzel hatte auf der European Tour schon sechs Turniere gewonnen und gehörte immer in die Kategorie der Spieler, die das Talent zum Major-Champion haben. Man muss sich nur seinen Schwung anschauen, der ist ein Traum. Jetzt ist es eben passiert. Und verdienter geht es gar nicht. Well done, Charl!

Die Golf-Weltrangliste