Der legendäre Closer der New York Yankees, Mariano Rivera, wurde als erster Spieler überhaupt einstimmig in die Hall of Fame gewählt. Was als Missverständnis begann, wurde zu einer denkwürdigen Karriere. Vom überforderten Starter zum größten Closer aller Zeiten. Das ist Mos Weg nach Cooperstown.
Die New York Yankees liegen vor dem neunten Inning knapp in Führung, der Manager des Teams geht zum Home Plate Umpire und signalisiert einen Pitcher-Wechsel. Aus dem Soundsystem des Yankee Stadiums - alt wie neu - schallt Metallicas "Enter Sandman", die Tore zum Bullpen im Outfield gehen auf und er tritt hervor und macht sich auf den Weg zum Mound. Das Publikum bricht in Jubel aus und allen Beteiligten ist klar: Das Spielende ist nah.
Unzählige Male erlebten Zuschauer, Teamkollegen und Gegner diese Sequenz über Jahre hinweg. So nahm der größte Closer in der Geschichte der MLB seinen Dienst auf. So trat Mariano Rivera üblicherweise in Aktion und brachte zahllose Siege des berühmten Teams aus der Bronx über die Bühne.
Aber: Wie viele Legendengeschichten im Sport fing auch diese mit einer Fehleinschätzung an, wenn man so will. Eine Fehleinschätzung wie etwa Tom Brady erst mit dem 199. Pick im NFL Draft zu ziehen oder zwei andere Spieler vor Michael Jordan im NBA Draft zu picken.
Bei Mariano Rivera war es so, dass die New York Yankees anfangs der Meinung waren, dass "Mo" ein Starting Pitcher wäre. Also einer, der das Spiel beginnt, mehrere Innings durchhält und dann an einen Reliever übergibt.
Mos Stuff jedoch war dafür nicht geeignet. In seiner ersten Saison 1995 startete er zehn Spiele und war schlicht und ergreifend schlecht. Er hatte schon damals einen harten Fastball, doch sein Komplementär-Arsenal war einfach nicht der Rede wert. Auch in den 90ern schon hatten gegnerische Hitter wenig Mühe, einen Fastball zu schlagen, wenn das alles war, was der Pitcher in petto hatte.
gettyMariano Rivera: Großer Durchbruch 1996
Doch New York hielt an seinem Rechtshänder fest. Schon gegen Ende der Saison wurde er in den Bullpen verfrachtet, als Reliever. 1996 dann wurde er gewissermaßen zum Feuerwehrmann für den neuen Manager des Teams, Joe Torre. Dieser setzte ihn immer wieder nach Belieben für mehrere Innings ein und Rivera mähte die Hitter nur so nieder. Am Ende standen 130 Strikeouts über 107 2/3 Innings und ein sagenhafter ERA+ von 240 - er war also 140 Prozent besser als der Liga-Durchschnitt.
Rivera avancierte zum Setup Man par Excellence und räumte regelmäßig den Weg frei für Closer John Wetteland, der das Team nach dem Gewinn der World Series 1996 verließ und das Feld für Rivera räumte.
Dabei hätte die Auswahl der Sportart auch ganz anders verlaufen können.
Riveras Vorbild? Pele!
Der Sohn eines Fischers aus einem kleinen Dorf in Panama hatte eine schwere Kindheit und musste in seinen Teens auf einem Fischerboot seinem Vater bei der Arbeit helfen. In seiner Freizeit spielte er Fußball und Baseball, wobei eigentlich Fußball seine Leidenschaft war - sein Vorbild: Pele.
Nach ein paar Knie- und Knöchelverletzungen konzentrierte er seine Freizeitaktivitäten jedoch nur noch auf Baseball, wo er in einer Amateurmannschaft als Shortstop aktiv war. Erst als der beste Pitcher seines Teams richtig schlechte Leistungen zeigte, half er als Pitcher aus und wusste sofort zu überzeugen.
Letztlich wurden Scouts der New York Yankees auf ihn aufmerksam und verpflichteten ihn 1988. Schon damals fiel seine simple wie effiziente Pitching-Motion auf, obwohl er kaum gezieltes Training auf dieser Position hatte.
Rivera anfangs nur ein marginales Talent
Seine ersten Jahre waren keineswegs einfach. Er war nichts Besonderes und wurde von vielen als marginales Talent angesehen. Auch sein Fastball flog damals höchstens 87 Meilen pro Stunde, nicht der Rede wert also. Doch Rivera biss sich durch und arbeitete sich nach und nach durchs Farmsystem New Yorks. Bis er einen weiteren Rückschlag verkraften musste.
