5. Tiger kann nicht putten: Er hat sich nach schlechten Schlägen selbst beschimpft, er brach nach Abschlägen in sarkastisches Gelächter aus, er lochte absolut nichts auf den Grüns. Und am Ende landete er auf Rang vier. Willkommen in der Welt von Tiger Woods. Im Prinzip lief der Masters-Auftritt von Woods genau so, wie man ihn erwarten konnte. Mit einem genialen Run in Runde zwei ließ er uns glauben, dass der alte Tiger wieder da ist und er jetzt sein fünftes Green Jacket abholt, nur um sich einen Tag später alles wieder selbst kaputt zu machen.
Am Finaltag das gleiche Spiel. Tiger lief auf den ersten Neun heiß, holte sieben Schläge Rückstand in Windeseile auf, aber dann ließ er wieder zu viele Schläge auf den Grüns liegen. Woods bekommt nach wie vor überhaupt keine Konstanz in sein Spiel. Und vor allem hält seine Schwäche auf den Grüns, und auch um die Grüns herum, weiter an. Sein langes Spiel war definitiv gut genug, um das Turnier zu gewinnen. Es ist sein kurzes Spiel, das im Vergleich zu früheren Zeiten in einem miserablen Zustand ist.
Im Vergleich zu Charl Schwartzel (107 Putts) verlor Woods (120, 6 Drei-Putts) auf den Grüns unglaubliche 13 Schläge. Auch wenn Schwartzels Sieg absolut verdient war und die ganzen Jungen Dampf machen, ist es für den Golfsport eminent wichtig, dass Tiger wieder gewinnt. Er ist jetzt 17 Monate ohne Turniersieg, die letzten elf Majors haben andere abgeräumt. Tiger wird auch wieder gewinnen. Aber wann das sein wird? Keine Ahnung.
4. Kopf hoch, Rory! Was für ein Kollaps. Es war der größte Masters-Zusammenbruch eines Führenden seit Ken Venturi 1956! Das letzte Mal hatte Jean Van de Velde beim berühmten Desaster von Carnoustie einen solchen Vorsprung verspielt. Man kennt das ja jetzt schon, wie die Führenden an Finaltagen von Majors die Nerven verlieren, aber bei Rory McIlroy hätte man es nicht erwartet. Schon gar nicht so. Innerhalb von nicht mal einer Stunde schoss sich der 21-Jährige zu Beginn der letzten neun Löcher aus dem Turnier. Der Junge war mit den Nerven komplett am Ende. Der Junge verschob einen kurzen Putt nach dem anderen. Der Junge war durch. Es war schlimm, bei diesem Drama zuzuschauen. Er konnte einem wirklich Leid tun.
Wer verstehen will, was für ein lässiger Typ dieser Rory McIlroy ist, muss sich nur folgende Geschichte zu Gemüte führen. Am Abend vor dem ersten Tag in Augusta hat McIlroy seine ganz eigene Art der Vorbereitung gewählt. Er schnappt sich seinen Football, den er sich gekauft hat, und geht mit ein paar Freunden auf die Straße, um das Ei ein bisschen durch die Gegend zu werfen. So wie Jungs das eben machen.
Und so, wie es bei Jungs dann ist, wird es dabei etwas lauter. Zu laut für die Nachbarn. Eine alte Dame beschwert sich. Was macht McIlroy? Er sagt nicht, 'Hey, wissen Sie eigentlich, wer ich bin?', sondern entschuldigt sich artig und geht wieder rein. Zwölf Stunden später stand er am ersten Tee und spielte in der Folge 63 Löcher lang überragendes Golf. Und beerdigte sich dann selbst.
Wie er sich aber nach der Runde hinstellte und seine Niederlage ertrug, hatte große Klasse. "Na ja, das war nicht der Plan! Es war hart für mich heute, aber man muss verlieren, bevor man gewinnen kann. Dieser Tag wird mich stärker machen", schrieb McIlroy auf seinem Twitter-Account. Er wird einige Zeit lang Albträume haben, aber er wird zurückkommen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er sein erstes Major gewinnt. Er wird sogar deutlich mehr als eins gewinnen. Wetten, dass?
3. The Glory of Augusta: Alle vier Major-Turniere haben ihren besonderen Glanz, aber das Masters ist und bleibt die Nummer eins. Nicht nur wegen der Geschichte und des paradiesähnlichen Platzes, auch deshalb, weil es in keinem anderen Major eine so irre Action gibt. Nirgends ist so viel Bewegung auf dem Leaderboard. Du kannst haufenweise Eagles und Birdies spielen, wenn du gut spielst. Spielst du aber nicht gut, setzt es sofort Bogeys, Doppel-Bogeys und schlimmere Geschichten.