Anfang der 90er verletzte er sich am Ellenbogen und fiel lange aus. Er hatte versucht, seinen Slider mit einer rapide abknickenden Handgelenksbewegung zu werfen, um die Flugkurve abrupter brechen zu lassen.
Die Verletzung führte dann wohl auch dazu, dass ihn weder die Florida Marlins noch die Colorado Rockies im damaligen Expansion Draft 1993 zogen - die Yankees hatten ihn nicht dafür geschützt.
Rivera wurde operiert und kam letztlich gesund zurück. 1995 hatte er dann das Triple-A-Niveau erreicht und war Teil von Diskussionen, was einen Trade für Detroits Starter David Wells anging. Nachdem er jedoch Wochen nach seinem eher überschaubaren Major-League-Debüt wegen einer Schulterverletzung wieder in den Minor Leagues gelandet war, geschah etwas Unerwartetes: Rivera pitchte einen Fünf-Inning-No-Hitter - Regen beendete das Spiel vorzeitig - und sein Fastball wurde zwischen 95 und 96 Meilen pro Stunde gemessen. Eine Geschwindigkeit etwa 6 MPH höher als sonst.
Yankees-General-Manager Gene "Stick" Michael ließ danach sogar die Radarpistolen checken, doch nach dieser Vorstellung beendete er jegliche Überlegungen, Rivera zu traden. Der Rechtshänder kehrte in die MLB zurück und da es ihm nicht gelang, die gezeigten Leistungen konstant zu zeigen, ging es für ihn in den Bullpen, wo er letztlich in den Playoffs über mehr als 5 Innings als Reliever so sehr überzeugte, dass er 1996 fester Bestandteil des Teams wurde.
Mariano Rivera: gefürchtete Waffe spät im Spiel
Die Yankees von 1996, das erste Yankees-Team seit 1978, das die World Series gewann, war nicht das offensive Powerhouse heutiger Tage. Ihr Erfolgsrezept bestand darin, über Pitching zu gewinnen und mit zahlreichen "Grindern" in der Offense den gegnerischen Starting Pitcher mürbe zu machen und ihn möglichst früh aus dem Spiel zu nehmen. Sie wussten: Wenn es ein Kampf der Bullpens werden würde, hätten sie den entscheidenden Vorteil.
Manager Joe Torres Modus Operandi war es für gewöhnlich, Rivera schon im siebten Inning zu bringen und ihn auch das achte pitchen zu lassen. Das neunte gehörte dann Wetteland. Billy Beane, der General Manager der Oakland Athletics, wird in "The Yankees Years", dem Buch von Torre aus dem Jahr 2010, mit den Worten zitiert: "Es war furchteinflößend zu wissen, dass Rivera am Ende des Spiels reinkommen würde."
Beane beschrieb die damalige Situation weiter: "Es machte dich extrem nervös, denn man wusste, dass man die Yankees in sieben Innings schlagen musste; denn mit Rivera konnte man sie nicht in neun schlagen. Du wusstest vorher: 'Wir haben sieben Innings, um in Führung zu gehen und dann war es das.' Danach kam Rivera."
Der Pitch, der die Karriere Riveras prägte, war freilich der Cutter, oder Cut Fastball. Ein Pitch, der an sich aussieht wie ein Fastball, aber dann kurz vor der Strikezone hart zu Seite wegbricht. Aus Riveras Sicht brach der Pitch nach links, also nach innen für einen Linkshänder. Aus diesem Grund war er noch schwerer von Linkshändern zu schlagen als von Rechtshändern.
Den Pitch an sich lernte er mehr durch Zufall beim Training. Glaubt man jedoch Torre, dann war der Pitch, den Rivera mit fast maschineller Präzision warf, nur das Werkzeug, nicht der Grund für den Erfolg Riveras: "Ich denke, was Mo so besonders machte, war in erster Linie die Größe seines Herzens."
Joe Torre erinnert sich an Riveras Anfänge
Das sei aber nicht alles, denn "er nahm immer auch Anpassungen vor. Einmal warf er einen Cutter nach dem anderen gegen Darrin Erstad von den Angels und der schlug einen Foul Ball nach dem anderen. Und in der Situation sehnst du dich nach einer anderen Option. Und dann wirft er einfach ohne Vorwarnung einen Changeup. Erstad schlug dann einen Flyball", erinnerte sich Torre.
Torre erklärte diese Entwicklung mit der Hilfe des kürzlich verstorbenen damaligen Pitching Coachs der Yankees, Mel Stottlemyre: "Mel hat ihm mit seinen Grips geholfen. Der Two-Seam Fastball war Teil davon, der Four-Seamer auch. Er hatte einen Frontdoor-Cutter. Dann fügte er einen Backdoor-Cutter hinzu und hatte auf einmal verschiedene Looks für die Hitter."
Zusammenfassend sagte Torre: "Ich denke, das Beste an ihm war, dass er, obwohl er wusste, dass er etwas Besonderes getan hatte, niemals aufgehört hat zu versuchen, immer noch etwas besser zu werden."
Die Ergebnisse sprachen für sich. Rivera gewann fünf Mal die World Series, er war der MVP der Series 1999 und besorgte in vier dieser Serien jeweils das finale Out für die Yankees. Mehr noch: Seine 652 Saves in der Regular Season sowie sein Karriere-ERA+ von 205 sind All-Time-Rekorde in der MLB - für alle Pitcher.
Mariano Rivera: Der ultimative Postseason-Performer
Getoppt wird das alles nur durch seine schier unglaublichen Zahlen in der Postseason. Rivera kam im Oktober auf 42 weitere Saves und einen fast unantastbaren 0.70 ERA über 141 Innings.
Freilich war er nicht immer unantastbar. In der ALDS 1997 vergab er die Save-Chance in Spiel 4 gegen die Cleveland Indians und die Yankees schieden anschließend aus. Zudem gab er die Führung und den Sieg in Spiel 7 der World Series 2001 gegen die Arizona Diamondbacks ab und kassierte die Pleite zum Ende der Serie.
Darüber hinaus gab er zweimal die Führung in der ALCS 2004 gegen die Red Sox ab und war somit im Zentrum des epischen Breakdowns - die Yankees wurden das erste Team im Baseball, das eine Best-of-7-Serie nach 3-0-Führung noch verlor. Doch unterm Strich stand er immer wieder auf und kam letztlich noch besser zurück.
Bernie Williams, der langjährige Center Fielder und Teamkollege von Rivera in New York, fasste perfekt zusammen, was Rivera ausmachte: "In fast zwei Jahrzehnten dominierte Mariano essenziell drei Generationen von Spielern von Mitte der 90er, den 2000er Jahren bis hin zu diesem Jahrzehnt. Er trat an gegen jeden von Cal Ripken Jr., Ken Griffey Jr. über Ichiro, David Ortiz und Miguel Cabrera bis hin zu Mike Trout und Manny Machado."
gettyRivera: Nummer 42 und eine eigene Straße
Ehe der größte Closer in der Geschichte der MLB 2013 seine Karriere beendete, kam er sogar noch von einer Knieverletzung aus dem Jahr 2012 zurück. In dem Jahr schon stand eigentlich sein Abschied fest. Doch ein Kreuzbandriss im Training machte ihm einen Strich durch die Rechnung.
So wollte er nicht abtreten, also kämpfte er sich zurück und trat dann auf ganz hohem Niveau 2013 zurück. Er gewann zum Abschied sogar noch den Comeback Player of the Year Award.
Die Yankees wiederum ließen es sich nicht nehmen, Riveras Legendenstatus gebührend zu ehren. In Rekordzeit - noch am Ende der Saison 2013 - landete seine Nummer 42 an der Wand der "Retired Numbers" im Yankees Stadium. Rivera war der letzte Spieler in der MLB, der die 42 tragen durfte. Sie wurde bereits 1997 zu Ehren von Jackie Robinson ligaweit aus dem Verkehr gezogen.
Seither wurde ein Teil der River Avenue, in der Yankee Stadium beheimatet ist, in Rivera Avenue umbenannt und "Mo" wurde sogar mit einer Plakette im Monument Park des Stadions beehrt. Die MLB wiederum ehrte ihn als Namensgeber des jährlichen Awards für den besten Reliever der American League. Im Sommer dann folgt die Plakette in der Hall of Fame.
Sandman, Enter Cooperstown!
Dieser Artikel wurde ohne vorherige Ansicht durch die Major League Baseball veröffentlicht.