Das Auf und Ab war auch in diesem Jahr wieder bemerkenswert. Sergio Garcia und Rickie Fowler? Waren die gerade nicht noch ganz vorne? Ja, waren sie, bis sie sich innerhalb kürzester Zeit rausgeschossen hatten. Dafür erschien plötzlich der alte Mann mit dem kaputten Rücken (Fred Couples), der selbst sagt, dass er das Masters auch als Krüppel spielen würde, ganz vorne. Und aus dem völligen Nichts tauchte Angel Cabrera an der Spitze auf.
Drei Tage, eigentlich sogar viel länger, hatte man vom Masters-Champion von 2009 nichts gehört, dann hatte er sich plötzlich in die letzte Gruppe mit McIlroy gewatschelt. Und zum Finaltag muss man gar nichts groß sagen. Die Atmosphäre, die Jubelstürme, die von überall herkamen - es war phänomenal. Jeder muss sich nur die DVD besorgen und wird danach folgender Erkenntnis zustimmen: Das ist Golf. Das ist unfassbar. Das ist Augusta.
2. U-S-A? Warum der Sieg von Charl Schwartzel auch so besonders war? Wir haben dadurch zum ersten Mal seit 1994 eine ganz außergewöhnliche Konstellation. Die letzten vier Major-Sieger heißen Charl Schwartzel, Martin Kaymer, Louis Oosthuizen und Graeme McDowell. Südafrikaner, Deutscher, Südafrikaner, Nordire. Wir stellen eine beängstigende südafrikanische Dominanz im Welt-Golf fest, Ernie Els brauchen die gar nicht mehr. Wir stellen aber vor allem fest, dass ein US-Amerikaner irgendwie fehlt.
Zum ersten Mal seit 17 Jahren hat die USA keinen amtierenden Major-Champion aufzubieten. Und wenn Tiger Woods und Phil Mickelson nichts reißen, kommt da auch nicht mehr viel. Die letzten beiden amerikanischen Major-Sieger, die nicht Woods oder Mickelson hießen, waren Lucas Glover (2009 US Open) und Stewart Cink (British Open 2009). Seitdem werden beide vermisst. Sachdienliche Hinweise darüber, wo sich Glover und Cink aufhalten könnten, bitte an die SOKO "Golf".
Was man in diesem Zusammenhang aber auch sagen muss: Die letzten drei Major-Sieger vor Augusta, Kaymer, Oosthuizen, McDowell, haben allesamt das Wochenende nicht erlebt. Und am ersten Tag gab es drei Leute, die im gesamten Feld die meisten Putts benötigten. Kaymer, Oosthuizen, McDowell. Das mit der Unfassbarkeit hatten wir schon, oder?
1. Dann gewinnt es eben der Schwartzel: Die diesjährige Masters-Edition war wieder einmal der Beweis für die wahnsinnige Dichte im Golfsport. Es kommen bei jedem Major so viele Spieler für den Sieg in Frage. Am Finaltag hätte man zwischendurch meinen können, dass es zu einem 8-Mann-Stechen kommt, so eng ging es zu. Adam Scott hätte das Ding zum Beispiel holen können. Seitdem der Aussie, der im Übrigen von Tennis-Beauty Ana Ivanovic verlassen worden sein soll, Bernhard Langer kopiert und mit dem langen Putter bei der Sache ist, locht er plötzlich einen Putt nach dem anderen. Auch Scotts Landsmann Jason Day hätte das Ding holen können.
Wer in Runde zwei eine 64 feuert und am Finaltag mit zwei Birdies abschließt, hat normalerweise gute Chancen. Dass Australien weiter auf seinen ersten Masters-Champion warten muss, lag dann an diesem Charl (ausgesprochen: Sharl) Adriaan James Lindsay Schwartzel. Ein 26-jähriger Südafrikaner, der sich in der Finalrunde gedacht hat: "Komm, an der 1 loch ich mal einen unmöglichen Chip-and-Run ein, an der 3 loch ich einfach mal vom Fairway ein, und weil es so leicht ist, höre ich zum Schluss mit vier Birdies in Folge auf." Zum ersten Mal in der 75-jährigen Geschichte schaffte es ein Champion, das Masters mit vier Birdies zu beenden. Seine 66 war außerdem die beste Finalrunde eines Champions in den letzten 22 Jahren.
Man kann nur den Hut ziehen vor Schwartzel. Und es soll bitte keiner sagen, dass Schwartzels Sieg eine Sensation wäre. Schwartzel hatte auf der European Tour schon sechs Turniere gewonnen und gehörte immer in die Kategorie der Spieler, die das Talent zum Major-Champion haben. Man muss sich nur seinen Schwung anschauen, der ist ein Traum. Jetzt ist es eben passiert. Und verdienter geht es gar nicht. Well done, Charl!